je kleiner die Kommune desto größer der Service

  • Zurzeit sind alle Kommunen bestrebt, technisch immer weiter aufzurüsten.
    - Online-Portale, auf denen der Bürger alle nötigen Informationen bekommen kann.
    - Online-Services sollen den Gang zur Behörde ersetzen.
    - Aktuelle Statusmeldungen über Vorgänge
    - Wartezeiten-Anzeigen bei Zulassungsbehörden und Meldeämtern


    Das hört sich alles sehr gut an, vor allem für die, die während der normalen Behördenzeiten selber arbeiten müssen.
    Leider wird aber gleichzeitig auch immer mehr Service abgebaut.
    Anstatt Auskünfte zu erteilen oder zu helfen, verweist man viel zu schnell auf die Online-Services, auf denen man sich selber informieren soll.


    "Gekniffen" sind dann die Bürger, die wenig Erfahrungen mit Computern haben oder keine Ahnung welche Infos sie wirklich brauchen.
    Ganz dumm ist es auch, wenn man sich online legitimieren soll.
    - Wer hat schon daran gedacht, seinen Personalausweis entsprechend freischalten zu lassen ?
    - Wer hat schon eins der dazu benötigten Lesegeräte ?
    - Wer will sich denn schon überall registrieren müssen ?


    ...


    Meine Mutter lebt in einer Kleinstadt in der "tiefen Provinz".
    Seit ein paar Jahren manage ich für sie so ziemlich alle Behördensachen, kann es aber nicht persönlich erledigen, da ich rund 300 km entfernt lebe.


    Natürlich bin ich auch berufstätig und "mal eben" zu einer Behörde gehen, klappt einfach nicht. Ich muss also sehen, dass ich alles elektronisch erledige.


    Es beginnt mit der Bank.
    Einmal hat man mich dort persönlich gesehen. Kontoeröffnung + Vollmacht für mehrere Konten.
    Eigentlich "dürfen sie es nicht", und ich müsste die "offiziellen Kanäle" der Bank benutzen. Ich schreibe jedoch nur ganz normale Mails.


    Ich brauche besondere Dokumente und rufe dort an. "Darf ich leider nicht. Da müssen Sie bei der Zentrale anrufen" - "Bitte geben Sie mir doch einmal Frau X oder Herrn Y" - "Hallo ? Na klar. Schicke ich Ihnen gleich zu".
    10 Minuten später habe ich offizielle Bankbestätigungen per Mail, die ich an Behörden weiterleiten kann.


    Behördengänge per Mail
    Ämter wollen oft Unmengen von Unterlagen haben. Da heißt es, erst einmal einen privaten Copy-Shop aufzuziehen, damit ich mehreren Behörden parallel die gleichen Unterlagen zukommen lassen kann.


    Da die Zeit drängt, bringe ich den ersten Stapel am Wochenende selbst vorbei und werfe sie ein. Die sehr viel weiter entfernte (und riesengroße Behörde) bekommt sie per normaler Briefpost geschickt.
    Beide Behörden bekommen danach (aus Sicherheitsgründen) alle Unterlagen noch per Mail gesendet.


    Am nächsten Werktag meldet sich eine Sachbearbeiterin der Stadt per Mail. Bearbeitung schon angefangen. Meine Mail genügte. Ein paar Sachen fehlen noch. Die entsprechenden Unterlagen per Mail nachgereicht. Zum Glück hatte ich möglichst viel auf den Scanner gelegt, weil ich jetzt nichts mehr reinbringen konnte.


    4 Werktage später gibt es eine Antwort der großen weiter entfernten Behörden per Mail:
    Automatischer Text
    "nur amtlich beglaubigte Originale, nur bestimmte Datenformate, nur über spezielle Onlinezugänge ( zu denen man keinen Zugriff hat)" und noch sehr viel mehr sinnloser Unfug, der fern jeder Realität ist.
    In dem Fall war es gut, dass die Behörde in einer noch ganz anderen Region liegt. Über diese automatische Antwort war ich extrem sauer. 4 Werktage und ein allgemeines Blabla zu generieren ? Ich war versucht, mich ans Telefon zu schwingen .. ließ es dann aber sein.


