Praktikum als Probezeit für Ausbildungsvertrag ?

  • Unter Kündigung am letzten Tag der Probezeit = schlechter Arbeitgeber ? hatte ich darüber berichtet, dass es Arbeitgeber gibt, die die Probezeit nutzen, um neue Mitarbeiter schamlos auszubeuten .. um sie dann am letzten Tag der Probezeit ohne Angaben von Gründen feuern zu können.



    In diesem Thema möchte ich das andere Thema aber positiv fortführen:
    Es gibt nämlich noch die Arbeitgeber, die die Probezeit vor den eigentlichen Arbeitsvertrag verlegen.


    Ich möchte einmal einer Personaler zitieren

    Zitat

    Es gibt genügend Bewerber, die während der Probezeit ganz brav sind, dann aber plötzlich die Klappe aufreißen und nur noch Ärger machen. Die habe ich dann jahrelang am Hals. Ich möchte solche Leute vorher erkennen können.


    Natürlich hat dieser Personaler Recht mit seiner Grundeinstellung. Schließlich ist die Probezeit zum gegenseitigen Kennenlernen gedacht. "Schauspielert ein Bewerber" während der Probezeit, kann es später durchaus zum Schaden des Arbeitgebers werden. Das ist auch nicht der Sinn der Aktion.


    Eine Möglichkeit, die mir in den letzten Monaten immer wieder vorgekommen ist ist folgende:


    Arbeitgeber und zukünftiger Auszubildender (oder Festangestellter) vereinbaren zunächst einen Praktikumszeitraum.
    Für beide Seiten wird während des Praktikums eine Probezeit vereinbart , in denen sie problemlos kündigen können.


    Gleichzeitig wird im Praktikumsvertrag festgeschrieben, dass die Praktikumszeit als Probezeit im späteren "Dauervertrag" angerechnet wird. Mit erfolgreich absolviertem Praktikum besteht ein Anrecht auf den Festvertrag.
    Das Praktikum wird entsprechend Vereinbarung auch bezahlt.


    Diese Lösung bietet eigentlich für beide Seiten Vorteile:


    - Wenn der Ausbildungsbeginn erst einige Monate später stattfinden kann, sitzt man bis dahin nicht "auf der Straße".
    Man arbeitet also schon im späteren Beruf, gewinnt die ersten Erfahrungen und ist auch nicht arbeitslos.

    - Die Kündigung ist jederzeit möglich .. auch wenn der "Hauptvertrag" noch nicht abgeschlossen wurde.

    Das ist rechtlich sehr wichtig !
    Weil....


    Einen Arbeitsvertrag kann man nicht vor dem ersten Arbeitsvertrag bzw. Vertragsbeginn kündigen.
    Würde man den "Hauptvertrag" schon Monate vorher abschließen, kann man sich nicht mehr anders entscheiden = das könnte dir eine gute Chance verbauen. Das gilt wieder für beide Seiten.


    - Ein solcher Praktikumsvertrag gibt dir eine Chance mehr
    Stell dir vor , eine Firma stellt 10 AZUBIS ein , von denen sie aber nur 5 die Probezeit "überleben lassen will". Währenddessen stehst du also im vollen Wettbewerb mit den anderen. Wenn du den Kampf verlierst, hast du nicht nur die kurze Probezeit verloren, sondern auch 1/2 - 1 Jahr Lebenszeit. Mitten im Ausbildungsjahr ist es immer schwer, einen neuen Ausbildungsplatz zu finden.


    Kommt die Kündigung aber vor dem regulären Ausbildungsbeginn (im Praktikum) zustande, hast du immer noch Zeit bei einer anderen Firma eine Ausbildung zu beginnen.
    Auch die Firma kann schon vorab genau auswählen, bevor sie Zeit und Geld in den AZUBI investiert.


    Wiin-Win-Situation für beide Seiten .. ohne dass man auf Rechte oder Chancen verzichten würde.


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    Bei einem Ausbildungsvertrag hat es also faktisch für alle nur Vorteile.
    Bei einem regulären Arbeitsvertrag kann es aber Nachteile haben, zunächst ein bezahltes Praktikum zu haben, das auf die spätere Probezeit angerechnet wird.


    Die Nachteile sind folgendermaßen:
    - Praktika gelten in der Regel nicht als Berufsjahre. Es besteht auch keine entsprechende Zeugnispflicht. Mehrere Praktika können also , über das gesamte Berufsleben verteilt, eine Qualifikationsnachteil ergeben. Diese Jahre fehlen dann am Ende.
    - Praktika sind von der Bezahlung her, oft nicht dem eigentlichen Beruf gleichgestellt. Man verliert also Geld (und später) Rentenansprüche.
    - Im Lebenslauf machen sich Praktika nicht so gut wie aufgegebene Jobs. Ein Praktikum zählt oft als "Übungszeit unter erleichterten Bedingungen"

    Aber:
    Besser ein Praktikum als arbeitslos. Ein zukünftiger Arbeitgeber sieht dann, dass man nicht "auf der faulen Haut" gelegen hat, sondern sich weiterhin um neue Kenntnisse bemüht hat . Das steigert wieder die Erfolgsaussichten auf die neue Stelle.

  • Wie man sieht, ist das Thema etwas über ein Jahr alt.
    Während dieser Zeit habe ich zwei Auszubildende beobachtet , die mit einem Praktikum vor der Ausbildung begannen und danach erst die Ausbildung in Angriff nahmen.
    Einer war in unserer Firma und ein anderer in meinem privaten Umfeld.


    Vor über einem Jahr hielt ich das mit dem Praktikum vor der Ausbildung noch für den "idealen Weg".


    Nach über einem Jahr beobachten und teilweise miterleben, rate ich jedoch davon ab. Ich erzähle euch jetzt auch einmal warum.

    Bei Praktikanten begannen jeweils einige Monate vor ihrer Ausbildungszeit. Beide waren Erwachsene.
    Während der Praktikantenzeit wurde beide regulär wie eine ungelernte Kraft bezahlt. Sie wurden zunächst für ihre Aufgabe angelernt und faktisch begann die Ausbildung auch schon mit Praktikumsbeginn.


    Der Nachteil war:
    Sie stiegen direkt ins normale Berufsleben ein. Sie hatten also faktisch ähnliche Aufgaben wie ganz normale Kräfte.
    Nachdem die Praktikumszeit jedoch vorbei war, gab es einen "massiven Downgrade".


    Eine erfolgreiche Ausbildung hat immer auch etwas mit Psychologie zu tun....
    Man lehrt, führt und hilft und mit jedem Fortschritt bekommt der Auszubildende mehr Erfahrung und Selbstbewusstsein. Je länger die Ausbildung dauert, desto mehr verdient der AZUBI .
    Er bessert sich, erfährt immer mehr Wissen um seinen Beruf und bekommt immer mehr Geld.


    Beim Praktikum vor der Ausbildung war es aber ganz anders:
    Einige Monate erlebten sie das "normale Berufsleben" ... ohne jedoch mit den anderen Pflichten eines Auszubildenden konfrontiert zu werden. Anstatt dass sie im Laufe der Jahre immer mehr Geld bekamen, bekamen sie mit Ausbildungsbeginn plötzlich weniger als vorher - und das eben mit erhöhten Aufgaben.
    In der Schule wurden sie gleichzeitig dann wie "Anfänger" behandelt, obwohl sie vorher schon wirkliche berufliche Erfolge nachweisen konnten.


    Plötzlich zusätzlich Schule mit entsprechenden Abwesenheitszeiten. Die bisher gewohnten Abläufe wurden gestört und unterbrochen. Dann schlagartig mit bedeutend wenige Geld zurecht kommen müssen.
    Das ist psychologisch nicht der richtige Weg. Er schürt Unsicherheit und Unzufriedenheit. Anstatt dass es immer weiter aufwärts geht, gibt es plötzlich ein "Reset".
    Das demotiviert auf lange Sicht sehr stark und behindert den Auszubildenden bei seine Selbstmotivation und seinen Lernfortschritten.


    Beide Auszubildende haben mittlerweile ihre aktuelle Ausbildung abgebrochen. Während der Eine eine neue Ausbildung begonnen hat , hat der andere "es noch nicht gepackt".
    Es lag übrigens nicht an Firma, Ausbildern, Branche oder Geschlecht. Es gab keinerlei Zusammenhänge oder Parallelen zwischen ihnen.
    Ohne Zusammenhänge zueinander bleibt nur übrig, dass es eben "das Prinzip" war , das als Verursacher verantwortlich für den Ausbildungsabbruch war.