Stadt oder Dorf - wo lebt es sich im Alter am besten ?

  • Seit längerer Zeit beobachte ich schon die Unterschiede , die sich aus dem Leben in der Stadt oder auf dem Dorf für Senioren ergeben. Ich habe die Vorteile und Nachteile beider Lebensregionen gesehen und versuche sie hier einmal aufzuzeigen und abzuwägen.



    Leben auf dem Land (im Dorf)


    Vorteile:


    Eine überschaubare Bevölkerungszahl sorgt dafür, dass man sich schnell eingliedern kann.
    Man bleibt also nicht lange "unter Fremden" , sondern gewinnt relativ schnell neue Bekanntschaften und Freunde und kann sich dadurch schnell in das soziale Leben einbringen.


    Kleine Kommunen bewirken ein stärkeres "Zusammenhaltsgefühl"
    Gerade ältere Menschen bedürfen eher mal der Hilfe anderer. In kleineren Kommunen hilft man sich in der Regel noch mehr als in der Anonymität einer größeren Stadt. Jeder kennt jeden. Jeder hilft da, wo er kann.


    Wer jetzt denkt, "ein Senior kann doch selbst nicht mehr helfen" , ist "schief gewickelt".
    Sie/Er kann anderen durch Lebenserfahrung weiterhelfen oder auch mal auf Kinder oder Haustiere aufpassen. Auch kann er als "Housesitter" in typischen Urlaubszeiten fungieren.


    Senioren werden nicht abgegrenzt
    "Senioren auf dem Dorf" bleiben nicht nur unter sich , sondern nehmen am kompletten sozialen Leben teil. Dadurch haben sie Kontakt zu allen Altersgruppen und bleiben "geistig wacher" als gleichaltrige Senioren , die in der Stadt nur Kontakt zueinander haben.


    Es gibt weniger Gefahrenmomente
    - ruhigere Verkehrsbedingungen
    - geringere Chance auf der Straße überfallen zu werden
    - jeder achtet auf jeden
    ....diese Punkte sorgen für etwas mehr Sicherheit als in der Stadt.


    Gesünderes Leben
    In dörflichen Regionen gibt es in der Regel weniger Industrie und weniger Luftverschmutzung , die die Gesundheit belasten. Gleichzeitig hat man oft die Möglichkeit, sich in einem kleinen Garten landwirtschaftlich zu betätigen , um sein eigenes Gemüse zu ziehen. Zusammen mit den oft weiteren Wegen zu einer Einkaufsmöglichkeit , sorgt das dafür, dass man beweglich und fit bleibt. Man muss sich eben bewegen, auch wenn man gerne einmal faul sein möchte.
    Das wirkt sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden und die Wellness aus.


    Nachteile :
    Auch auf dem Dorf gibt es nicht nur Vorteile und Vorteile können auch zu Nachteilen werden.


    Allgemein schlechte Grundversorgung


    - Läden, in denen man einkaufen könnte , sind oft weit entfernt.
    Sobald man gebrechlich ist, werden diese langen Wege zur Qual werden. Wenn dann der ÖPNV noch dazu schlecht ausgebaut ist, wird aus einem "10-Minuten-Einkauf" eine ganze Tagestour.


    - Eingeschränktes Warenangebot
    Ein "Dorfladen" ist nicht mit einem modernen Laden vergleichbar. Er führt vor allem das, was oft gefragt und gekauft wird. Für besondere Artikel hat er oft weder die Flächen noch die Kunden. Das ist übrigens auch nicht anders, wenn es sich um einen Laden handelt, der unter der Marke einer größeren Filialkette geführt wird.
    Discounter wird man dort kaum ansässig finden, weil die reine Kundenzahl fehlt. Andere "Ketten-Filialen" werden von einzelnen Händlern eigenständig geführt, die eigenverantwortlich nur das einkaufen, was auch wirklich absetzbar ist.


    - Schlechter Ausbau und Verbreitung von moderner Telekommunikation
    Auch wenn es "staatlich verordnet" wird, sind Dörfer trotzdem weiterhin im Nachteil gegenüber einer Stadt. Für die Anbieter lohnt sich der Ausbau mangels Kundenmenge nicht. So wird man nur das Minimum stellen, was "staatlich gefordert" wird.