    Die große Behörde hat nicht persönlich auf die Mail reagiert. Dafür wurde der Vorgang relativ schnell geklärt.


    Warten wir nun auf den Bescheid der kleinen Behörde .. und wir warten und warten.
    Heute morgen kam mir in den Sinn, einfach mal nach dem Stand der Dinge zu fragen. Also setzen wir uns um kurz nach 6 Uhr morgen hin und verfassen eine freundliche Mail an die Sachbearbeiterin.
    Ich rechnete damit, dass ich erst im Laufe des Tage eine Antwort erhalten würde. Wie groß war mein Erstaunen, als ich aber bereits wenige Minuten nach 7 Uhr eine detaillierte und ausführliche Antwort zurück erhielt.


    Mittlerweile war ich schon auf dem Sprung zur Arbeit. Schnell noch per Handy bedanken.. und selbst darauf wurde erneut sehr freundlich und menschlich reagiert.


    Versicherungen


    Für mich ist fast nichts schlimmer, als wenn ich Versicherungen aufsuchen muss, um Verträge zu ändern und/oder neue abzuschließen. Warum geht das denn nicht anders ?
    Bei den großen Versicherungen muss ich alles online machen. Service muss man sich selber leisten, das Online-Portal macht nichts.
    Weist mich eine Versicherung darauf hin, dass man auch Verträge übernehmen kann ? Online ist es bislang nie geschehen und auch in den Geschäftsstellen hat man sich nie die Mühe gemacht.


    In der Kleinstadt sagt man mir aber "... falls Sie es noch nicht wussten ..."
    Natürlich breche ich trotzdem nichts über's Knie. Das bedeutet aber dann, dass ich es nicht mehr persönlich machen kann. Online ist aber gar kein Problem.
    Vertragsunterlagen, Policen usw. alles kommt per PDF per Mail, kurz unterschreiben, auf den Scanner und wieder zurück gesendet. Alles erledigt in wenigen Minuten.


    Aber auch bei mir völlig fremden Versicherungen geht es per Mail schneller und besser als persönlich.
    Plötzlich habe ich Durchwahlen, bei denen ich direkt eine Fachkraft erreichen kann, kann die auch persönlich anmailen.
    Dabei handelte es sich um eine Versicherung, die ich nie direkt angeschrieben hatte. Ja, ich wusste nicht einmal, dass sie jetzt zuständig ist.
    Macht auch nichts, dass sie in einer ganz anderen Großstadt sitzt. Alles geht per Mail und kann auf diese Art geregelt werden.


    ...


    Am Anfang habe ich mich wirklich gewundert, wie viele persönliche Betreuung man bekommt, auch wenn man den Leuten nie begegnet ist.
    Mittlerweile weiß ich, dass ich bei kleinen Institutionen viel besseren Service bekommt als bei großen. Es ist mit weniger Bürokratie verbunden als wenn ich zu einem "Amt" gehe und viel einfacher als wenn ich alles "online" machen würde.


    [hr]


    Mittlerweile laufen meine Versicherungen längst nicht mehr in meiner Region und auch meine Bank ist "unerreichbar weit weg".
    Wenn ich eine Frage habe, maile ich sie und bekomme immer schnell Antworten oder Hilfe dazu. Freundliche und persönliche Betreuung als wenn ich direkt vor Ort wäre.


    Meine "Noch-Bank" bekommt in ein paar Tagen eine Sonderkündigung wegen einer 25%igen Gebührenerhöhung. Dazu muss ich aber direkt in der Hauptfiliale antanzen, obwohl man mich vor einigen Jahren zu einem Online-Konto erpresst hatte. Online geht dort kaum etwas. Für viele Sachen soll ich Termine vereinbaren.


