Ritter und Burgen

  • Ich persönlich finde diese Zeit irgendwie faszinierend. Das mag vielleicht daran liegen, dass meine Eltern mich schon als kleines Kind jedes Wochenende in irgendeine Burg geschleppt haben *lach*


    Als Kind war ich davon eher genervt als begeistert. Später hatte ich wohl ähnliche Vorstellungen von der Ritterzeit wie viele andere:
    strahlende Ritter und Ritterfräuleins, Tjoste und Turniere, Festgelage, Bänkelsänger, Hofnarren usw...


    Wenn ich als Erwachsener mal wieder auf einer Burg war, betrachtete ich sie aus völlig anderen Blickwinkeln.


    Sie waren vorrangig Zweckbauten


    Ein Burg besteht aus einer Mauer, die Schutz bieten sollte. Größere Burgen hatten dann noch einem Bergfried, in dem man sich zurückzog, wenn der Feind die Mauern überwunden hatte.
    Innerhalb der Burgmauern hatte man anfangs nur Vorrats- und Wirtschaftsbereiche, die die Burgbewohner versorgen mussten, wenn die Tore geschlossen waren.


    Solche Burgen kann man überall finden. Oft würde man sie heute vielleicht als ummauerte Höfe bezeichnen. Vom Prinzip waren sie es damals auch nur.


    Burgen boten der Bevölkerung rundherum Schutz


    Man siedelte sich in ihrer Nähe an, damit man im Kriegsfall schnell hinter ihren Mauern Schutz suchen konnte. Natürlich musste man für diese Schutzmöglichkeit auch selbst etwas beisteuern.
    Entweder arbeitete man mit daran, die Burg immer sicherer zu machen oder man sorgte dafür, dass die Vorratskammern immer gefüllt waren.


    Burgen gab es schon lange bevor es überhaupt Ritter gab. Zu damaligen Zeiten herrschte immer und überall Krieg, so dass Schutz das Wichtigste war, um das man sich kümmern musste.
    Die Länder damals waren extrem klein und jeder versuchte, sein eigenes Land durch Handel oder Kriege mit seinen Nachbarn zu vergrößern.


    Später dienten Burgen nicht nur als "Schutzsystem", sondern sie wurden auch an strategischen Punkten erreichtet.


    Raubburgen


    Raubburgen wurden dort erbaut, wo man Handelswege kontrollieren konnte. Wurden Reisende erblickt, rückte eine kleine Streitmacht aus, die die Reisenden ausraubte oder Maut von ihnen verlangte.
    Die Ritter dieser Burgen bezeichnete man deshalb als "Raubritter".


    Raubritter waren anfangs eigentlich die Ritter, die man am meisten treffen konnte.
    Sie schützten sich mit Kettenhemden, durch die weder Pfeil noch Schwerthiebe dringen konnte. So ausgestattet hatten ihre Opfer keine Chance sich zu effektiv zu verteidigen. Deshalb waren die Raubritter auch so erfolgreich.


    Wehrburgen


    Diese Art Burgen sind auch die, die wir allgemein als "richtige Burg" betrachten würden. Sie bot nicht nur Schutz, sondern war auch so ausgestattet, dass sich die Bewohner erfolgreich gegen Angreifer wehren konnte.


    Mit den Wehrburgen änderte sich auch grundsätzlich der Zweck der Burgen.
    In manchen Gegenden kann man sehen, dass ganze Ketten von Burgen und Signaltürmen erbaut wurden. Jede Burg lag in Sicht- und Reichweite der nächsten Burg.


    Diese Burgen wurden so gebaut, dass man sich gegenseitig informieren und zu Hilfe rufen konnte. Sie wehrten sich gemeinsam gegen angreifende Feinde und boten sich gegenseitig Hilfe und Schutz.
    Wurde eine überraschend angegriffen, konnte sie die nächste Burg vor den Angreifern warnen und eventuell auf Hilfe von ihr hoffen.


