Kommissionierer, Job ohne Zukunft

  • Ein Kommissionierer ist eine Lager-Logistik-Fachkraft. Einer seiner Hauptaufgabenbereiche ist, Waren zusammen zu stellen, damit sie dann verpackt und versendet werden können.


    Er arbeitet dabei Pick-ny-Voice , Pick-by-Light, mit Handscannern oder Kommissionierungslisten. Sehr oft muss er gleichzeitig auch die Restbestände per Hand in sein Terminal angeben.


    Wie läuft das zum Beispiel mit einem mobilen Terminal/Handsanner im Lager ab ?


    1) Auftrag abrufen
    An einem Auftrag können durchaus mehrere Leute arbeiten. Sie bilden eine Kommissionierungskette, bei der alle gleichzeitig am gleichen Auftrag arbeiten. Das spart viel Zeit und ist viel effizienter als wenn ein Mensch alles zusammen suchen müsste.
    Am Ende kommen alle einzelnen Kommissionierungen dann an den gleichen Punkt, an dem dann die Sendung zusammen gestellt wird.


    2) Transportbehälter wählen
    Da man die Liste nicht sehen kann, muss man das nehmen was da steht.


    Bei manchen Systemen sieht man teilweise auch das Gesamtgewicht.
    Das ist gut, weil man eventuell auch die entsprechenden Transportfahrzeuge passend auswählen muss.


    Hier zeige ich euch einmal so einen "Komm-Auftrag"


    Komm01.jpg


    Gesamtgewicht: 3,4 Tonnen
    Transportbehälter: 1 Palette 1x 1,40 Meter


    Das "kleine Problem" daran waren zwei Sachen:


    1) Mein Transportfahrzeug war ein "Mäxchen" (Kommissionierstapler)
    Eigengewicht rund 3 Tonnen
    Reichweite nach oben ca. 6 Meter
    Traglast der (hinteren) Gabelzinken unten rund 800 Kg und in der Höhe gerade einmal 400 Kg
    Länge der Gabelzinken ca. 50 cm


    Ich hätte also diese Last überhaupt nicht kommissionieren können, weil das Fahrzeug dazu nicht in der Lage war, die Last aufzunehmen oder zu tragen.
    Mir standen aber auch alle anderen Transportfahrzeuge zur Verfügung. Je nach Auftrag musste ich sie zwischendurch auch mehrmals wechseln. Nur war keins davon in der Lage, in so einer Höhe agieren zu können.
    Am Ende des Auftrags hätte ich also nur noch in Bodenhöhe arbeiten können, weil auch ein Schubmaststapler keine > 3 Tonnen auf 6 Meter anheben kann.


    2) Paletten mit so einem Maß haben überhaupt nicht die Tragfähigkeit für so eine Last.
    Eine Euro-Palette hat eine Tragfähigkeit von 2 Tonnen. 3,4 Tonnen sind da definitiv zu viel.


    Wer hier einfach nach Anweisung gehandelt hätte, hätte also irgendwann sein blaues Wunder erlebt.
    Entweder erschlägt dich die Last während der Kommissionierung oder die Palette bricht einfach durch .. oder beides gleichzeitig.


    Es ist ganz klar, dass hier ein Systemfehler vorlag, den man sofort erkennen und korrigieren muss. Als Kommissionierer darf man eben nicht einfach hirnlos den Anweisungen folgen.


    In diesem Fall handelte es sich (im Nachhinein gesehen) um 7 einzelne Paletten, die nicht Stück für Stück zusammen kommissioniert werden mussten, sondern einfach nur zur Sammelstelle gebracht werden mussten.
    So kommen die 3,4 Tonnen zusammen und die angegebene Palettengröße kontne gleich ignoriert werden.
    Schnellläufer her, auf mobiles Terminal wechseln und mit einigen schnellen Turbofahrten war der Auftrag abgearbeitet.


    Doch der Normalfall sieht anders aus.


    2) Zum Lagerplatz fahren


    Hier seht ihr so eine Anweisung auf einem Handscanner.
    Komm00.jpg


    Das System gibt also vor, wo man hin muss. Noch weiß man nicht, was man da soll. Es geht erst weiter, wenn man den Lagerplatz "abgeschossen" hat.
    Mit dem Scanner auf die Markierung zielen und "Schuss". Ein Signal ertönt und der nächste Vorgang wird ausgelöst.


