Rückenschmerzen - rückenschonender Stuhl und andere Hilfsmittel

  • Hallo!


    Ich hab mal eine Frage. Hoffentlich könnt ihr mir da weiterhelfen.
    Und zwar hat mein Onkel in letzter Zeit irgendwie vermehrt Rückenbeschwerden, besonders seit er so viele Überstunden macht. Er ist nämlich Anwalt und arbeitet deshalb auch viel am Schreibtisch. Nun Habe ich mir überlegt, dass es vom vielen Sitzen kommen könnte. Habt ihr vielleicht ein paar Tipps, welche Stühle bei so etwas geeignet sind? Im Moment benutzt er so viel ich weiß einen gewöhnlichen Drehstuhl. Ich hab mich nämlich schon etwas informiert und u.A. diesen hier: http://www.bueromoebelwelt.de/…tpl/bmwelt-produkt-detail gefunden.
    Was meint ihr? Ist der gut, bei solchen Rückenbeschwerden?


    Danke schonmal für die Hilfe


    Bearbeitung durch "Ratgeber" 04.05.2012:
    Überschrift geändert von "Rückenschondender Stuhl" in "Rückenschmerzen - rückenschonender Stuhl und andere Hilfsmittel"

  • Bevor ich beginne, muss ich etwas Grundsätzliches klären:
    1) Rückenprobleme und deren Linderung/Vorsorge gehörten viele Jahre zu meinem Arbeitsbereich und ich war auch maßgeblich mit ander Weiterentwicklung solcher Produkte beteiligt. Trotzdem ich auch heute noch durchaus locker eine "Gesundheitsdiskussion" mit einem Arzt führen kann, gehöre ich jedoch nicht den Heiberufen an. Meine Informationen beruhen auf Erfahrungen von Betroffenen und Aussagen von medizinischen Fachleuten und natürlich aus normalen Kenntnisse der Körperphysik. Was ich hier also schreiben werden, kann nicht als "Rat" gedeutet werden, sofern es sich um Medizinisches handelt.


    2) Die Ursache von Verspannungen ist bei jeder Person verschieden. Um einen verbindlichen Rat oder Empfehlung geben zu können, muss ein Facharzt den Betroffenen untersuchen. Nur durch solche eine Untersuchung kann gewährleistet werden, dass die Ursache der Schmerzen bseitigt wird und nicht nur die Symptome.
    Das alleinige Bekämpfen der Symptome kann zu schweren und dauerhaften Schädigungen führen.


    Ich musste das vorweg schicken, da ich die Folgen von falscher "Selbstmedikation" schon oft erleben konnte.
    Wir möchten "auf den richtigen Weg helfen".. und der führt in jedem Fall zuerst zu einem Facharzt.


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    Doch jetzt zur eigentlichen Frage....


    Natürlich sind sitzende Berufe auch anfällig für Verspannungsschmerzen jeder Art.
    Erst einmal gilt es, das eigene Sitz- und Arbeitsverhalten zu beleuchten:


    -Habe ich "nur einen Schreibtischarbeitsplatz" oder habe ich einen "EDV-Arbeitsplatz" ?


    Bei einem Schreibtischarbeitsplatz arbeitet man "beweglich".
    Man sortiert, wälzt Akten, rück etwas hin und her, ist aber nicht überwigend "schreibend tätig"
    Durch zwischenzeitliches Aufstehen wird auch ein kleiner Ausgleich zur starren "Schreibtischhaltung" geschaffen.
    Ein Anwalt befasst sich in der Regel mit den Fällen, sichtet Akten und bereitet Schriftstücke vor.
    Er ist von seiner Arbeitshaltung also nicht immer zwangsweise auf den gleichen "Fleck fixiert"


    Bei einem EDV-Arbeitsplatz gibt es diese ganzen Bewegungsmöglichkeiten aber nicht.
    Immer wiederkehrende Handhabungen in einem eng begrenzten Umfeld und kaum wirkliche Bewegung des Körpers, sorgen für erhöhte körperliche Belastung der Hände, Arme, Beine, Füße.


    Ein Sitzmöbel muss ganz genau auf die Arbeitssituation abgestimmt sein.


    Beim Schreibtischarbeitsplatz, muss es Bewegungen ermöglichen.
    - Der Sitz sollte sich drehen können, ohne dass sich der Sitz komplett bewegt.
    - Sitz- und Rückenfläche sollten sich je nach Druck/Zug ohne Mühe an die Körperhaltung anpassen können.
    Entspannt zurücklehnen, ohne etwas verstellen zu müssen. Nach Vorne beugen und gleichzeitig im Rücken gestützt werden.
    - Die Rückenlehne sollte im Sitzen mindestens bis zum halben Ohr reichen um sowohl Kopf, Nacken und Rücken immer stützen zu können.


