Pflegefamilie

  • Wenn ein Kind kein Eltern mehr hat oder von ihnen vorübergehend getrennt wird, gibt es zwei Arten der Unterbringung und Versorgung : Kinderheim oder Pflegefamilie.


    In heutigen Zeiten versucht man zuerst , das Kind in einer Pflegefamilie unterzubringen. Einerseits ist es für das Kind besser, in einer intakten Familie zu leben und andererseits sind die Kosten für den Staat auch nicht so hoch.


    Eine Pflegefamilie wird nach ganz bestimmten Gesichtspunkten ausgesucht. Die Kriterien ändern sich mit der Zeit immer wieder und auch die Ämter können immer wieder andere Anforderungen stellen. Es gibt also keine allgemeingültigen Regeln, die ich jetzt zitieren könnte .


    Ein positives Kriterium ist jedoch immer gewesen, wenn die Familie schon Kinder hat und die Pflegeeltern alt genug sind, um genügend Lebenserfahrung zu haben. Es gibt jedoch auch eine obere Altersgrenze. Die Pflegeeltern sollen das Kind ja nicht nur für eine kurze Zeit in ihre Familie aufnehmen, sondern im Ernstfall für den Rest seines Lebens. Die "neuen Eltern" müssen also noch jung genug sein , um das Kind bis zum Erwachsenwerden (und einige Jahre danach) zu leiten und zu unterstützen.


    Pflegeeltern werden aber manchmal auch erst einmal "probehalber getestet". Dieser Test kann in einem Kind bestehen, das Entwicklungsprobleme hat oder das von anderen Pflegefamilien abgelehnt wurde.


    Meine eigenen Eltern waren auch Pflegeeltern für einige Kinder.
    Ihr "Test" bestand aus einem weiblichen Zwillingspärchen das ein Entwicklungsproblem hatte. Sie waren damals 12 Jahre alt. Wie stark die Entwicklungsprobleme waren, kann man daran erkennen, dass sie in diesem Alter immer noch ins Bett machten , nicht eigenständig essen konnten und selbst in der Sonderschule als hoffnungslose Fälle behandelt wurden.


    Sie bekamen "zum Test" ein Paar Jugendliche , die vorher keine andere Familie haben wollte und die auch schon in einigen Heimen gewesen waren.
    Aus heutiger Sicht als Erwachsener, empfinde ich diesen "Test" als fast unzumutbar. Ich erinnere mich noch daran, dass meine Mutter mehrmals in der Nacht aufstehen musste, um die Mädchen zu wecken oder die Betten von den Fäkalien zu reinigen.
    Stellt euch die Arbeit einer Mutter bei einem Neugeborenem vor .. und übertragt sie nun auf ein Kind das "seinen eigenen Kopf" hat.
    Meine Eltern mussten also diesen Kindern alles beibringen , was in den vorherigen 12 Jahren nicht gemacht worden war.


    Für meinen Bruder und mich waren es "einfach zwei neue Schwestern", die gleich zu Anfang mit zur Familie gehörten. Erzieherisch gab es keine Unterschiede ... nur dass wir beide mit ihnen auch Lesen und Schreiben übten, als wenn es "kleinere Geschwister" wären.


    Für meine Eltern war es eine riesige Aufgabe gewesen. Sie mussten nicht nur 12 Jahre Vernachlässigung ausgleichen und aufholen , sondern hatten dazu auch nur 6 Jahre Zeit um sie auf das Leben als Erwachsene vorzubereiten.
    Die komplette "Ausbildung" vom Kind zum Erwachsenen in nur 6 Jahren zu schaffen, ist meineserachtens etwas, was man eigentlich keinem Paar zumuten sollte


    Ich denke, dass sie diese Aufgabe sehr gut gemeistert haben.
    Beide Schwestern haben einen ganz normalen ordentlichen Schulabschluss geschafft. Sie haben das "Elternhaus" verlassen und ein eigenständiges Leben begonnen. Für sie sind meine Eltern immer "Papa und Mama" gewesen und auch geblieben.


    ....


    Einige Jahr nach dem "Testbeginn" wurden meine Eltern gefragt, ob sie bereit wären, erneut Kinder aufzunehmen.
    Mein Bruder und ich waren alt genug , um eine Ausbildung zu beginnen und das Elternhaus zu verlassen. Platz war also wieder vorhanden und auch die "Arbeit mit den Kindern" war weniger geworden.
    Das nächste Kind war "etwas einfacher", weil es nicht geistig behindert war. Es blieb auch nur einige Jahre, bevor es zu seiner Mutter zurück durfte.
    Als wäre es "zur Belohnung" für die viele Mühe , kam dann ein 6jähriges "kleines Schwesterchen" an dem wir alle viel Freude hatten. Und dann noch ein "kleiner Rabauke" , der zwar viel Ärger machte , sich jedoch in aller Herzen "rein wuselte".