    3) Angegebene Artikelmenge entnehmen


    Manchmal sieht man nur wie viel und in anderen Fällen sieht man auch was man entnehmen soll.
    Manchmal gibt es Einlagerungsfehler. Dann liegt die richtige Ware vielleicht direkt daneben.


    Weiß man nicht, was man entnehmen soll, wird man sich spätestens beim nächsten Schritt wundern.
    Weiß man was man nehmen soll, und das liegt nicht dort, muss man den Auftrag erst einmal unterbrechen. Schließlich macht das System nur dann weiter, wenn man alles "korrekt abschießt".


    4) Restbestand eingeben


    Spätestens jetzt wird es lustig, falls die falsche Ware am angegebenen Lagerplatz eingelagert wurde.
    Du sollst 500 von 1000 entnehmen .. aber da liegen nur 700 drin. Die Restmenge von 500 bleiben also nicht übrig.


    Der Computer weiß: "Wir haben 1000 davon" aber er hat dich zum falschen Platz geschickt.
    Jetzt darfst du den Auftrag abbrechen, damit der Fehler korrigiert wird bevor du weiter machen kannst.
    Du kannst ja nicht erkennen, was danach noch kommt.


    5) Immer wieder umsortieren
    Der Computer hat seine eigene Logik. Er schickt nach bestimmten Vorgaben durch die Gegend. Diese sind vom Kommissionierer nicht erkennbar.


    Arbeitet der Rechner nach dem FIFO-Prinzip, lässt er dich alles holen, was zuerst raus muss.
    Du wirst immer wieder an den gleichen Stellen vorbei kommen und in allen möglichen Größen heraus holn.

    Arbeitet er mit Wegeoptimierung , lässt er dich da etwas rausholen, wo du gerade bist.
    Du fährst nicht unnötig herum, sondern musst eventuell Kleines, Kleines, Kleines, Großes. Großes, Großes übereinander packen.


    Arbeitet er "logistisch", lässt er dich zuerst die schweren Sachen holen, damit sie unten liegen.
    Dafür schickt er dich dann am Ende, um die großen leichten Sachen zu holen.


    In allen diesen Fällen musst du die Programmierfehler durch reine Körperkraft wieder ausgleichen indem du immer und immer wieder alles so packst, wie du es für die weiteren Schritte für sinnvoll hältst.
    Als Kommissionierer bist du allein dafür verantwortlich, dass die Ware nicht zerstört wird und dass du keinen Unfall verursachst.
    Packst du nach "Anweisung" und dir fällt dann in größer Höhe etwas herunter, nutzt deinem Kollegen unten selbst der beste Schutzhelm nichts, wenn ihm das Teil aus "Haushöhe" auf den Kopf fällt.


    6) Transportbehälter wechseln


    Die Software weiß nicht, dass die Menge vielleicht gar nicht auf die eine Palette passt, weil sie nur das Gewicht aber nicht das Packmaß berücksichtigen kann.


    Der volle Behälter bekommt jetzt eine Markierung, die zum Auftrag passt, wird am Sammelplatz abgestellt und du fährst mit einem neuen Behälter wieder zu der Stelle, an de du den Vorgang unterbrechen musstest


    7) Sendung zum Sammelplatz bringen


    Jetzt musst du zusehen, dass der Auftrag komplett zur Packstation kommt. Da "schießt" du ihn wieder ab, damit man weiß wo er steht und kannst dann endlich diesen Auftrag beenden.


    Auf zur nächsten Liste und zu neun Überraschungen. Am Ende des Tages wirst du vielleicht 50 Tonnen Material per Hand aus Regalen in allen möglichen Höhen geholt haben, zusammen gepackt und transportiert haben.


    8 ) Zusammenstellen der Sendungen und Beladen von Transportfahrzeugen


    Jetzt muss alles so gepackt werden, das es möglichst gut und sicher zu transportieren ist. Packen, sortieren, stretchen, ab zu Wickelmaschinen, die man natürlich auch bedienen können muss.
    Wenn das geschehen ist, muss eventuell das Transportfahrzeug nach allen regeln der Landungssicherung beladen werden.