    Bei einem EDV-Arbeitsplatz muss das Sitzmöbel dagegen sowohl eine stützende Wirkung haben, als auch aktive Bewegung "erzwingen".
    - Die Sitzfläche selbst, sollte flexibel aufgehängt sein, so dass man durch verschiedene Seitenbelastungen eine Bewegung im Hüftbereich erzeugen kann.
    - Die Rückenlehne sollte so viel Druck auf den Rücken erzeugen, dass er immer gestützt wird.
    - Um die Arme und Hände zu entlasten, sind Armlehnen fast schon ein Muss.
    Diese sollten so einstellbar sein, dass die Arme "von oben gestützt" in einem Winkel von ca. 45° zur Arbeitsfläche weisen können.
    - Eine Kopf-/Nackenstütze ist bei dieser Arbeitsumgebung fehl am Platz


    Für beide Arten gilt:
    - Die Sitzfläche muss so lang sein, dass sie den Oberschenkel komplett abstützen kann.
    Eine zu kurze Sitzfläche hemmt die Durchblutung genauso wie eine zu lange Sitzfläche. Ideal ist also eine Sitzfläche, die sich individuell einstellen lässt.
    - Die Sitzhöhe muss so sein, dass die Füße eben auf dem Boden stehen können.
    Ist der Sitz zu hoch oder zu niedrig eingestellt, entstehen Belastungen und Hemmungen der Durchblutung


    Wer sich einfach einen 4-, 8-, 24- Stunden Bürostuhl aus dem Katalog kauft, wird garantiert nicht das ideale Möbel erhalten.
    Ein "perfekter Stuhl" muss vorher "anrpobiert werden wie ein Kleidungsstück". Nur wenn es ganz genau passt, ist es das "Richtige".


    Für den Anwalt würde ich einen sogenannten "Funktionssessel" empfehlen.
    Die Körperhaltung ist für die Arbeit nicht zwingend vorgeschrieben/fixiert. Deshalb kann man sich bei langer Sitztätigkeit auch durch eine andere Körperhaltung Entspannung verschaffen. Funktionssessel sind in der Regel auch im Rücken ergonisch gefortm: Der Rücken ist eben NICHT gerade, sondern hat eine S-Form. Diese Form wird bei Funktionssessel unterstützt.

    Für die "Bürogehilfen des Anwalts" würde ich dagegen einen sehr variablen, ergonomisch geformten Bürostuhl empfehlen.

    Die "Stunden-Zeitangaben" in diversen Beschreibungen sind übrigens eher eine "Bequemlichkeitsangabe".
    Ein 4-Stunden-Stuhl kann durchaus eine einfache und ungepolsterte Holzplatte haben. Darauf hält man es eben maximal 4 Stunden aus, bevor einem die ganze Kehrseite weh tut *lach*

    Um die Beine zu entlasten gibt es übrigens für beide Sitzarten auch Bein- und Fußstützen.

    Für den Funktionssessel gibt es abgeschrägte Hocker, die dafür sorgen, dass die Kniegelenke geschont und die Füße entlasten werden.
    Für Bürostühle gibt es separate Fußstützen (für unter den Schreibtisch) oder Fußrasten, die man direkt am Stuhl befestigen kann (ähnlich wie bei einem Barhocker)


    Übrigens... ich benutze tagsüber einen "Bürostuhl" und sitze aktuell in einem "Funktionssessel", der dem Rücken in jeglicher Haltung stützt. Gasdruckfedern ? Unnötig. Die Verstellung geschieht ganz automatisch durch reine Gewichtsverlagerung.
    Der einzige Nachteil bei Funktionssesseln besteht darin, dass sie manchmal nicht die "Normhöhe" eines Schreibtisches haben.
    Entweder legt man hierauf besonderen Wert (Mittelstütze sollte entsprechend lang sein) oder man hat einen höhenverstellbaren Schreibtisch.. der sowieso eigentlich in jedes Büro gehört.


    Der "Drehsessel" in deinem Link gehört übrigens, trotz seines Namens, zur Kategorie "Bürostuhl".
    Die Tests, auf die hingewiesen wird, wurden für "Bürostühle an Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen" vorgenommen.


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    Mit dem richtigen Sitzmöbel kann man übermäßige Belastungen vermeiden oder verringern.
    Man kann sie jedoch nicht behandeln oder heilen.


    Wie schon gesagt, sollte auf jeden Fall ein Arzt konsultiert werden.
    Da Verspannungen aber auch durch Fehlhaltungen und Fehlverhalten auftreten können, schadet es nicht, wenn man versucht, etwas dagegen zu tun bzw. vorzusorgen.