    Für mich sind alle diese Kinder auch heute noch "wie Geschwister". Sie betrachten meine Eltern wie ihre eigenen Eltern. Über die Jahre hielten auch alle Kontakt zueinander - auch wenn sie manchmal nicht gleichzeitig "Geschwister" gewesen waren.
    Aus einer Familie mit 2 Söhnen wurde so eine "Großfamilie" mit 2 Söhnen und 4 Töchtern.

    "Familie" muss also nicht unbedingt bedeuten, dass man die gleichen leiblichen Eltern hat. Manchmal ist es eben auch nur, dass man die gleichen Menschen hatte, die einem Liebe und Geborgenheit gaben.


    PS:
    Wer mitgerechnet hat, wird merken, dass ein Kind "in der Familie" fehlt. Das ist das Mädchen, das nur vorübergehend geblieben war. Seine Mutter hat "ihren Platz im Herzen" wieder eingenommen, nachdem "der Grund für die Unterbringung" entfallen war.
    Auch eins der anderen Mädchen kam vor dem Erwachsensein wieder zu ihrer leiblichen Mutter zurück , betrachtet jedoch mein Mutter auch heute noch als "richtige Mutter".


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    Wie man erkennen kann, habe ich also persönlich eine sehr positive Einstellung zum "Thema Pflegefamilie". Das liegt aber wahrscheinlich daran , wie ich es selber miterlebt habe und dass es bei uns eben keine Unterscheide bei der Behandlung gab.


    Ein "Pflegeelternpaar" zu sein , ist nicht nur eine "Unterbringung", sondern auch eine Lebensaufgabe . Man nimmt es in die eigene Familie auf - für den Rest des Lebens.




    Leider erlebe ich es aber manchmal auch , dass Pflegekinder anders behandelt werden als die eigenen Kinder.

    Das ist natürlich weder Sinn der Sache , noch gut für die Kinder. Es ist auch nicht gut,ein Pflegekind wie einen "Hotelgast" zu betrachten , der eben nur versorgt werden muss und von dem man sich "nach der Zeit" einfach wieder trennt.


    Natürlich kommt es hierbei sowohl auf die Auswahlkriterien der zuständigen Behörde an als auf die innere Einstellung der Eltern.
    Wird einem Elternpaar immer nur ein Kind zur "kurzzeitigen Unterbringung" gegeben , müssen sich die Eltern emotional abschotten. Sie wissen von Anfang an, dass das Kind vielleicht nur einige Tage bleibt. Sie dürfen so ein Kind nicht an sich binden und sich selbst auch nicht an es.
    In diesem Fall muss die Bindung zu den eigentlichen Eltern erhalten bleiben und gefördert werden . Dieses Kind darf die Pflegeeltern nie wie die eigenen betrachten.


    Hat ein Elternpaar also automatisch für emotionale Distanz gesorgt , fällt allen die Trennung leichter.


    Anders sieht es aber aus , wenn die Kinder keine eigene Familie mehr haben , die sich um sie kümmern will.
    In diesem Fall müssen die Pflegeeltern zu Ersatzeltern in allen Dingen und Bereichen werden. Das setzt auch eine beiderseitige emotionale Bindung voraus.


    Der große Fehler von Behörden besteht darin , Pflegeeltern immer nur Kurzzeitgäste zuzuteilen
    Solchen Eltern kann man nicht böse sein, wenn sie sich nicht emotional binden wollen. Sobald sich aber so eine Einstellung etabliert hat, dürfen diese Eltern keine Langzeitpflegekinder" mehr bekommen. Diese brauchen die feste Bindung und die Emotionen, die diese Eltern aber nicht mehr geben können/wollen.


    Eltern haben es immer schwer, ihre Kinder "ziehen zu lassen"
    Mit der emotionalen Bindung betrachtet man aber auch Pflegekinder als "eigene Kinder". Man zieht sie auf, lehrt und liebt sie. Dann, wenn der Tag gekommen ist (aus welchen Gründen auch immer) muss man sie wieder loslassen.


    Eltern wissen wie das ist, wenn plötzlich die große Leere da ist.
    Manchmal freut man sich vielleicht schon auf die Schulferien , in denen das Kind auf eine Reise geht. "Endlich mal wieder etwas Ruhe für uns selbst"
    Oft genug merkt man aber schon einige Stunden später , "dass etwas fehlt". Plötzlich fehlt das Gewusel, die Hektik , die Geräusche und alles andere , über das man sich noch vorher geärgert hatte. Man hat es "wirklich gebraucht" , nur wusste man es nicht.
    Statt Erleichterung über die ruhige Zeit , kommt dann die tiefe Betrübnis .. gefolgt von der Hoffnung, dass es ja nur für einige Zeit ist. Dann freut man sich schon darauf "wenn es wieder los geht".