    - Notfallmedizin und gesundheitliche Versorgung sehr schlecht erreichbar oder verbreitet
    Nur wenige Ärzte und Pflegekräfte müssen zwar eine ähnlich große Bevölkerung wie in der Stadt versorgen, sind jedoch für einen immens größeren Einzugsbereich zuständig.
    Das beutet, dass sich Ärzte vorrangig konzentriert an einigen Stellen niederlassen und die Patienten lange Anreisewege haben.


    - Sofern es in der Nähe einzelne Praxen gibt, arbeiten sie mit anderen zusammen. Hierbei tauschen die Ärzte auch untereinander an verschiedenen Tagen so dass einzelne Praxen auch tageweise geschlossen bleiben.
    Überweisungen zu Fachärzten bedeuten lange Reisewege und gleichzeitig kann ein einzelner Facharzt alleine für die gesamte Bevölkerung zuständig sein. Das bedeutet, dass die Wartezeiten extrem lange sein können.


    - In einem medizinischen Notfall ist nicht mit einer zeitnahen und rechtzeitigen Hilfe zu rechnen
    Ist die nächste Rettungswache mit Notfallarzt z. B. 15 km entfernt, kann der RTW eben nicht rechtzeitig da sein , um bei einem kritischen Fall Hilfe leisten zu können. Selbst eine Blaulichtfahrt mit Hochgeschwindigkeit dauert , wegen der langen Strecke, ein Vielfaches von dem in einer Stadt.


    - Pflegedienste haben mehr Zeitaufwand für die Fahrt , als für den einzelnen Patienten
    Das bedeutet oft, dass es wenige Pflegedienste gibt, weil sich der Service für weitere Entfernungen nicht rechnet. Die Fahrtzeiten werden schließlich nicht bezahlt, sondern nur die reine Pflegeleistung.
    Ist aber ein Pflegedienst vertraglich zur Versorgung verpflichtet, wird er seine Routen so optimieren müssen, dass sich der Patient nach dem Pflegedienst richten muss und nicht umgekehrt (wie es eigentlich sein sollte)


    Ohne eigenes Fahrzeug kaum Mobilität
    Auf den Dorf kann man sich nicht mehr allein auf den ÖPNV verlassen. Ich kenne noch Zeiten, als diverse Dörfer von mehreren Busgesellschaften parallel versorgt wurden . Damals gab es noch den "Bahnbus" und den "Postbus" , so dass eine 1-Stunden.Taktung zu den nächsten Städten gegeben war.
    Seitdem diese Unternehmen jedoch privatisiert wurden, wurden die grundsätzliche Mobilitätsversorgung aufgegeben und an normale Busunternehmen übertragen.
    Jetzt müssen alle sehen, dass sie noch in einen einzelnen Bus passen. Zu bestimmten Zeiten sind die Busse völlig überfüllt und zu anderen Zeiten wird die Versorgung ganz eingestellt, weil es nicht genügend Fahrgäste gibt.


    Zwischen 18 Uhr und 7 Uhr morgens werden dann die "Bordsteine hochgeklappt". Wer dann noch unterwegs ist, muss dort bleiben, weil es keinen ÖPNV mehr gibt.


    Das eigene Fahrzeug ist dringend nötig für Einkäufe, Arztbesuche und um an einem sozialen Leben teilnehmen zu können, das sich nicht im unmittelbaren Umkreis befindet oder nach 18 Uhr stattfindet .

    "Jeder kennt Jeden" wird zum Nachteil

    Was einerseits positiv ist, wird zum Nachteil, wenn man von der kleinen Dorfgemeinschaft ausgegrenzt wird. Kann oder will man sich nicht engagieren, wird man zum Außenseiter, der keine zweite Chance mehr bekommt.
    Klatsch und Tratsch werden dann dafür sorgen, dass das Leben auf dem Dorf eine psychische Belastung wird und man auch eher selten Hilfe bekommt.


    Zugereiste nicht willkommen
    Je nach Region, dauert es relativ lange, bis an miteinander "warm geworden ist". Das variiert von Dorf zu Dorf. Im Laufe der Zeit bekommt das Dorfleben auch ein "eigenes Denken".
    Je kleiner die Kommune , desto mehr beschränkt sich alles auf das eigene kleine Umfeld und die eigene Beziehung untereinander. "Fremdes" wird nicht akzeptiert .. bis es sich angepasst und ins "allgemeine Denken eingefügt" hat.