    Verspannungen kann man auf folgende Arten abbauen bzw. lindern:
    - Thermobehandlung = Wärmebehandlung: Warme Kompressen, Bäder und Duschen.
    Die Wärme sollte dabei aber nie punktuell, sondern flächig einwirken. Von den Rotlichtlampen halte ich deshalb nicht so viel. Solche Rotlicht-Bestrahlungen sollte schon ein Arzt oder Therapeuth vornehmen


    - manuelle Massagen (z.B. Klopf-, Shiatsu-, oder Fußreflexzonenmassage)
    Diese Behandlungsmethoden stammen aus der TCM ( =Tradionelle chinesische Medizin). Die Wirkung ist längst bestätigt und Massagen sind schon seit einigen Jahrzehnten als Therapieform auch in Deutschland anerkannt.


    Man muss aber gut aufpassen:
    Massagen sind nicht "nur gut". Bei bestimmten Krankheitsbildern können sie sogar schaden und schwere Schäden bewirken.
    Das gilt auch für sogenannte "Massagegeräte".
    Ich empfehle, einen geprüften Therapeuthen, Masseur oder Facharzt aufzusuchen um eventuelle Risiken vorher zu klären


    - Vibrationsmassagen
    Diese Art der Behandlung gibt es erst seit ca. den 1970er Jahren. Sie wurde erst mit entsprechenden elektrischen Geräten möglich.
    Je nach Stärke der Vibration, dringen die Impulse tiefer oder flacher ins Gewebe ein. Sie bewirken eine oberflächliche Gewebelockerung und erhöhte Durchblutung. Damit verbunden erwärmt such natülich auch der behandelte Bereich und es kommt zu einer sogenannten Eigenwärmeaktivierung = eine Thermobehandlung ohne zusätzliche Wärmequelle.
    Auf keinen Fall zu empfehlen bei Arthritis, Arthrose und/oder Implantaten. Bei Thrombrose droht Lebensgefahr und bei Osteoropose Beschleunigung des Krankheitsverlaufs.
    Auch hier also wieder: Nicht einfach rumprobieren, sondern besser vorher vom Arzt untersuchen lassen.


    - Reizstromtherapie
    So ziemlich die jüngste Behandlungsart. Durch schwache Ströme sollen die Zellen und Muskeln aktiviert ( = bewegt) werden. Eindeutig entsteht dabei Wärme (Thermobehandlung). Da die gleiche Technik aber auch für "Abnehmgeräte" verwendet wird, ist die Wirkung angeblich so vielfältig, dass sie nur ein Facharzt für einen ganz bestimmten Patienten für gut oder schlecht befinden kann.
    Nicht rumexperimentieren !


    - Akupunktur
    Dass diese Therapie wirken kann, ist bewiesen. Obwohl die Wirksamkeit bewiesen wurde, gibt es keine medizinischen Erklärungen über das "Wie". Man stützt sich dabei auf die Erklärungen der TCM.


    Ganz wichtig:
    Finger weg von "Akupunturgeräten" und diversen Vorführungen in der Öffentlichkeit.
    Ich habe sehr oft Erste Hilfe leisten müssen, weil bei so einer Vorführung "etwas schief gelaufen" ist. Werden die Nadeln nicht ganz exakt so gesetzt wie es notwendig ist, kann manchmal auch nur noch der Notarzt helfen. Ich habe solche Vorführungen übrigens nur beruflich verfolgen müssen. So mache Vorführung wurde später durch Ordnungshüter beendet, weil die Gesundheitsgefahr für die Behandelten zu groß war.


    Wer sich behandeln lassen will, geht zu einem anerkannten Therapeuthen und spielt nicht "Zirkusattraktion in der Öffentlichkeit".



    Etwas, was überhaupt nichts kostet und eigentlich die beste Therapie ist:
    Stärkung der Muskulatur. Eigentlich schmerzt nämlich nicht der Rücken/Nacken, sondern nur die Nerven und Muskulatur. Die Muskulatur bildet sozusagen ein zweites Stützkorsett im Körper rund um das Skelett.
    Eine aktive und gestärkte Muskulatur sorgt dafür, dass die Belastung auf das Skelett verringert ist. Sie verhindert damit erhöhten Verschleiß des Knochenbaus und des Knorpels. Sie sorgt dafür, dass Nerven nicht "scheuern und einklemmen" und sich so entzünden können.


    Krankenkassen empfehlen Rückenschulen und andere Vorsorgemaßnahmen.
    Diese steigern nicht nur die Muskulatur, sondern erhöhen auch die Vitalität als Gesamtes.


    PS:
    Da ich dieses Thema dich realtiv weit (eventuell auch viel zu weit ? ) ausgearbeitet habe, ändere ich die Überschrift des Themas von "Rückenschonender Stuhl ?" in "Rückenschmerzen - rückenschonender Stuhl und andere Hilfsmittel"