    Damals ich in diese Stadt zog, war die Bank viel mehr um den einzelnen Kunden bemüht, während andere Banken hier eher eine Servicewüste waren.
    In Zeiten des Onlinebankings spielt die Entfernung jedoch keine Rolle mehr, sondern nur noch der Service der geleistet wird.


    Die Bank hat massiv nachgelassen und zusätzlich werden jetzt auch noch alle Filialen geschlossen.
    Auch als "Online-Bänker" will ich eine Filiale haben, zu der ich gehen kann, wenn mein PC mal einen Defekt hat.
    Wenn der persönliche Service nachlässt, muss man es sich eben überlegen:


    - Verzichte ich auf den Service ?
    Dann brauche ich auch keine Bank mit Filialsystem, das ich mit hohen Monatsgebühren finanzieren soll.


    - Möchte ich Beratung und Service ?
    Dann zahle ich auch eine adäquate Gebühr dafür.


    - Soll ich auf Service verzichten und trotzdem immer höhere Gebühren bezahlen ?
    Nein, beides zusammen ist nur etwas für LEOs ( LEO = Bankjargon für Leicht Erreichbares Opfer)


    Guten und persönlichen Service finde ich immer wieder da, wo man es eigentlich nicht erwarten würde.
    Gerade in Gegenden, die scheinbar "rückständig" sind. Kleine Städte und Behörden bieten den besten Service an.
    Dabei nutzen sie aber alle auch moderne Techniken .... nur verweisen sie nicht nur darauf, dass man die "genormten Wege" benutzen soll.


    [hr]
    Zulassungsstellen im Vergleich



    Großstadt - Kreisstadt - Keinstadt


    Großstadt...
    Große Wartebereich, allerfeinste Technik, viele Bearbeitungsplätze, ganz genau genormte Abläufe und alles fängt an mit "ziehen Sie eine Nummer"
    Zusammen mit einigen Hundert anderen wartet man dann geduldig Stunde um Stunde bis man endlich seine eigene Nummer angezeigt sieht.


    Kreisstadt ...
    Großer Wartebereich, nötigste Technik, etwas weniger Bearbeitungsplätze .. eigentlich auch genormte Abläufe.. aaaaber... stellt sich heraus, dass ein anderer Ablauf alles beschleunigt, wird temporär die übliche Norm durchbrochen.
    "ziehen Sie eine Nummer" gibt es aber dort auch trotzdem noch.


    Hier wartet man dann mit einigen Dutzend anderen darauf, dass man endlich dran kommt. Auch hier können mal ein paar Stunden vergehen, weil man diverse Abläufe nicht vermeiden kann.


    Kleinstadt ....
    Wo ist hier der Wartebereich ? Da stehen ein paar Stühle vor einer Tür. Das muss er sein.
    Wo ist die Technik ? In meiner Hosentasche. Nennt sich Smartphone. Man muss ja etwas zum Zeitvertreib haben.
    Wo ist eine Cafeteria oder ein Getränkeautomat ? Gibt es nicht.
    Wo ziehe ich eine Nummer ? Gibt es nicht. Die Tür geht auf, der Erste kann hinein. Kommt er heraus, geht der Nächste usw.
    Bis dahin kuschelt man sich mit den paar anderern in die Ecke und plaudert etwas miteinander.


    Die Tür geht auf. Ich bin dran. Begrüßung, setzen und los geht es.
    Wo kratze ich das Nummernschild ab ? Wo ist der Kassenautomat an dem ich die Gebühr zahlen soll ? Wo bekomme ich neue Papiere und neue Schilder ?


    Alles direkt am Platz. Der Mitarbeiter macht alles, kassiert auch und wenn ich neue Schilder brauche ?
    "Direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. Ich mache derweil mit dem Nächsten weiter"
    Bei der Rückkehr eben ein "darf ich eben ?" als die Tür aufgeht. Plakette drauf und schon bin ich fertig.


