Was tun bei einem atomaren Unfall ?

  • Wer jemals bei der Landesverteidiugng war (Bundeswehr, Bundesheer , NVA , Marine usw. ) wird Folgendes bereits wissen , weil es zur Ausbildung gehört. Für viele andere wird es eventuell neu sein.


    Was passiert eigentlich bei einem atomaren Unfall ?
    Bei einem atomaren Unfall wird radioaktive Strahlung freigesetzt. Diese besteht aus verschiedenen Strahlungsarten: Alpha- , Beta- und Gammastrahlung.
    Jede Strahlungsart trägt verschieden weit und ist damit auch verschieden gefährlich. Die gefährlichste Art ist die Gammastrahlung , weil sich die Strahlung wieder von jedem betroffenen Gegenstand erneut ausbreitet. Sie tritt als unter anderem auch als radioaktives Iod und radioaktives Iodmethan auf.


    Die Strahlung endet also nicht am Ende der ursprünglichen Reichweite, sondern pflanzt sich weiter fort. Die betroffenen Gegenstände strahlen selber.


    Wie verbreitet sich die atomare Strahlung ?
    Sie verbreitet sich direkt strahlenförmig in allen Richtungen gleichzeitig und über Luft , Wasser , Regen , Staub und alle betroffenen Gegenstände.

    Wie kann man Strahlungseinwirkung reduzieren ?

    Man dekontaminiert Strahlung dadurch , dass man so viel wie möglich der verstrahlten Bereiche abträgt oder abwäscht. Je weniger verstrahltes Material verbleibt, desto geringer wird die Strahlung für die Umgebung.


    Wie kann man sich vor der direkten Strahlung schützen ?
    Möglichst dicke Mauern um sich herum , damit die Strahlung nicht sofort auf den Körper einwirken kann, verzögert die Zeit bis dass einen selbst die Strahlung erreicht. Idealen Schutz bieten hermetisch verschlossene Räume , die zusätzlich noch mit einem Bleimantel verkleidet sind, durch den die Strahlung nicht dringen kann.


    Wie gesagt, war das einfaches Grundwissen im Zusammenhang mit atomarer Strahlung.


    Was kann ich nun aber tun , wenn es in meiner näheren Umgebung zu einem atomaren Unfall kommt ?


    So schnell wie möglich die unmittelbare Nähe verlassen.
    In der Nähe der Strahlungsquelle ist die Strahlung am stärksten. In ihrer Nähe gibt es oft kaum Schutz für die Zivilbevölkerung . Je mehr die Entfernung zur Strahlungsquelle steigt, desto geringer wird die Strahlungsstärke.


    Einen schützenden Raum aufsuchen
    Je dicker die Mauern sind und je tiefer der Raum unter der Erde liegt, desto länger dauert es , bis ihn die Strahlung erreicht. Ein unterirdischer Raum (z.B. Keller) ist daher der ideale Ort . Ihn schützt nicht nur die Mauerstärke, sondern auch der ihn umgebende Erdboden vor der Strahlung.


    Dekontamination
    An allem, was man an Kleidung trägt, haften strahlende Rückstände. Diese kontaminieren ihre unmittelbare Umgebung. Die Kleidung muss daher sofort abgelegt werden und darf auf keinen Fall direkt in den schützenden Raum mitgenommen werden.


    Als Nächstes muss man den Körper dekontaminieren. Dieses geschieht durch Wasser und Seife, mit denen man so viel wie möglich des atomaren Fallouts vom Körper wäscht. Die Problemzone bilden dabei die Haare, in denen sich immer Unmengen an feinsten Staub festsetzen. Sie sollten besonders ausgiebig und gründlich gewaschen werden. Im Idealfall trennt man sich sogar lieber von seinen Haaren.


    Schutz in kontaminierten Bereichen


    Schutz der Atemorgane
    Eine ABC-Maske wäre so ziemlich der beste Schutz . Ihre Filter enthalten Stoffe, die geeignet sind, atomare Stoffe zu filtern und zurück zu halten. Ein solche Maske schützt die Atemorgane zuverlässig auch vor radioaktiver Strahlung.
    Die zivilen Versionen sollten mindestens einen weißen + orange Kennzeichnungsring aufweisen.
    Weiß = Partikelfilter
    Orange = Reaktor. Sie filtert radioaktives Iod und und radioaktives Iodmethan


    Militärische Filter und die vom Katastrophenschutz sehen anders aus. Die Filter der Bundeswehr tragen zum Beispiel keine Farbkennzeichnung. Stattdessen ist der Schutztyp mit einem Kürzel eingeprägt.
    Beide sind auch nur für Vollmasken vorgesehen.


    Wer sich eine Maske anschaffen will, sollte filtrierende Masken und Halbmasken gleich außer Acht lassen. Sie schützen nur die Atemorgane, nicht aber das restliche Gesicht und die Augen.