    Vom Prinzip her waren diese Burgen und Signaltürme die Vorläufer moderner Kommunikation, die sehr schnell Botschaften über weite Strecken weiter geben konnten.
    Die Übertragungsgeschwindigkeit damals war fast so hoch, als wenn man heute seinen Rechner hochfahren würde um eine Mail zu senden. Die Türme waren 24/7 besetzt und überall brannten Signalfeuer, die man nur noch "aktivieren" musste, um eine Warnung weiter zu geben.
    Noch während man die Warnung von einem Signalturm sah, konnte man bereits damit beginnen, sie weiter zu geben.


    Dieses Staffelprinzip wird sogar heute noch bei Armeen verwendet:
    Noch bevor man eine Meldung komplett erhalten hat, beginnt man bereits damit sie an die nächste Stelle weiter zu senden.


    Die Ritter solcher Wehrburgen waren dann auch die, die das Bild eines Ritters bis in die heutige Zeit prägen:
    Beschützer in der Not und immer rechtzeitig zur Stelle.


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    Gerichtsbarkeit


    Jeder Landbesitzer war gleichzeitig auch Gesetzgeber und hatte die absolute Macht, die ihm nicht streitig gemacht werden konnte - außer man hatte auch eine Streitmacht.


    Nicht Gerechtigkeit war der Normalzustand, sondern reine Willkür. Schon kleinste Vergehen konnten das Leben kosten. Die Willkür war durchaus so groß, dass ein "Herr" Bilder oder Statuen aufstellen ließ, die die Bevölkerung untertänigst zu grüßen hatte.
    So eine Situation beschreibt auch Götz von Berlichingen in seinem "Wilhelm Tell"


    Landbevölkerung


    Zu einem überwiegenden Teil bestand sie aus Tagelöhnern und Leibeigenen. Selbst wer sich als "freier Mann" ansiedelte, wurde über kurz oder lang zum Leibeigenem. Es genügte ein ganz kleiner Anlass dazu, das sein Leib (Körper) zum Eigentum des Burgherrn wurde. So wurde er dann zum "Leibeigenem" .. und nicht nur er, sondern oft auch seine ganze Familie über Generationen hinweg.


    Die Sklaverei war also keine moderne Erfindung, sondern es gab sie schon viel früher in Europa.



    Burgbewohner


    Anfangs waren es nur die Familie und Bediensteten des Burgherrn, die sich durchweg in der Burg aufhielten. Später wurden die Burgen größer, so dass sich im Innern auch Gewerbe ansiedeln konnten.
    Viel später lebte natürlich auch der "Hofstaat" in der Burg oder nahe bei ihr.


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    Kultur und Wissen
    Burgen waren seinerzeit die Zentren von Kultur und Wissen. Bänkelsänger suchten sie auf, um auf ihnen ihre "Moretaten" darzubieten, die gespickt mit Informationen waren. So erfuhr man über Lieder, was sich in der Welt abspielte.


    Weil Burgen sich aber auch wehren mussten, wurde auf ihnen auch Waffentechnik erforscht und hergestellt und gleichzeitig begann man damit, Wissen (innerhalb der Burg) weiter zu geben.



    Leben in der Nähe der Burg


    Die um die Burg lebende Bevölkerung hatte den Zweck, die Burg zu versorgen und im Kriegsfall Landsknechte zu stellen. Wirkliche Armeen hatten Burgen eigentlich nicht.
    Das Großteil der damaligen Streitmächte setzte sich aus untrainierten Feldarbeitern zusammen, die manchmal nicht einmal eine richtige Waffe hatte und deshalb sogar mit Knüppeln und Landwirtschaftsgeräten (Sensen, Mistgabeln, Knüppel usw) zur Verteidigung aufgestellt wurde.