    Mit "Null Technik" und "Null Organisation" und "Null Behördenwahnsinn" dauert alles nur ein paar Minuten und auch die Wartezeit ist sehr kurz.. fast schon viel zu kurz.
    Ich habe nicht einmal "Kaffeedurst" bekommen. Ach deshalb gibt es keine entsprechenden Automaten ? Würden sich ja auch echt nicht lohnen.


    Schade, das ich meine Autos nicht immer dort habe anmelden oder abmelden können. Ich musste immer wieder einen extra Urlaubstag nehmen, weil es in den großen Städten ewig lange dauert.


    Einwohnermeldeämter im Vergleich
    Irgendwas hat man da ja immer mal zu erledigen


    Großstadt - Kreisstadt - Kleinstadt


    Großstadt ...
    Gebäude, Stockwerk und Raum suchen. Nummer ziehen und warten bis sie angezeigt wird. Mit vielen anderen wartet man dann ... ach, ich mache es kurz.
    Im Endeffekt ist es nicht viel anders als bei einer entsprechenden Zulassungsstelle. Auch hier wieder der Gang zum Geldautomaten, an dem man die entsprechende Gebühr zahlen soll.


    Kreisstadt ...
    Rein ins Gebäude, die Nummer wird am Empfang ausgegeben, ab in den (kleineren) Wartebereich.
    Alles ist kleiner, aber doch ähnlich einer Großstadt. Nur dass ich jetzt nicht mehr an einem Automaten zahlen soll, sondern der Mitarbeiter alles gleich bar oder per Karte kassieren kann.
    Dann noch die diversen Formulare und irgendwann ist man dann auch wieder raus.


    Kleinstadt ...
    "Rathaus" ? Ist ja wohl ziemlich übertrieben. Rein in die Hütte an den Empfang.
    "Wieso, weshalb, warum ? Zimmer X"
    Ein paar Stühle vor der Tür um zu warten.


    Tür geht auf "der Nächste bitte". Reingehen, Platz nehmen "sein Verslein aufsagen".
    Der Mitarbeiter beginnt, alles herauszusuchen. Dokumente werden angefertigt uns ausgedruckt. Geht alles ganz fix.
    Nur wenn das Telefon klingelt, pausiert der Ablauf einige Zeit.
    Der Anrufer wird kurz beraten, Termin vereinbart und weiter geht es.


    Am Ende muss ich dann doch mal aufstehen. Ich wollte dort ja nicht einziehen oder übernachten. Mit dem entsprechenden Gebührenbon gehe ich zur Kasse und zahle vor dem Hinausgehen, was fällig ist.


    Hier ist noch die "gute alte Zeit", wo man "auf's Amt" geht.
    Die Pferdeställe wurden aber abgeschafft. Da wiehert kein Amtsschimmel mehr. Man verzichtet auf überflüssigen Schnickschnack, der oft ja doch nur (Steuer)Geld kostet, wo es geht.
    Und komischerweise klappt das alles genauso gut wie "mit".
    Natürlich hat man auch "vernünftige EDV" und benutzt sie auch professionell. Trotzdem geht es immer noch vorrangig um und mit Menschen.


    Wie man vielleicht merkt, mag ich diese Kleinstädte irgendwie, auch wenn ich nicht dort lebe oder wohne.
    Nachteilig wird es erst wenn man einkaufen muss oder einen Arzt aufsuchen muss. Elektronisch geht da nichts. Da braucht man ein Auto um hinkommen zu können und die Wege sind oft sehr weit.


    Für die Einkäufe etablieren sich aber mittlerweile Online-Shops. Sie sind "der Renner" auf dem Land, wo die Geschäfte immer weniger werden und die Entfernungen immer größer zu ihnen.
    Das ist aber eine andere Geschichte.