Wie kommt die Milch in die Tüte ?

  • Vielleicht mag sich manch einer fragen, wie das abläuft, wenn Milch / Suppe und Co. in Tüten abgefüllt werden ? Da ich mal solche Maschinen mit gebaut und eingerichtet habe , kann ich es euch gerne mal erklären. Ich "zeige" es euch einmal anhand von H-Milch.


    Es beginnt damit, dass entrahmte Milch in einem Tanker von einem Milchwerk angeliefert wird. Diese Milch wird zunächst in einen separaten Tank gepumpt. Der ist nötig, weil sie später viel schneller abgefüllt wird, als sie aus dem Tankwagen gepumpt werden könnte.
    Ist die Tankwagenladung dann eingelagert, beginnt der Prozess.
    Zuerst fließ die Milch durch eine UHT. UHT = Ultra High Temperature = Ultrahochtemperatureinheit. Die Milch wird dort für eine exakt definierte Anzahl an Sekunden auf über 100 Grad erhitzt. Die UHT ist faktisch ein riesiger Durchlauferhitzer in der die Milch durch Erhitzung haltbar gemacht wird.
    Nun fließt die Milch zur eigentlichen Abfüllmaschine.


    Diese Maschine ist hochkomplex.
    Sie hat die Aufgabe, die Milch-Kartons aufzufalten , befördert sie dann in die Maschine hinein und sterilisiert und verschließt sie dann oben und unten.
    Die gesamte Maschine muss im Innern steril sein, damit keine Keime in die Milch kommen können. Alle Teile werden dazu mit Wasserstoffperoxid sterilisiert und auch die Kartons werden damit steril gemacht. Es gibt aber auch Maschinen, die die Kartons mittels Gammastrahlung sterilisieren.
    In der Maschine sorgen Hochleistungspumpen dafür, dass die Milch immer in gleicher Menge an allen Abfülldüsen gleichzeitig ankommen kann.
    Während die Maschine am Abfüllen ist, wird stetig Wasserstoffperoxid benötigt, damit Kartonage und Maschine auch während des Abfüllens weiterhin steril bleiben.


    Nachdem eine Maschine aufgebaut ist, dauert es rund mehrere Wochen, bis die Abfüllmaschine exakt auf das gewünschte Produkt und die Kartonage eingestellt wurde. Während dieser Zeit müssen täglich unzählige Tests gefahren werden , weil jede Maschine ein Unikat ist, das nur für diesen einen Zweck angepasst wird. Eine spätere Umstellung auf ein anderes Produkt ist zwar möglich, erfordert aber jedes Mal den gleichen Aufwand.


    Die größte Sorgfalt wird bei den Einstellungen auf die Fließgeschwindigkeit und die Sterilisation gelegt.
    Die Fließgeschwindigkeit ergibt später den Inhalt des Kartons. Um die exakte Pumpeneinstellung zu finden, werden zunächst Tausende von Litern an normalem Leitungswasser abgefüllt. Jeder Fülltest läuft rund 5 - 10.000 Liter. Während die gefüllten Verpackungen die Maschine verlassen, werden sie immer wieder gewogen. So wird festgestellt , wie viel Wasser durch die einzelnen Abfüllschlangen läuft , damit man sie exakt identisch einstellen kann. Am Ende der Testproduktion kommen die gefülten Kartons dann in einem Müllpresse, in der die Kartons dann zerquetscht werden , damit das Wasser wieder herausgedrückt wird.
    Nun muss die exakte Menge an Wasserstoffperoxid ermittelt werden, damit die Maschine und Kartonagen auch steril werden. Für diese Tests wird dann Apfelsaft genommen. Man nimmt Apfelsaft , weil der sich beim Abfüllen ähnlich verhält wie Milch , aber nicht so teuer ist.
    In der nächsten Stufe wird dann "endlich" mal richtige Milch abgefüllt. Nachdem die Milch abgefüllt wurde, kommt sie in einen Warmraum. Dort lagert sie bei über 30 Grad rund 1-2 Wochen lang. Danach werden alle gefüllten Milch-Kartons wieder herausgeholt und jede einzelne Verpackung wird auf ihren PH-Wert überprüft. Der PH-Wert ist ein erster Indikator über den Zustand der Milch. Danach kommt die Milch in ein Labor in dem sie auf mikrobakterielle Belastungen untersucht wird.