    Leben auf der Burg


    Eigentlich war das auch nicht besonders gut. Man hatte riesige Säle , die sich nicht heizen lassen. Die großen Fensteröffnungen standen weit offen, weil das Glas noch nicht erfunden war und später so teuer war, dass es sich noch kaum einer leisten konnte.


    Wollte man es warm haben, musste man die Fensterläden aus Holz schließen und die großen Feuer entfachen. Im Dunkeln in Rauch geschwängerten Räumen sitzen, das war das wirkliche Leben im Winter.


    Da hatten es die Bauern draußen doch etwas besser:
    Ihre Hütten waren klein, die Fensteröffnungen auch und der Stall mit dem eventuell vorhandenen Kleinvieh war auch direkt im Haus. So konnte man schnell die Hütte warm bekommen und halten.


    Hygiene

    Abwasserkanäle gab es noch nicht. Fließendes Wasser auch nicht. Auf dem Land zog man sich in eine Ecke des Gartens zurück, um seine Notdurft zu verrichten.
    In den Städten sammelte man seinen Unrat in einem Gefäß und kippte es einfach auf die Straße hinaus.


    In den Burgen gab es besondere Räume. Schon einmal gewundert, weshalb es in manchen Räumen Löcher im Boden gibt, durch die man den Hof sehen kann ?
    Jahaaa.. ich glaube, jetzt kommt ihr darauf. ;)


    Das waren die Räume, die man heute als "Toilette" bezeichnen würde.
    Man stellte sich über das Loch und ließ seiner Notduft freien Lauf. In der Regel waren diese "Klo-Löcher" aber nur den "Herrschaften" vorbehalten. Der Rest "erleichterte" sich direkt im Hof.


    Das "ach so herrliche Burgenzeitalter" war also aus heutiger Sicht eine stinkende Kloake, eher vergleichbar mit einem Slum als mit einem "Herrschaftssitz".


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    Ernährung und Tischsitten


    Man aß damals vorrangig, um satt zu werden. Da man wenig Gemüse hatte, bekam man auch recht schnell Mangelkrankheiten. Skorbut war damals keine reine Seefahrerkrankheit. Es war deshalb ganz normal, dass die Zähne schnell zu schlecht zum Kauen wurden und auch recht früh ausfielen.


    Um überhaupt noch essen zu können, war es damals üblich, dass man alles so lange kochte, bis es eine breiige Konsistenz hatte, die man gut löffeln konnte, ohne viel kauen zu müssen. Das Essen wurde faktisch so lange totgekocht, bis aus ihm selbst der letzte Hauch an Vitaminen verschwunden war. Das wurde in der jüngsten Vergangenheit wissenschaftlich festgestellt.


    Hirse war damals ein leicht erreichbares und nutzbares Nahrungsmittel. Hirsebrei war oft sowohl Frühstück, Mittag als auch Abendmahlzeit. Kinder aßen von klein auf das gleiche Essen wie Erwachsene. Damals wusste man noch nicht, dass Kinder etwas anderes brauchen.


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    Aber trotzdem gab es damals noch "Vitaminquellen", die nicht zerkocht wurden oder werden konnten....
    Bier und Wein enthalten nicht nur Alkohol, sondern auch Vitamine und Nährwerte. Sie waren damals noch ganz normale Lebensmittel, die Erwachsene und Kinder bekamen.


    Bitte aber nicht denken, dass damals alle betrunken gewesen wären.
    In Frankreich war es bis vor einigen Jahrzehnten noch üblich, dass selbst Kinder Wein zu trinken bekamen und in Süddeutschland hat das normale (obergärige) Bier auch weniger Alkohol als ein Pilsener. Bier und Wein wurden also sehr stark verdünnt getrunken.



    Welches Besteck gab es damals eigentlich ?
    Von Kindheit an hatte jeder seinen eigenen Löffel.
    Das war sein Besteck. Hatte er keinen Löffel dabei, konnte er auch nichts essen.
    Dazu muss man wissen, das es oft keine Teller gab, sondern nur einen großen Topf au dem sich alle bedienten.
    Egal wie hungrig.. du wirst nicht mit der bloßen Hand in einen Topf mit kochendem Brei greifen :loool:


    Neben dem Löffel hatte man noch ein Messer.
    Das diente dazu, das in kleine Stücke zu zerteilen, was sich nicht weich kochen ließ. Auch sein Messer hatte man immer dabei. Es war Besteck und Werkzeug gleichzeitig.


    Welche Tischsitten herrschten ?
    "Tischsitten" ? Das Wort hätte man damals nicht einmal gekannt. Es gab nur eine Sitte: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" .. oder der Andere hat mehr Macht.. dann darf der zuerst.


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    Alles in allem waren die Lebensumstände so schlecht, dass man sie heute als unmenschlich bezeichnen würde.
    Die Lebenserwartung war deshalb auch nicht so besonders hoch. Mit 13-14 Jahren war man schon im heiratsfähigen Alter und mit 30 zählte man schon zu den "ganz Alten".


    Aber für die Menschen damals war das ja ganz normal, weil sie damit aufgewachsen waren. Sie arrangierten sich damit und hatten trotzdem Freude am Leben, wenn es etwas zu feiern gab.


    WAS man damals aber als "Grund zum Feiern" empfand, das unterschiedet sich extrem von dem was wir heute darunter verstehen.
    Die Leute zogen ihr Vieh selbst auf und schlachteten es später auch eigenhändig. "Haustiere" waren nur Nutztiere und auch "Dachhasen" (Katzen) landeten auf dem Teller.
    Insgesamt durfte man nicht zimperlich sein, wenn man überleben wollte. "Der Tod gehört zum Leben mit dazu" das bekamen sie täglich zu sehen und zu spüren.


    Nicht die großen Ritterturniere waren der häufigste Anlass zum Feiern, sondern die viel öfters stattfindenden Gerichtsverfahren, bei denen direkt auf das Urteil die (harte und oft tödliche) Strafe folgte.
    Wenn man will, findet man immer einen Grund zum Feiern.


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    Doch obwohl ich es besser weiß, stelle ich mir auch immer mal gerne vor, in dieser Zeit zu leben.
    In der Zeit wäre ich vielleicht gerne einmal Erfinder oder Baumeister gewesen.


    Wer also gerne mal eine Ritter sein möchte, sollte sich seine Vorliebe nicht durch so Triviales madig machen lassen.
    In der Vorstellung vieler war es eine schöne und gute Zeit .. man darf ruhig einmal davon träumen.. von einer Zeit in der alles viel besser war als heute.


    Wer sich jedoch viel näher für die Zeit interessiert, sollte sich Fachbüchern zuwenden und Seiten aufsuchen, die sich allein diesem Thema widmen.
    Es gibt wirklich sehr viel Interessantes zu dieser Zeit zu wissen und zu lesen. Ich habe mir nur einige Punkte herausgenommen und sie möglichst einfach aufbereitet.



    PS:
    Die Ritterzeit endete schon vor Erfindung der Handfeuerwaffe.
    Bereits gegen eine Armbrust bot eine Rüstung aus Eisenplatten keinen Schutz mehr.


    Die Hoch-Zeit der Burgen endete, als es nicht mehr genügte möglichst dicke Mauern zu bauen. Gegen Katapulte half das ja noch, jedoch nicht mehr gegen Kanonen, die sie mühelos durchschlagen konnten.


    Burgen und Ritter sind ein Überbleibsel aus einer Zeit in der Kriege an der Tagesordnung waren. Mit Weiterentwicklung der Waffentechnik erfüllten sie irgendwann einmal nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck.
    Aus Burgen wurden Schlösser und aus Rittern wurden Garden, die vorrangig repräsentativen Zwecken dienten.