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    Ich habe hier einmal einen Kommissioniervorgang aus einem Papierlager beschrieben.
    Das kleinste Einzelgewicht sind dabei rund 12,5 Kg , das höchste kann auch locker einmal > 30 Kg sein, das man per Hand aus einem Regal nehmen muss.
    Das passiert dann in Bodennähe oder auch mal in luftiger Höhe.


    In anderen Branchen läuft es anders ab. Da fährt man nicht durch die Gegend um an die Regale zu kommen, sondern die Regale kommen zu dir gefahren oder du arbeitest an einem Kommissionierfließband.


    Kommissionierer müssen gut und schnell im Kopfrechnen sein.
    Sie müssen ihre Fahrzeuge und Technik genau kennen und auch beherrschen.
    Sie brauchen ein "Gespür" für Gewichte und sollten ein Faible für Tetris haben, um alles möglichst Platz sparend packen zu können.
    Sie müssen schnell reagieren und immer konzentriert sein.


    Kommissionierer kann man als "Anlernberuf" betreiben oder man ist eine ausgebildete Lager-Logistik-Fachkraft, die zusätzlich noch eine kaufmännische Ausbildung erhalten hat und auch alle nötigen "Führerscheine" für alle möglichen Transportfahrzeuge gemacht hat.


    Bislang war der Beruf des Kommissionierers noch relativ sicher.
    Automatische Lagersysteme konnten nur fettig gepackte Behälter oder Paletten ein- oder auslagern. Einen Kommssionierer konnten sie also nicht wirklich ersetzen. Für "das Grobe" die Maschine, für das "Feine" der Mensch.


    Die Zeiten haben sich aber vor einigen Tagen geändert !
    Die Firma Siemens hat einen nun Lagerroboter vorgestellt, der nicht nur fertige Packstücke entnehmen kann, sondern auch einzelne Teile aus Regalfächern entnehmen und zusammenstellen kann. Dieser neue Roboter wird als "Partner des Kommissionierers" beworben, ist jedoch in der Lage und auch dafür gedacht, den menschlichen Kommissionierer komplett durch eine Maschine zu ersetzen.


    Vor einigen Tagen ist der Job des Kommissionierers nun also ein Beruf ohne Zukunft geworden.
    "Kollege Roboter" wird auf lange Sicht die Arbeit komplett übernehmen. Das wird nicht in allen Branchen und auch nicht gleichzeitig geschehen.
    Es wird aber dafür sorgen, dass immer mehr "nicht so qualifizierte" Kommissionierer sich zu den wenigen Arbeitsplätzen drängen werden, an denen noch keine Roboter ihren Job machen.


    Wo bislang viele Arbeitskräfte benötigt werden, wird gähnende Leere an Menschen herrschen. Da wo Menschen noch arbeiten dürfen, werden sie sich gegenseitig den Job streitig machen wollen. Konkurrenzdruck, Überbelastung, Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen werden die Folge sein.


    Ich persönlich war 2009, als ich das Forum startete, selbst noch in einer Ausbildung als Lager-Logistik-Fachkraft.
    Die Ausbildung war für mich faktisch nur noch das "Tüpfelchen auf dem i". Danach hatte ich in jedem Wirtschaftsbereich nicht nur langjährige Berufserfahrungen, sondern auch eine Ausbildung vorzuweisen.


    Ich selbst arbeite schon seit einigen Jahren nicht mehr in diesem Bereich, habe jedoch tagtäglich immer noch damit zu tun.


    Würde mich heute jemand fragen: "Soll ich das lernen/machen ?", wäre meine Antwort:
    "Wenn du das gelernt hast, orientiere dich um. Mach Weiterbildungen und/oder erlerne einen neuen Beruf. Dieser Beruf ist nur noch eine Übergangslösung um ein anderes Ziel erreichen zu können"


    Der Beruf des Kommissionierers hat nur noch eine kurze Zeit Bestand. Dann wird er durch Maschinen erledigt.
    Ich rate mal munter darauf los wenn ich sage: " In 20 Jahren wird die Maschine auch dort den Menschen ersetzt haben"