    Verlässt das Kind das Haus jedoch um ein eigenes Leben zu führen , gibt es keine Rückkehr mehr, auf die man sich freuen könnte.
    Für viele Eltern beginnt dann eine Sinnkrise , weil ihnen die Aufgabe der letzten Jahrzehnte fehlt. Mindestens 18 Jahre lang hat man ja ein ganz anderes Leben geführt.
    Viele Eltern schieben das Problem vor sich her, indem sie alles tun, damit das Kind nicht auszieht. "Hotel Mama" ist heutzutage schon bis zum Alter von 30 Jahren normal geworden.


    Ganz unter uns ....
    wie soll ein Mensch eine eigene Familie gründen , für die er die Verantwortung trägt , wenn er selbst bis kurz zuvor noch selber bemuttert wurde ? Dem fehlt doch alles was Eltern ihren Kindern mitgeben müssen: Es lehren "auf eigenen Beinen" im Leben zu stehen.


    "Richtigen Pflegeeltern" geht es aber auch nicht besser.
    Im Gegensatz zu "normalen Eltern" haben sie aber immer noch Hoffnung, dass danach ein weiteres Kind folgt. Bei ihnen endet die "Kinderzeit" erst, wenn sie zu alt sind, um noch ein Kind aufziehen zu können.
    Während die normalen Eltern aber wissen, wann es "vorbei ist" .. und sich darauf vorbereiten können .. gibt es diese Vorbereitungszeit bei Pflegeeltern nicht. Sie werden manchmal davon überrascht, wenn sie keine Kinder mehr zur Pflege mehr bekommen . Es wird ihnen ja nicht vorher schon gesagt "das war jetzt das letzte Kind , finde dich damit ab".
    Pflegeeltern fallen also unvorbereitet ins "tiefe Tal".


    Für Pflegeeltern ist es also um einiges schwerer , sich im Alter wieder umzustellen. Sie haben manchmal ja nicht nur eine, sondern mehrere Genrationen Kinder großgezogen.


    Pflegeeltern bekommen Geld für jedes Kind
    Ja, das stimmt wirklich. Das Geld ist jedoch relativ gering bemessen und erstattet eher die nötigen Ausgaben für den Unterhalt des Kindes als dass es als Aufwandsentschädigung für die Mühen dienen könnte.
    Grundsätzlich könnte man sagen , dass der Job unterbezahlt ist und sich keiner darum nur wegen des Geldes bemühen sollte.


    Für den Staat ist so eine Unterbringung aber billiger als die in einem Heim. Im Heim müssen sie nicht nur den Unterhalt bezahlen, sondern wirklich das komplette Leben inklusive den Wohnraumkosten und der anderen Einrichtungen ( wie Betreuer , Erzieher usw.)


    Wenn Pflegeeltern es aber darauf anlegen, können sie auch die "Elternschaft zum Job machen"
    Das sind dann die Pflegeeltern, die es darauf anlegen , möglichst viele Kinder gleichzeitig zu bekommen. Je mehr Kinder, desto leichter wird es für sie. Schließlich können die älteren Kinder die jüngeren betreuen und miterzeiehen.
    Am Ende haben die Pflegeeltern dann nicht viel mehr zu tun als Essen und Kleidung ranzuschaffen. Eine emotionale Bindung gibt es bei solchen Eltern nicht mehr. "Es ist nur ein Job"


    Solchen Leuten sollte man keine Kinder zur Betreuung geben. Wer Kinder nur wegen des Geldes betreuen will, soll eine entsprechende Ausbildung als Erzieher machen und sich einen entsprechenden Job suchen.
    Solche Pflegeeltern müssen aber keine Qualifikationen nachweisen. Sie machen das was "gelernte Erzieher" machen (Erziehung gegen Geld) nach eigenen Maßstäben.
    Dabei kann dann manches Kinderleben "auf der Strecke" bleiben. Am Ende wirkt es sich dann auch noch auf das Leben als Erwachsener aus.


    Wie schaffen diese Eltern das eigentlich ?
    Vitamin B = Beziehungen. Sie haben irgendeinen Unterstützer und gleichzeitig auch einen so guten Leumund , dass jeder Verdacht als "unberechtigt" gewertet werden muss.
    Natürlich haben sie auch Nachbarn, die sich um nichts kümmern oder zu feige sind, ein "seltsames Verhalten" an die Behörden zu melden.


    Mein Schlussfazit
    Pflegeeltern sind eine sehr gute "Einrichtung" , die für alle nur Vorteile hat. Die Familien müssen jedoch gut ausgesucht werden und die Behörden dürfen Kinder nicht nur kurzzeitig immer wieder an eine bestimmte Familie geben.
    Gleichzeitig muss die Anzahl der Pflegekinder pro Familie begrenzt werden.


    Damit sollte der eigentliche Sinn einer Pflegefamilie erreicht werden können - ohne das es zur Geldmacherei genutzt werden kann.