    Eine abgefüllte Charge ist dafür bestimmt, die Haltbarkeit der Verpackung festzustellen. Die Maschine muss schließlich jeden Karton an zwei Seiten verschließen, bevor er befüllt werden kann.
    Hierzu muss jeder Karton "geschlachtet" werden. Man schneidet ihn mittig durch (ohne die Rückwand auch zu zertrennen) und spült ihn in kochendem Wasser aus , damit er fettfrei wird. Die Milch wird aber dabei nicht weggeschüttet, sondern in Containern abgefüllt. Entweder wird diese Milch dann erneut für einen Fülltest verwendet oder die Container gehen danach ins Recycling in der aus der Milch später wieder Viehfutter hergestellt wird.
    In die ausgespülten und getrockneten Kartons wird dann spezielles Testbenzin eingesprüht. In regelmäßigen Abständen werden die Kartons kontrolliert und alle Ausschüsse werden entnommen und dokumentiert. Ziel ist es, dass maximal 1 von 1.000 undicht wird.


    Sind alle Vortests absolviert, kommt der letzte Test unter "Einsatzbedingungen":
    Innerhalb nur einer Stunde werden 12.000 Liter Milch abgefüllt , per Hand vom Band genommen , auf Paletten gepackt und eingelagert. Durchschnittlich verlassen also pro Sekunde 3,3 Packungen die Abfüllmaschine.
    Die ersten 300 Packungen nach dem Start müssen vernichtet werden. Sie enthalten noch viel zu viel Wasserstoffperoxid außen und in der Packung. Das sind die Reste, die noch von der Maschinensterilisation übrig waren.

    Die Maschine füllt also die Milch schneller ab, als du sie im Supermarkt aus dem Regal nehmen könntest.



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    Spätestens nach jeder Schicht, muss eine Abfüllmaschine laut Hersteller komplett desinfiziert werden. Dazu müssen viele Teile im Innern demnotiert und gereinigt werden. Danach kommen Säuren und Laugen zum Einstz, damit die Maschie definitiv steril wird. Dieser Vorgang dauert in der Regel mehrere Stunden.
    Das Gleiche gilt für die komplette Prouktionsumgebung.




    Mit den gleichen Maschinen können aber auch andere Lebensmittel abgefüllt werden. Sie müssen dazu nur umgebaut und angepasst werden. Das ist aber immer Sache des Herstellerwerkes , da dabei andere Einfülldüsen und Pumpen benötigt wserden und natürlich der mehrwächige Test für die Einstellungen. Vom Materialaufwand ganz zu schweigen.
    Wir haben damals z.B. Maschinen für Eintöpfe eingestellt. Dazu musste aber nicht nur die Maschine eingestellt werden, sondern wir mussten auch die Größe der Eintopfbestandteile vorgeben.
    Wenn man eine dicke fette Möhre mit 700 Bar durch eine Düse drücken will . gibt es nur zwei Ergebnisse:
    1) Die Möhre klemmt sich fest und verstopft die Düse. Als Folge gibt es dann eine Riesensauerei, weil der Rest natürlich nicht dadurch gehen kann.
    2) Die Möhre wird zu Möhrenbrei - was auch nicht das Ziel ist
    Also muss exakt bestimmt werden, wie groß die einzelnen Stücke sein dürfen, damit sie gut durch die Düsen gehen.


    Bei Flüssigkeiten ist es recht einfach die Füllmenge zu bestimmen. Sie hat immer die gleiche Konsistenz und Fließfähigkeit. Bei festen Stoffen wird das aber schwerer. Aus dem Grund werden freste Stoffe imemr in folgender Reihenfolge abgefüllt:
    Zuerst die festen und dicken Stoffe. Diese werden oft nacheinander durch verschiedene Düsen eingefüllt. Als Letztes kommt dann eine Soße (oder Wasser) hinzu , damit die Tüte auch voll wird. Dieses Vorgehen ist auch der Grund , weshalb in Dosen das "Dicke" immer unten ist ;)



    Welche Fehler können passieren ?


    Wenn die Milch in der UHT zu lange oder zu hoch erhitzt wird, trennt sich später das Fett. Die Milch flockt aus. Wenn ihr mal so einen "Bröckchenmilch" in einer Tüte habt, bedeutet das nichts. Auch wenn es seltsam aussieht. Die Milch ist immer noch gut , sieht nur nicht mehr so schön aus.
    Wenn z.B. Apfelkompott unsteril abgefüllt wird , blähen sich die Packungen auf und platzen innerhalb von nur 3 Tagen auf. Wer schon einmal versucht hat, eine Milchtüte zu zerquetschen, kann erahnen, welcher Innendruck herrschen muss, damit so eine Packung aufplatzt. Wenn Milch unsteril abgefüllt wird, blähen sich die Packungen auch recht schnell auf.


    Wie lange sind steril abgefüllte Milch-Packungen eigentlich haltbar ?
    Beim Abfüllen sprüht ein kleiner Tintenstrahldrucker immer das Mindesthaltbarkeitsdatum auf jede Verpackung. Dieses MHD liegt immer rund 6 Monate nach dem Abfülldatum. Verdorben ist die Milch dann aber immer noch nicht !
    Auch nach Erreichen des MHD ist die Milch immer noch gut. Man gibt nur die 6 Monate ein, damit man einen zuverlässigen Zeitraum hat. Erst wenn die Milchtüte "rundlicher" wird und sich aufbläht, ist die Milch wirklich verdorben. Dann ist sie unsteril geworden und Bakterien haben einen Zersetzungsprozess begonnen, der dafür sorgt, dass diverse Gase entstehen, die den Innendruck erhöhen.
    Also nicht wegwerfen, nur weil das MHD erreicht wurde. Tüte öffnen, daran riechen und wenn die Milch nicht sauer ist, kann man sie ganz normal benutzen.


    Umweltschutzaspekte


    Eine Tüte Milch besteht aus drei verschiedenen Materialien: Pappe für die Außenlage, Aluminium für die Sterilität, Kunststofffolie für die Dichtigkeit von innen. Ein "Tetra-Pack" kann also nicht wirklich recycelt werden, weil man die Stoffe später nicht mehr trennen kann. Man kann sie später nur "thermisch recyceln" = verbrennen.
    Wasserstoffperoxid als Desinfektionsmittel kann durch entsprechende Mengen an Wasser umweltneutral entsorgt werden.
    Säuren und Laugen können neutralisiert werden , so dass am Ende nur eine umweltneutrale Flüssigkeit abgeleitet werden muss.



    Wie groß ist so eine Maschine eigentlich ?
    Ich möchte es mal so ausdrücken ...
    Beim Bau der Maschine bin ich oben in die Maschine gestiegen, um im Innern Rohre anzubringen. In den Abfüllbereich konnte ich später auch noch rein gehen , um Düsen zu tauschen. Ich bin mit meinen 1,90 m nun nicht gerade kleinwüchsig , so dass ihr euch gut vorstellen könnt, wie groß allein die Zwischenräume in der Maschine sind. Für die großen Pumpen brauchte ich große Hallenkräne, um sie einbauen zu können. Oben auf der Maschine hat man extra Laufgänge.
    Alles in allem waren die Maschinen (nicht aufgebaut) so groß, dass man mehrere 40-Tonner brauchte um sie (zerlegt) zu transportieren Die Grundteile waren nicht mehr mit Gabelstaplern oder Hallenkränen abzuladen, sondern man brauchte für jedes Teil einen schweren mobilen Kranwagen. An den Bauteilen wurden riesige Schwerlastrollen angebracht und dann mussten sie per Muskelkraft an ihren Aufbauort geschoben werden.
    Nachdem so eine Maschine fertig montiert und eingestellt ist , ihren Probelauf erfolgreich absolviert hat, muss die Maschine wieder demontiert werden. Dann wird sie in riesige Kisten verpackt, aufgeladen und an ihren endgültigen Einsatzort gebracht.
    In einem Fall ging die Maschine dann nach Texas in den USA. US-Süppchen mit deutschen Abfüllablagen befüllt.