    Die "weißen Masken", die man sonst in allen möglichen Arbeitsbereichen findet und die man auch in Japan seit dem Reaktorunfall überall sieht, sind (ohne Farbkennzeichnung) völlig ungeeignet zum Schutz bei radioaktiven Fallout.
    Als "Gasfiltermasken" sind sie nicht sinnvoll, da man sich nicht vor einem Gas, sondern vor radioaktivem Iod schützen muss. Ihre Filter sind auf Gase ausgelegt , könnten jedoch durchaus noch kontaminierten Feinstaub herausfiltern.
    Da kann man gleich auch die billigeren Feinstaubmasken verwenden, die nur auf diesen einen Zweck ausgelegt sind.


    Ich persönlich würde mir deshalb gleich für so einen Fall eine Vollmaske mit genügend Filtern zulegen.
    Doch egal welche Filterart: Man muss genau darauf achten das aufgedruckte Haltbarkeitsdatum nicht zu überschreiten. Das ist nämlich kein MHD, sondern eine maximale Haltbarkeit. Ist das Datum erreicht, verliert der Filter seine Wirkung.


    Ist ein ABC-Filter einmal entplompt/entsiegelt, kann er danach auch nicht mehr erneut verwendet werden. Seine Wirkung gegen radioaktive Stoffe beginnt mit dem Entsiegeln und hält nur einige Stunden lang. Als Faustformel ist mit 2 Stunden zu rechnen. Danach muss der Filter durch einen neuen ersetzt werden.


    Es ist also nicht damit getan, sich "irgendeinen Filter" auf Vorrat zu holen, sondern man muss auf vieles achten, damit man sich nicht am Ende in trügerischem (aber nicht vorhandenem ) Schutz einer kontaminierten Umgebung aussetzt.


    Wer sich wirklich einmal damit beschäftigen will, sollte nicht (nur) bei Atomkraftgegnern vorbeischauen, sondern im Bereich Katastrophenschutz informieren. Ein erstes Sprungbrett dazu ist aktuell Wikipedia . Dort sind Dokumentationen und Adressen von militärischen Filtern und vom Katastrophenschutz zu finden.


    Schutz des Körpers
    Der ideale Schutz besteht in einem Vollschutzanzug, der den ganzen Körper bedeckt. Das sind zum Beispiel die weißen Overalls , wie man sie auch im Heimwerkerbereich findet. Sie gibt es auch für chemische und andere Stoffe.
    Damit so ein Overall möglichst gut schützt , muss er möglichst dicht sein. Je weniger Luftaustausch, desto besser. Auch wenn die Overalls "wie Papier aussehen", handelt es sich oft um fein gewebte leichte Kunststoffe.


    Solche Overalls verhindern dass kontaminierter Fallout direkt an den Körper gelangt. Das ist nämlich das eigentlich Hauptproblem: Alles was an den Körper gelangen kann, muss abgewiesen werden, da es kontaminiert ist und strahlt.


    Aber ... selbst ein einfacher Plastik-Poncho schützt schon mehr als normale Alltagskleidung vor radioaktivem Fallout. Seine glatte Oberfläche lässt nur wenige Anhaftungen zu und er lässt sich schnell und gründlich dekontaminieren.
    Er bietet dadurch wenigstens einen Mindestschutz gegen radioaktiven Regen und Staub.


    Will man sich also vor Kontamination schützen , muss man möglichst den ganzen Körper bedecken. Haare, Kopf, Gesicht , Hände , Körper.. alles muss durch Schutzkleidung gegen die Umwelt abgeschottet werden.


    Der ideale Schutz wäre natürlich ein schwerer ABC-Schutzanzug mit eigener Luftversorgung. Die sind jedoch so selten, dass sie selbst beim Katastrophenschutz nicht in jeder Einheit in genügender Menge zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sind sie auch so schwer, dass man schon gut im Training sein muss, um sie mehrere Stunden durchgehend tragen zu können.


    Jod-Tabletten
    Hierzu gibt es bereits ein eigenes Thema Jodtabletten bei Reaktorunfall zur Jodblockade


    Das Wichtigste daraus



    Jod-Tabletten sind also nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen sinnvoll. Ihre Schutzwirkung ist auch nur gering.



    Leben in nicht kontaminierten Schutzbereichen


    Hat man so einen Bereich einmal erreicht, muss man dort bleiben .. so lange es draußen zu gefährlich ist.
    Von draußen darf nichts mehr hineingebracht werden, was man nicht dekontaminieren kann.
    Das betrifft eigentlich wirklich alles und beginnt mit der Kleidung und endet mit Wasser und Atemluft.


    Lebensmittel können nur noch genutzt werden, wenn sie sich in dicht verschlossenen Behältern befunden haben. Faktisch ist "Dosenfutter" alles, auf das man sich noch verlassen kann.


    Ab jetzt ist es Ende mit der üblichen Körperpflege. Wasser ist kostbarer als Gold, wenn es keinen Zugang zu nicht kontaminiertem Wasser gibt. Lieber "bis zum Himmel stinken" als sich "sauber zu verstrahlen".


    Hat man jedoch Zugang zu sauberem Wasser, sollte man es mit der Körperpflege lieber übertreiben. Jedes Staubkorn, das hinein kommt ist kontaminiert. Je öfter man sich wäscht, desto schneller trägt man diese Kontamination wieder ab und vermindert damit die radioaktive Belastung auf den Körper.


    Bunkerkoller
    Wenn mehrere Menschen untätig in einem Raum verharren müssen , kommt es oft zum "Bunkerkoller". Ohne Beschäftigung bekommt die menschliche Psyche nach einiger Zeit einen Knacks.
    Gleich zu Anfang sollte deshalb etwas ersonnen werden, was alle "Mitgefangenen" ablenkt.. sei es auch noch so unsinnig oder unnötig. Hauptsache man hat Beschäftigung und Ablenkung.


    Strahlenmessgeräte
    Sie sind nur nützlich , wenn man auf der Suche nach einem Schutzraum ist. Befindet man sich in so einem Raum, zeigen sie nur noch an, wann der Raum nicht mehr sicher ist.
    Steigt die Strahlung jedoch mit der Zeit dann an, können die Messungen aber zu irrationalen Panikreaktionen führen. Der Bunkerkoller ist vorprogrammiert.


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    In einer solchen Situation muss man sich einmal verdeutlichen "wie ein Mensch funktioniert".
    Der Mensch braucht die Hoffnung, dass er eine Gefahrenlage überleben kann. Sieht er sich "mit dem Rücken an der Wand" und keinen Ausweg mehr , handelt er in panischer Flucht oder in einem Angriffsreflex.


    Bei einer radioaktiven Gefahrenlage gibt es keinen Angriff, durch den man die Gefahr abwenden könnte. Der Angriffsreflex wird sich deshalb zunächst gegen die Mithäftlinge wenden.
    Die Flucht nach draußen kann schneller zum Tod führen als das Verbleiben im Raum.
    Beide Reflexe sind also völlig unsinnig , jedoch immer noch in unseren Genen programmiert.


    Wenn wirklich jemand so ein Strahlenmessgerät hat, sollte er es mit Bedacht einsetzen - und gleichzeitig auch so gefestigt sein und logisch denken, dass er notfalls die anderen sogar belügt in dem er alles verharmlost oder auf nahe Hilfe vertröstet.


    Die Anderen müssen auch dann noch Hoffnung haben , wenn es "rein logisch" keine Rettung mehr geben kann.
    Ansteigende Strahlenbelastung ohne Fluchtmöglichkeit bedeutet den Tod. Es gibt aber immer noch die Hoffnung, dass man durch Zufall gefunden und gerettet wird.


    Irgendwann kann es sein, dass die Werte drinnen und draußen fast identisch sind. Eigentlich ist es jetzt egal, wo man sich aufhält.
    Jetzt etwas zu bedenken.
    - Kann es sein, dass die Retter schon in der Nähe sind und gerade dann ankommen , wenn ihr einen Fluchtversuch gewagt habt ?
    In dem Fall würdet ihr faktisch vor der Hilfe flüchten. Statt Rettung gibt es weiterhin Gefahr.


    Diese Frage stellt sich in jeder ausweglosen Situation. Sie wird mal so und mal anders beantwortet.


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    Ich persönlich gehe davon aus, dass bei einer radioaktiven Katastrophe so viele Menschen gerettet werden müssen , dass die Hilfskräfte sehr lange brauchen werden. Je näher man sich am Zentrum der Katastrophe befindet, desto länger wird es brauchen, bis sich die Hilfe von den weniger betroffenen Bereich nach innen vorgearbeitet haben.


    Befinde ich mich sowieso in einer sehr belasteten Umgebung, bekomme ich auch mehr davon ab. Meine Chancen stehen also bereits am Anfang viel schlechter als die derer in den Randbereichen.


    Dieses Wissen im Hinterkopf , würde ich gleich zu Anfang so weit flüchten wie möglich. Da diese Idee aber viele haben werden, würde ich taktisch vorgehen:
    Sobald die Flucht ins Stocken kommt, würde ich einen geschützten Raum aufsuchen und ihn dann verlasen, wenn wieder eine schnelle Flucht möglich ist.


    Bei einer radioaktiven Bedrohungslage steigt die Gefahr mit der Aufenthaltsdauer im belasteten Bereich. Aber jeder Raum reduziert die Belastung.
    Statt also z.B. Im Auto abzuwarten bis es wieder weiter geht , würde ich zuerst die Belastung verringern.
    Wenn später die Wege wieder frei sind, bin ich auf meiner schnellen Flucht zwar stärkerer Strahlung ausgesetzt , aber eben nicht so lange. Je weiter ich weg bin, desto schwächer die Belastung.


    Flucht ist die beste Möglichkeit. Schutzräume sind nur zum Pausieren sinnvoll, bis man einen sicheren Bereich erreicht hat.
    Bei einer radioaktiver Gefahrenlage sinkt die Gefahrenlage nicht , sondern nimmt stetig weiter zu.


    OK, irgendwann sinkt die Belastung zwar .. bis dahin vergehen aber viele Jahre (siehe Tschernobyl)