    Für wen ist das "Dorf" nun geeignet ?
    Für alle Altersklassen, die bereit sind, sich in eine bestehende kleine Gemeinschaft einzubringen und sich ihr auch anzupassen. Das eigene Fahrzeug ist Pflicht und ein durchschnittlicher Gesundheitszustand wünschenswert.



    Im nächsten Teil geht es dann um das Leben in der Stadt. Ich bin selbst gespannt , welche Eindrücke ich da zusammen tragen werde . ;)


    Nachtrag by Ratgeber:
    Telekommunikationsversorgung hinzugefügt

  • Leben in der Stadt


    Vorteile


    Gute allgemeine Versorgung


    - kurze Wege mit guter Anbindung an den ÖPNV
    - große Auswahl an allen Dingen
    - großes Freizeit- und Kulturangebot
    - gute Abdeckung mit moderner Telekommunikationstechnologie
    - viele Spezialangebote für Senioren

    Anonymität oder Zusammenhalt, so wie man es möchte


    Allgemein wird davon ausgegangen, dass es in einer Stadt nur ein Nebeneinander gibt und sich keiner um den Anderen kümmert. Das ist auch möglich für alle, die die Anonymität lieben.
    Andererseits gibt es jedoch einen "dörflichen Charakter" bei den Bewohnern einzelner Stadtviertel untereinander.


    Man hat also die Wahl , sich für das "anonyme Zentrum" oder für ein "dörfliches Stadtviertel" zu entscheiden.
    Möchte man sich aber später einmal "umorientieren" , muss man nicht den Wohnort, sondern nur das Wohnviertel wechseln.


    Nachteile


    Allgemein weniger Zusammenhalt untereinander und über das gesamte Stadtgebiet hinaus
    Obwohl die Menschen in der gleichen Stadt leben, grenzen sich die Viertel gegeneinander ab und kümmern sich vorrangig um die eigenen Vorteile.
    Ist ein Mensch nicht in einem Viertel integriert , kümmern sich die Bewohner des Viertels oft eher weniger um ihn , so dass er nicht mit Hilfe rechnen kann.
    Die Entscheidung , sich nicht integrieren zu wollen und anonym zu bleiben , wird also respektiert und wirkt sich dann für den Betreffenden zum Nachteil aus.


    In größeren Städten ist es viel eher zu sehen , dass sich ein Senior mit schwerem Gepäck/Einkäufen abmüht , ohne dass ihm Hilfe angeboten wird.


    Ungesünderes Leben
    - In der Stadt müssen fast alle Nahrungsmittel gekauft werden.
    Gesunde Lebensmittel sind in der Stadt jedoch viel teurer als auf dem Dorf. Eigene kleine Landwirtschaft wird oft nicht betrieben, da sie nur als Hobby gilt und nicht der Eigenversorgung dient.
    Mit einem sinkendem Einkommen im Seniorenalter, steigt daher der Anteil an nicht so gesunden Nahrungsmitteln. Gebrechlichkeit und Geldmangel sorgt dafür, dass man sich seine gesunden Lebensmittel auch nicht mehr selbst anbauen kann (z.B. in einem Schrebergarten) obwohl die dazu nötige Zeit nach dem Arbeitsleben zur Verfügung stehen könnte.


    - Hoher Lärmpegel
    Lärm macht krank, das ist längst erwiesen. Um sich davor zu schützen, muss man faktisch in der Wohnung bleiben.


    - Hohe Umweltverschmutzung
    Abgase , aufgewirbelter Straßenschmutz , Feinstaub - auch dagegen hilft nur, in der eigenen Wohnung zu bleiben.


    - Geringere körperliche Aktivität
    Wer keinen eigenen Garten bestellen muss , sich vor Umweltverschmutzung und Lärm nur in der eigenen Wohnung schützen kann , nur kurze Wege zu allen möglichen Einrichtungen hat - dessen Bewegungsdrang lässt immer weiter nach. Damit verbunden ist auch eine sinkende allgemeine Vitalität.


    Mehr Gefahrenmomente
    - Viele Menschen bedeuten für Straftäter aller Art eine große Auswahl an potentiellen Opfern auf engstem Raum. Auch Straftäter lieben "effektives Arbeiten" und "kurze Wege" , um an ihr Ziel zu kommen.
    In der Stadt ist daher die Gefahr, Opfer von Überfall , Einbruchdiebstahl oder einer Gewalttat zu werden, bedeutend höher als auf dem Dorf.


