Brille auf Rezept kostet trotzdem Geld

  • In Deutschland brauchen 63,4 Prozent der Erwachsenen eine Sehhilfe. Das sind 40,1 Millionen Menschen.


    Früher bekam man alle 2 Jahre kostenlos eine neue Brille mit Gestell von seiner Krankenkasse bezahlt. Man ging zum Augenarzt und ließ sich eine neue Brille verschreiben.Entspiegelung und andere nützliche Sachen musste man selber bezahlen.


    Danach kam die Reform, dass die Kasse nur noch die Gläser der Brille (ohne Extras) bezahlte. Das Gestell mussten die Betroffenen selber bezahlen. Zu der Zeit kam die Optikerbranche dann auch auf die Idee, das Gestell, bis zu einer gewissen Grenze, kostenlos dabei zu geben.


    Seit 2003 müssen alle, die eine Sehhilfe benötigen, ihre Brille komplett selbst bezahlen. Die Zeit für den Augenarzt kann man sich glatt sparen, da er nur die Sehstärke misst (das machen die Optiker auch) und dann ein "Grünes Rezept" ausstellt.
    "Grünes Rezept" bedeutet nur, dass der Arzt alles festgestellt hat, der Patient jedoch alles selbst zahlen muss.

    Im März 2017 soll es wieder eine Änderung geben.

    Die entsprechenden Beschlüsse sind bereits gefasst und müssen nur noch in ein neues Gesetz umgesetzt werden.
    Ab dann soll die Krankenkasse wieder für Brillen(gläser) bezahlen müssen.


    Wer jetzt aber denkt, dass man wieder kostenlose Brillengläser bekommt, hat sich verrechnet.


    1) Die Kassen müssen nur einen Festzuschuss bezahlen
    Der beträgt 10-100 Euro pro Glas. Der Optikerverband (BVA) hat bereits verlauten lassen, dass ein Glas 18-350 Euro kostet.
    Der Zuschuss für ein Glas mit 4-6 Dioptrien beträgt 10 Euro pro Glas. Mit so einer hohen Sehbehinderung braucht man aber die "besseren" und teuren Brillengläser.


    Für einen Satz Brillengläser zahlt die Kasse also 20-200 Euro. Er kostet jedoch 36-700 Euro. Die Differenz (ohne Extras) trägt also wieder der Patient.


    2) Der Zuschuss wird nur unter besonderen Bedingungen gezahlt
    Nur wer mit Brille (!!!) maximal 30% der normalen Sehkraft hat, hat definitiv Anspruch auf den Festkostenzuschuss. Wer mit Sehhilfe mehr sehen kann, bekommt keinen Cent.


    Laut BVA werden maximal 10 Prozent der Sehbehinderten überhaupt einen Zuschuss bekommen können, weil sie auch mit Brille weniger als 30% der normalen Sehkraft haben.


    PS:
    Die Krankenkassen zahlen nur für Brillengläser. Wer unbedingt Kontaktlinsen haben möchte oder braucht, sollte es vorher sowohl mit dem Augenarzt als auch mit der Kasse abklären. Eine entsprechende Kostenübernahme muss vorher geklärt werden.



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    Meine persönliche Meinung dazu ? Alles nur Augenwischerei.
    Rund 4 Millionen werden überhaupt eine Chance haben, einen marginalen Zuschuss zu bekommen. 20 Euro "bringen es nicht" wenn man dafür mit dicken Glasbausteinen herumlaufen muss ,in denen sich jeder Straßenlaterne 4fach spiegelt. Schon die Entspiegelung kostet ein Vielfaches.
    Wer für diesen Kleckerbetrag dann auch noch extra einen Termin beim Augenarzt machen muss und dann eine weite Anfahrt hat, zahlt dafür an Aufwand und Fahrtkosten mehr als er an Zuschuss bekommt.


    In dem Fall sollte man besser mit dem Augenarzt sprechen, ob grundsätzlich eine Augenoperation möglich ist. Falls der Arzt die dann verschreibt, muss sie die Kasse zahlen. Braucht man dann noch zusätzlich eine Brille, hat man wenigstens die Chance, dass man bedeutend mehr sehen kann. Dafür wird man dann wohl gerne alles selbst zahlen.
    Weil man dann aber keine so spezielle Brille braucht, ist die dann auch bedeutend günstiger.

    Was bedeuten eigentlich 30% der normalen Sehkraft im Vergleich ?

    Der direkte Vergleich ist nicht möglich, weil man die schwächere Sehleistung nicht ohne Weiteres darstellen kann. Man müsste entsprechende Filter nehmen, die die Sehkraft sowohl in der Weite als auch an den Augenwinkeln abschwächen.
    Wer das wirklich mal erleben will, sollte sich einmal an einen Optiker wenden. Sie haben die entsprechenden Mittel, um so eine Fehlsichtigkeit darstellen zu können.


    Man kann aber wenigstens einen ungefähren Eindruck bekommen


    Test Nummer 1:
    Schau einmal, wie weit du alles ganz scharf sehen kannst. Miss einfach mal die Entfernung bis dahin. Teil die Strecke nun einmal durch 3,3 .
    Jetzt nimm diesen Wert und merk dir wo diese Entfernung endet. Weiter kann kann ein Betroffener auch mit Brille nicht sehen. Wenn ein normaler Mensch 100 Meter sehen kann, kann der Betroffene nur 30 Meter klar sehen. Das reicht gerade einmal zum Fahrradfahren aus.
    Realistischer ist es aber, dass man eher nur 30-50 Meter scharf sehen kann. 30% würden dann gerade einmal 10-15 Meter ausmachen. Das reicht gerade noch zum zu Fuß gehen aus. Man kann dann gerade einmal von der einen Ecke eines Hausen bis zur anderen Ecke schauen.


    Test Nummer 2:
    Mal dir mal deine Augen auf ein Blatt Papier. Nimm dazu einen Zirkel und stell ihn auf ca. 1 Zentimeter ein. Die "Papieraugen" haben dann einen Durchmesser von 2 cm.
    Stell jetzt den Zirkel mal auf 3 Millimeter ein und zeichne einen weiteren Kreis mit dem gleichen Mittelpunkt in den vorherigen ein.
    Schneide jetzt einmal den Minikreis von 6 mm aus und halte dir das Blatt Papier vor die Augen.
    Du wirst merken, dass du kaum noch etwas sehen kannst. 70% des Blickfeldes sind durch das Papier verdeckt.


    Und jetzt stell dir vor, du könntest nur bis zur Hausecke sehen. Dann hast du einen ungefähren Eindruck davon, was 30% Sehschärfe bedeuten. Du kannst schon froh sein, wenn du damit überhaupt noch gehen kannst ohne überall gegen zu stoßen.


    Warum 2 Tests, die man dann auch noch kombinieren muss ?
    Einerseits nimmt die Sehschärfe ab. Das simuliert dir der erste Test.
    Andererseits nimmt aber auch das Blickfeld ab. An den Seiten sieht man weniger als in der Mitte. Das erlebst du dann im zweiten Test.
    Man muss also immer den Kopf drehen, um etwas erkennen zu können und sieht dann trotzdem nur noch etwas klar auf ganz kurzer Entfernung.


    Rund 4 Millionen Erwachsene müssen mit so einer (oder noch stärkeren) Sehbehinderung leben und zurechtkommen. Viele andere sehen nur etwas mehr, bekommen aber keinen Cent an Hilfe durch die Kassen, weil sie dann schon "zu viel" sehen.