    - Hohe Verkehrsdichte ist ein weiterer Gefahrenfaktor.

    Für wen ist die Stadt geeignet ?

    Vitale Menschen , die mitten im Leben stehen und an allerlei Aktivitäten interessiert sind , werden die Stadt lieben. Ist man in einem Stadtviertel sozial integriert, bildet es einen ähnlichen Rückhalt wie ein Dorf, bei gleichzeitig jedoch besserer Versorgungslage. Man braucht jedoch immer mehr Geld als auf dem Dorf für "Gesundes".
    Die Stadt ist also nichts für "schwache Einkommen".



    Wie lautet nur das Schlussfazit auf die Eingangsfrage ? Wo lebt es sich im Alter besser ?


    Es gibt keine eindeutige Empfehlung oder Antwort.
    - Wer sich in seiner sozialen Umgebung integrieren kann , wird sowohl in einem Dorf als auch in einem Stadtviertel das gleiche Zusammenhaltsgefühl erfahren können.


    - Wer gesundheitlich schwer angeschlagen ist , wird in der Stadt zwar nicht besser versorgt , aber die Wege sind bedeutend kürzer. In einem lebensbedrohlichen Notfall , hat man deshalb auch eine höhere Überlebenschance.


    - Wer sich einschränken kann und will , der kann auf dem Dorf auch auf moderne Technologie verzichten und mit dem knapperen Warenangebot auskommen. In der Stadt muss er sich dann einschränken, um sich "gesundes Frisches" leisten zu können.


    - Schwer Gehbehinderte , Blinde und durch eine schwere Krankheit Betroffene sollten sich jedoch nicht im Seniorenalter auf ein Dorf zurückziehen wollen. Für sie entstehen durch ihre allgemeine Gesundheitslage Probleme und Gefahrenmomente, die es in der Stadt nicht gibt oder bei der sie dort schnelle Hilfe erhalten könnten.


    Eine Situation wie sie immer wieder schnell passieren kann:
    Ein Rollstuhlfahrer oder Blinder muss/möchte im Winter noch eine längere, nicht schneefreie, Strecke zurücklegen (z.B. zum Einkaufen) . Bleibt er stecken oder fällt hin und verletzt sich , wird ihm auch die beste Gemeinschaft nicht helfen können, wenn er allein auf der Strecke ist.
    Hier kommt das Manko des Dorfes, dass dort eben weniger Menschen zeitgleich auf dem gleichen Weg sind. Es gibt also keinen , der Hilfe leisten könnte, wenn etwas passiert.


    Wo lebt man eigentlich länger ?
    Die meisten sehr alten Menschen wurden in Dörfern angetroffen. Jetzt kann man das aber nicht verallgemeinern. Als diese Menschen geboren wurden, gab es kaum Technologie. Sie mussten sich zeitlebens hart körperlich betätigen und sich dadurch zwangsweise vital und fit halten.
    Sich körperlich sehr hart zu betätigen fördert also die allgemeine Vitalität und erhöht die Lebenserwartung. Gleichzeitig sorgt es aber auch für stärkeren Verschleiß. Der Verschleiß senkt wieder die Lebenserwartung. Am Ende kommt es nur noch auf die individuelle Konstitution , Erbanlagen und Lebenswandel an



    Zitat

    1999 feierte ein Mann seinen 100ten Geburtstag.
    - "Was glauben Sie , worauf beruht es wohl, dass Sie heute 100 werden ? Haben Sie für uns ein Patentrezept ?"
    - "Ich glaube, es liegt nur daran, dass ich 1899 geboren wurde. Sonst könnte ich heute nicht meinen 100ten feiern"


    In dem Sinne:
    Es gibt kein Patentrezept , wo man am besten lebt - wenigstens liegt dem deutschen Patentamt noch kein entsprechender Patentantrag vor. Ich habe eben extra noch nachgefragt :loool:


    Wenn man für sich selbst die Vor- und Nachteile abwägt, sich mit ein paar negativen Sachen abfindet , und deshalb zufrieden lebt, wird man sowohl im Dorf als auch in der Stadt gut leben können. :thumbup: