Aus dem Leben eines Bühnen-Musikers

  • Im Folgenden beschreibe ich einmal eine "Musiker-Laufbahn", wie es sie garantiert zu Hunderten in ähnlicher Art gegeben hat. Es ist mehr eine Erzählung, die im Nachhinein einmal zum Nachdenken anregen soll.


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    Alles beginnt in einem kleinen Dorf in der tiefsten Provinz. Ein paar Erwachsene aus zwei Familien hatten sich zusammen getan, um miteinander zu musizieren. Als kleine "Kapelle" spielten sie zu den wenigen Dorffesten und zu einigen kirchlichen Prozessionen.
    Das Repertoire beschränkte sich auf ein paar volkstümliche Melodien und Stimmungsliedern und natürlich dem was für die Prozessionen benötigt wurde.
    Als Musikinstrumente kamen nur Blasinstrumente in Frage, weil es die einzigen sind, die für diese Arten von "Auftritten" geeignet sind. Außerdem sind in der Gegend keine Saiteninstrumente in der Volksmusik im Einsatz.
    Blasinstrumente waren ideal, weil man nur damit überall laut genug musizieren kann. Meine Erzählung beginnt ca. am Ende des 19. Jahrhunderts. Elektronische Verstärkung gab es damals noch nicht.


    In den nächsten 60-70 Jahren und über die nächsten Generationen änderte sich kaum etwas. Die Kapelle wurde zur kleinen Institution, die auch die zweit Weltkriege überstand. Immer wieder fanden sich Familienmitglieder, die die Tradition weiter führten. Man traf sich einmal die Woche in einer Wohnung, um zusammen zu proben.


    Auf dem Dorf macht es nichts aus, wenn die Wände mal von "Pauken und Trompeten" wackeln und es war auch noch ganz normal, wenn sonntags die Klänge von einzelnen übenden Musikern durch die Gegend hallten.

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    In einer Generation gab es dann mehrere Kinder gleichzeitig in den Familien, die auch den Wunsch verspürten zu musizieren. Zwar spielten auch andere Generationen zusammen, jedoch war es nie vorgekommen, dass sie bereits als Kinder Interesse zeigten.


    Mit dieser ersten Kindergeneration änderte sich alles. Sie wurde prägend für die kleine Musikkapelle und änderte alles.


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    Mit dieser Kindergeneration trete ich nun auch auf den Plan.
    Zur Kapelle gehörten damals zwei Großonkel, mein Opa, mein Onkel, ein Mitglied der anderen Familie und ein Musiker, der zu keiner der beiden Familien gehörte.



    Alles begann, wie bei vielen Kindern, damit, dass wir Kinder einfach Interesse am Musizieren fanden. Wir waren ja "ganz nah dran", wenn unsere Verwandten einzeln oder gemeinsam übten.
    Mir schenkte mein Opa damals dann irgendwann einmal eine Blockflöte. Irgendwie hatte ich aber gar keine Lust daran.


    "Dein Opa ist dafür extra durch den strömenden Regen zum Nachbarort gefahren" Diesen Satz meiner Eltern habe ich bis heute nicht vergessen und ich weiß auch immer noch, dass ich dabei ein schlechtes Gewissen hatte.


    Heute weiß ich genau, dass psychologischer Druck zu nichts führt. Wenn das Kind dem Druck nachgibt, bleibt es nicht lange dran. Das Kind muss selbst den Wunsch verspüren - sonst wird das nichts.


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    Ca. 5 Monate später verspürte ich endlich den Wunsch, das Instrument zu lernen. Hätte ich damals schon gewusst wohin das später einmal führen würde... Aber das weiß man ja zum Glück nie vorher.
    Bei mir hat es dazu geführt, dass die Musik mein ganzes Leben beeinflusste.


    Wir Kinder begannen also damit, für einige Zeit Blockflöte bei meinem Opa zu lernen. Das Instrument diente bei allen nur als Vorbereitung für ein "richtiges Instrument". Damit lernten wir Noten, Tempo halten, Taktgefühl, Bruchrechnen und was man sonst so "ganz nebenbei" braucht.


    ...


    Nach einiger Zeit bekamen wir dann von unseren Eltern die "großen Instrumente" geschenkt. Jetzt brauchten wir Lehrer, die uns genau diese Instrumente beibrachten.


    Mein Vater stellte mich vor die Wahl: Saxofon oder Klarinette ?
    Für mich sah das Saxofon mit seinen vielen Klappen sehr kompliziert aus. Ich wollte zwar musizieren, war aber gleichzeitig auch faul. :schaem-ani:
    Weil das Saxofon nach viel Arbeit aussah, habe ich mich für die Klarinette entschieden. Bei der Art der Klarinette wollte ich es auch einfach haben und wählte das deutsche System und kein Böhmklarinette.


    Heute weiß ich, dass Saxofon viel einfacher ist. Die Nichtkenntnis dieser Tatsache hat aber dazu geführt, dass ich später andere Instrumente viel einfacher lernen konnte.


    Die anderen Mitstreiter entschieden sich für Trompete, Posaune und Trommel. Die Kapelle würde nun also ganz neue Instrumente bekommen, die nicht besetzt waren.


    ...


    Mein Lehrer für Klarinette war mein Großonkel, der sie neben seinem Hauptinstrument, dem Tenorhorn, auch noch spielen konnte. Er hatte jedoch eine Böhmklarinette, was dazu führte, dass ich anfangs diverse Griffe falsch lernte. Da sie aber auch auf der anderen Klarinettenart funktionieren, machte es nichts aus. Ich lernte, ohne es zu wissen, beide Arten gleichzeitig.


    Nun war der erste öffentliche Auftritt angesagt, zu dem wir Kinder auch vor Publikum spielen sollten. Es war eine Prozession. Natürlich hatten wir Lampenfieber und Muffensausen davor. Das verging aber recht schnell wieder, weil wir uns ja in der Gruppe der Erwachsenen sicher fühlen konnten.


    Was uns keiner wirklich gesagt hatte war, dass die Kapelle die gleiche Prozession am gleichen Tag mehrfach absolvieren musste. Sie wurde von mehreren Kirchengemeinden gleichzeitig zur musikalischen Unterstützung gebeten.
    So erlebten wir bereits am ersten Tag den Musikerstress, der einen von Auftritt zu Auftritt hetzen lässt.
    Bei der zweiten Prozession sahen wir es schon lockerer und die dritte Prozession war dann fast schon Routine geworden.


    ....


    Eine Prozession ist ja relativ langsam und man muss dabei auch nicht im Gleichschritt gehen. Der nächste Auftritt sollte jetzt aber schon ein Dorffest werden, bei dem auch marschiert werden sollte... also mussten wir nun Marschieren lernen.


    Ich habe später bei der Bundeswehr noch einmal Marschieren lernen müssen. Das war aber ganz anderes als man es als Musiker macht.


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    Das Dorffest war ein ganz neue Erfahrung. Nach dem Marschieren mussten wir zum ersten Mal auf einer Bühne musizieren. Das ist schon wieder ganz ungewohnt gewesen.
    Während wir Kinder nur nach Noten spielten, spielten die Erwachsenen auch "aus dem Hut". Viele Lieder wurden gespielt, für die es gar keine Noten gab.


    Die Erwachsenen hatten sich die Lieder nur nach Gehör beigebracht. Weil die Melodien aber so eingänglich waren, konnte man sie auch relativ schnell lernen. Neben der "klassischen Ausbildung" nach Noten bekamen wir also auch gleichzeitig noch eine Anleitung wie man nach Gehör spielt.


    Hier schieden sich dann Spreu von Weizen. Der Eine kann nur etwas auswendig spielen, wenn er es vorher unzählige Male gespielt, geübt und auswendig gelernt hat. Der Andere kann eine Melodie bereits nach der ersten Wiederholung nach Gehör mitspielen. Ich gehörte zu den "Anderen".


    Auch das stellte bei mir die Weichen für die Zukunft. Ohne musikalisches Gehör und ein Gefühl für Töne wäre auch mein Leben als Erwachsener ganz anders verlaufen.


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    Mit Posaune und Klarinette dabei wandelte sich auch das Klangbild der Musikkapelle: Spielten vorher alle fast die gleiche Melodie, die nur durch die Instrumentenklänge eine scheinbare Harmonie bekam, spielten wir nun eigene Stimmen. die zu Harmonien führten.


    Als Kapelle bekamen die Musiker nach jedem Auftritt immer auch ein paar Mark als Belohnung für die Mühe. Das erhaltene Geld wurde gleichmäßig und gerecht untereinander aufgeteilt.
    Mit steigender Zahl an Musikern wurde es aber pro Person immer weniger. 10 Mark ( ca. 5 Euro) für mehrere Stunden Musizieren war jedoch so wenig, dass es sich schon nicht mehr lohnte, die paar Mark mit immer mehr zu teilen.


    Aus der Musikkapelle wurde ein eingetragener Verein mit einer gemeinsamen Kasse in die jetzt alle Einnahmen flossen.


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    Eine Klarinette ist im unteren Tonbereich sehr sonor und wohlklingend. Durch den großen Tonumfang kann sie auch alle anderen Instrumente unterstützen. Der "eigentliche Tonraum" der Klarinette liegt aber eher im oberen Bereich, den man einzeln gehört nur als "hohes Quietschen" betrachtet *lach*


    Als einzelner Klarinettist kann man relativ wenig zum Klangbild in der Blasmusik beitragen. Irgendwie bleibt man immer ein musikalischer Außenseiter. So fühlte ich mich damals wenigstens und begann damit ein weiteres Instrument zu lernen.


    Trompeten gab es schon genug in der Kapelle. Als mein Großonkel jedoch ins Alter kam, in dem man mit der Blasmusik aufhörte, wurde sein Tenorhorn frei.
    Das nächste Instrument wurde jetzt also ein Horn und ich musste wieder einmal ganz von vorn mit dem Lernen beginnen.
    Als Tenorhornspieler musste ich mich auch in den "oberen Lagen" herum quälen, aber das klang ganz anders und wurde auch ganz anders an gesehen. Im Verein dauerte es aber noch viele Jahre, bis ich dort auch endlich als Tenorhornspieler eingestuft wurde.


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    Mittlerweile war ich auch schon in der "Sturm und Drangzeit" (Pubertät) angekommen.
    Meine Eltern konnten sich glücklich schätzen, dass ich weiterhin bei der Musik bleib. Immer wenn es Ärger gab, ging ich zu meinem Opa rüber und musizierte und übte dort. Sie haben als Eltern also recht wenig von den Problemen mit pubertierenden Teenies mitbekommen :joker:
       
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    Zeit für die Berufswahl. Ich wollte auch weiterhin etwas mit Musik machen.


    - Praktikum bei einer Orgelbau-Firma
    Es hätte mir zwar gefallen. Ich lernte, wir man Orgelpfeifen nur aus einem Stück Blech und einem Schlagholz hämmerte und wie wichtig es ist, selbst mit 3 Meter Pfeifen nirgendwo anzustoßen. Das Stimmen der Pfeifen nur nach Gehör und dann der Zusammenbau der kompletten Orgel.
    Leider habe ich aber einen Handschweiß, der dazu führt, dass sich die Schutzbeschichtung von den Pfeifen ablöst. Der Beruf war also leider nichts für mich.
    Den Beruf des "elektronischen Orgelbauers" gab es nicht. Der hätte mir auch vielleicht Spaß gemacht.


    - Feinmechaniker-Lehre
    Sie sollte nur als Vorstufe dienen, damit ich später als Musikinstrumentenbauer weiter machen könnte. Leider schaffte ich die theoretischen Prüfungen jedoch nicht. Die dazu nötige Mathematik war in der Schule zu kurz gekommen. Ich habe sie erst später gelernt.


    Wenn man keine Musikinstrumente bauen kann, kann man trotzdem doch etwas damit als Beruf machen. Man kann sie verkaufen.
    Wenn man Instrumente verkaufen will, muss man sie auch vorführen und spielen können. Handelt es sich dann noch um eine relativ kleine Firma, lernt man gleichzeitig auch noch wie man sie repariert.


    In diesem Beruf hatte ich also faktisch alles was ich haben wollte: Ich konnte (etwas) musizieren, neue Instrumente lernen und auch Instrumente reparieren. Ich durfte faktisch das machen,was ich als alleinigen Beruf nicht hatte lernen dürfen.


    Irgendwann spielte ich dann rund 25 Instrumente.


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    Im Beruf traf ich täglich mit Musikern aller Arten zusammen. Da bleibt es nicht aus, dass man auch in der Berufsschule Kontakt mit anderen Musikern bekommt.


    Eine neue Band brauchte einen Orgelspieler (Keyboards gab es noch nicht)
    Zu der Zeit konnte ich bereits etwas beim Vorführen von Orgeln spielen. Das war jedoch noch kein wirkliches Spielen. Trotzdem fühlte ich mich bereit, in einer Band zu spielen :loool:


    Die nächsten Monate zeigten mir dann, wie wenig ich wirklich konnte. Ich musste ein Instrument binnen weniger Monate lernen, für das andere Musiker Jahre brauchten. Unter Druck laufen manche Menschen zu Höchstleistungen auf .. und Druck bekam ich mehr als genug.


    Gleichzeitig lernte ich jetzt auch, dass man als Band-Musiker Geld verdienen kann .. aber als Orgelspieler am Ende alles (und noch mehr) immer wieder in neues Equipment investieren muss.


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    Um mein Hobby finanzieren zu können, begann ich damit, mein Wissen weiter zu geben. Da ich bereits beruflich auch Unterricht gab, stellte ich mir vor, dass ich durch privaten Unterricht etwas Geld verdienen könnte.
    Das klappte anfangs noch recht gut, wurde aber zur Kostenfalle als ich immer mehr Schüler bekam. Ich konnte einfach nicht Nein sagen und hatte dann Schüler, zu denen ich bis zu 50 Kilometer fahren musste.


    Wenn es gut lief, hatte ich am Ende eines Wochenendes gerade einmal 5 Mark verdient. Dafür war ich dann zwei Tage lang von Termin zu Termin gehetzt. Alles andere Geld musste ich in Taxi-Fahrten stecken, da ich kein Auto hatte.


    Den Unterricht habe ich einige Jahre lang gegeben. Auch nachdem ich endlich ein Auto hatte, war es mehr ein weiteres Hobby bei dem finanziell nichts herum kam.
    Es machte mir aber Spaß mein Wissen an andere weiter zu geben und mitzuerleben wie man - egal ob 4 Jahre oder 65 Jahre alt - in jedem Alter immer noch ein Instrument lernen kann. Man muss es nur wollen und genügend üben.



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    Im Laufe der Zeit bekam ich auch Kontakt zu anderen Bands. Mal wurde ein Sänger benötigt und mal ein Orgelspieler. Auf der Bühne waren das jetzt meine beiden Hauptinstrumente.


    Irgendwann wechselte ich zu einer anderen Band, hielt jedoch weiterhin Kontakt zur ersten Band.
    Musiktechnisch war ich mittlerweile relativ voll beschäftigt. Tagsüber im Musikladen, abends dann in 2 Musikvereinen und einer Band. Musik bestimmte rund 20 Stunden am Tag mein Leben.


    Die Auftritte häuften sich. Mittlerweile war sogar eine komplette Bigband-Section mit Blasinstrumenten dabei.
    Die Reichweite erhöhte sich so sehr, dass wir sogar im Ausland spielten ... sowohl mit Musikverein als auch mit Band. Zusätzlich war ich auch noch als Alleinunterhalter unterwegs.


    Es war ein Auftrittsstress sondergleichen. Die Bühne wurde mein zweites zuhause. Im wirklichen Zuhause war ich nur noch, um ein paar Stunden zu schlafen.


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    "Vater Staat ruft" und ich konnte mich nicht mehr taub stellen. Einen Tag nach einem großen Auftritt mussten drei aus unserer Band gleichzeitig zur Bundeswehr. Das bedeutete aber nicht das Aus von der Musik.
    Die Proben wurden weniger - nur noch eine pro Woche. Die Auftritte wurden weniger - nicht mehr fast jeden Tag aber jedes zweite Wochenende. Die Band sah sich nur noch zu den Terminen, weil wir in ganz Deutschland verstreut worden waren.


    Als es (bei mir) in der Grundausbildung etwas ruhig zuging, wurden wir "musikalisch zwangsverpflichtet". Nach dem normalen Dienst hieß es nicht mehr Freizeit, sondern umziehen. Wir waren Sänger beim Heeresmusikkorps und mussten zu deren Auftritten fahren. Und wieder begann der musikalische Stress.


    Irgendwann war aber auch der erzwungene Musikdienst vorbei. Während der Woche wurde es langweilig. Ich wollte und musste aber in Übung bleiben.
    Also packte ich mir meine alte Klarinette ein und nahm sie mit. Wenn der Gemeinschaftsraum abends leer war übte ich dort ... einfach so wie mir gerade war... just for fun .. einfach etwas improvisieren und jammen.


    Irgendwann fiel das auf.. naja, zu überhören war es ja auch nicht *lach*
    Ich wurde gefragt, ob ich bei der Bataillonsband mitmachen wollte. Rein freiwillig und zusätzlich zum normalen Dienst. Die Band spielte nur zu offiziellen Anlässen der Bundeswehr und als Belohnung gab es höchstens einmal einen freien Tag, der das verlorene Wochenende wieder wett machen sollte.


    Okay, mache ich mit.
    Jetzt war ich also in 2 Bands und 2 Musikvereinen .. öh.. und gleichzeitig wurde ich auch noch als Alleinunterhalter für diverse Offiziersveranstaltungen angeheuert.
    Irgendwie ging mir in dieser Zeit der "Respekt für die Obrigkeit" verloren. Ob General oder Leutnant oder was sonst auch immer. Es waren Musiker oder Musikliebhaber, ganz normale Menschen wie du und ich. Im Dienst wurde nach Befehl gegrüßt.. oder eben auch nicht und in der Freizeit gab es dann nur noch das Du.


    Mittlerweile brauchte ich schon einen doppelten Satz an Ausstattung. Es war einfach zu mühsam, die 80 Kg an Equipment immer per Bahn und im Seesack durch Deutschland zu schippern wenn ein Auftritt bei der Bundeswehr bevor stand.
    Die BW selbst stellte, außer einem Probenraum, nichts zur Verfügung. Was vorhanden war, waren nur Sachen die ausgeschiedene Kameraden dort zurück gelassen hatten. Der Rest war pure Improvisation.


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    Der Höhepunkt meiner Bundeswehr-Musiker-Laufbahn war dann als ich Leader der Bataillonsband wurde.
    Das war aber eine zweifelhafte Ehre, weil der Kasernenkommandant einen Abend einfach auf mich zukam und meinte "xx Sie wissen ja. In 2 Wochen hat die Band einen Auftritt. Sie organisieren das."


    Natürlich wusste ich das noch nicht. Das wussten wir nie vorher, Immer dann wenn wir Bescheid bekamen, konnten wir Sonderzeit für Proben beantragen.
    Was ich jetzt aber erfuhr, ließ meine Kinnlade herunter klappen. Er sprach mich an, weil es keinen Musiker der Band mehr gab. Ausgeschieden oder zu anderen Standorten befehligt, gab es gar keine Band mehr die hätte auftreten können. Die Band war aber für den Offiziersball angekündigt und musste deshalb auch auftreten.


    Zwei Wochen Zeit, eine komplett neue Band aus dem Boden zu stampfen und auftrittsfertig zu bekommen.
    "Ich brauche Musiker." - "Nehmen Sie sich, wen sie brauchen. Sie haben alle Vollmachten."


    Einige Tage später hatte ich rund 10 Musiker aus allen Kompanien zusammen. Nachts saß ich dran Texte und Noten zu schreiben, tagsüber den normalen Dienst und dazu dann noch die ersten Proben.
    "Alle Vollmachten" war nur ein Spruch gewesen. Es gab keine Unterstützung irgendwelcher Art.


    Der Hammer war dann, dass zwei Tage vor dem Auftritt 9 der 10 anderen Musiker abgezogen wurden. Ich hatte jetzt nur noch einen Bassisten und zu zweit sollten wir eine komplette Band ersetzen.
    Zum Glück konnte der Bassist auch noch Schlagzeug spielen und singen, sonst wäre alles verloren gewesen.


    Ich hatte bei Auftritten immer mehrere Instrumente gespielt. Immer aber nur nacheinander und höchstens Gesang plus Instrument. Jetzt mussten wir zu zweit einen Bigband-Sound hinbekommen - ohne auf Elektronik ausweichen zu können.


    Orgel mit Fußbass - Die Begleitung war schon einmal gesichert.
    Schlagzeug mit Gesang - Melodie und Rhythmus waren auch klar.
    Dummerweise war es eine alte Orgel. Die Solo-Instrumente hätten durch andere Musiker "in echt" gespielt werden sollen.
    Multitasking im wahrsten Sinne des Wortes musste ich also gleichzeitig sowohl die komplette Begleitung auf der Orgel als auch ein Blechblasinstrument spielen, während der Bassist Schlagzeug und Gesang übernahm.
    Proben waren nicht mehr möglich - hinein ins kalte Wasser. Zum Glück ging alles gut und das Publikum war begeistert.


    Einige Tage später hatte ich dann die komplette Band wieder zur Verfügung und auch einige der alten Musiker kamen zurück. Jetzt konnte man endlich wieder Bigband-Sound bringen und auch Jazz und Freejazz wieder ins Programm aufnehmen.


    Band-Leader blieb ich jedoch bis zum Rest meiner Dienstzeit weiterhin, obwohl ich den niedrigsten Dienstgrad hatte. Unter richtigen Musikern zählt aber der Dienstgrad sowieso nichts und wer anders denkt, der gehört nicht dahin.


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    Nach der Bundeswehr ging es zurück ins Zivilleben. Vertrag für Süddeutschland in der Tasche, zog es mich doch wieder in den Norden in meinen "alten Laden". Die "zivile Band" gab es zwar immer noch, jedoch war in den vergangenen schon Ersatz für die Musiker gefunden, die nicht regelmäßig anwesend sein konnten.


    Die erste Band brauchte jedoch noch Verstärkung und so kehrte ich zu ihr zurück. Aus dem Anfänger war längst ein Bühnenprofi geworden, für den Bühnenauftritte Routine geworden waren.


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    In einem anderen Musikhaus übernahm ich später sowohl die Leitung der Musikschule als auch einer Musikerbörse und arbeitete dort auch als Techniker und Studiomusiker im Tonstudio mit.
    Tonstudios waren mir von früheren Plattenaufnahmen mit Musikvereinen und mit der Bundeswehr-Band nicht fremd. Dort war ich jedoch einer der Akteure gewesen, während ich mich jetzt mit dem Background beschäftigte.


    Dieses Musikhaus war sozusagen das Nonplusultra was man sich als Musiker wünschen kann. Zugriff zu jeder Art von Musiktechnik und an den Wochenenden gab es in der unteren Etage Jam-Parties.
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    Der erste zwangsweise Musikpause ergab sich als ich die Branche wechselte. Musik war jetzt nur noch ein Hobby und gehörte nicht mehr zum Beruf. Beruflich war ich dauend unterwegs und stand immer im Rampenlicht. Ich war also immer noch "On Stage", jedoch in anderer Sache.


    Da ich die Musik natürlich nicht aufgaben wollte, suchte ich mir eine Band, die nur selten Auftritte hat. Anders hätte es auch nicht geklappt.


    Die erste Probe mit dieser "kleinen Dorfband" war ein völlig neues Erlebnis. Man könnte denken, dass ich schon alles in der Hinsicht erlebt hätte. Dem war aber nicht so.
      
    Hier sollte ich nur Keyboarder sein. Bei der Probe wurde mir auch klar, weshalb kein Gesang benötigt wurde:
    Neben den Instrumentalisten gab es einen kompletten gemischten Chor, der virtuos singen konnte. "We are the world" war der erste Song, den ich bei der Probe miterlebte und voller Staunen einfach nur zuhörte anstatt selbst auch mitzuspielen.
    Ein Wahnsinn, was die Vocal-Gruppe da brachte. Beste Plattenqualität aber live gesungen und ohne zusätzliche Technik.
    Für die Proben musste deshalb auch die große Bühne einer Schulaula herhalten. Anderswo wäre kein Platz gewesen.


    Auch der erste Auftritt war für mich ungewöhnlich. Normalerweise muss man als Hobbymusiker alles selbst schleppen, aufstellen und einstellen. Bis alles fertig ist vergehen viele Stunden.
    Hier musste man aber nur ankommen und einen Soundcheck durchführen. Alles andere war schon erledigt und auch bei der Bühnenshow fühlte man sich "so richtig wie eine Star". Nebel und Lichteffekte tauchten die Bühne in ein Szenario, wie man es sonst nur bei großen Stars zu sehen bekommt.


    Zu den Auftritten waren immer alle Karten schon lange vorher ausverkauft. Mehr als 2.000 Leute drängelten sich in die Halle und draußen standen fast noch genauso viele, die nicht hinein gepasst hatten.


    Leider musste ich die Band aufgeben, weil ich einige Male fast 500 Kilometer Anreiseweg zu den Auftritten hatte. Beruf und Hobby vertrugen sich also nicht mehr. Außerdem war es natürlich ein hoher Kostenfaktor wenn man 500 Km entfernt arbeitet, "mal eben" einen Auftritt mitspielt und dann sofort wieder zurück muss.


    Die Band spielte wirklich nur als Hobby. Alle Einnahmen wurden für Saalmieten und Aufbau verwendet und was dann noch übrig blieb wurde gespendet.
    Als Anerkennung gab es dann sogar noch einige Jahre später immer wieder VIP-Karten zu großen Konzerten in der Nähe geschenkt.


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    Beruflich zurück in den Musikbereich. Die Zeiten waren moderner geworden. Mit der aktuellen Technik musste man nicht einmal mehr spielen können. Man brauchte nur das richtige Equipment und eine passende Software.


    Als Leiter einer Profi-Abteilung kam ich natürlich mit all der Technik in Berührung und durfte sie auch problemlos privat nutzen. Ich saß also wieder "an der Quelle" und sorgte mit dafür, dass auch völlige Nichtmusiker trotzdem "Live-Auftritte" machen konnten.
    Die entsprechenden Songs kamen sehr oft von mir. Ich habe sie für die Instrumente passend eingespielt oder programmiert. Der "Musiker" musste sie nur noch laden und per Knopfdruck abrufen.


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    "Was andere können, kann ich auch", dachte ich mir einmal und lieht mir für einen Auftritt ein entsprechendes Gerät. "Mit Vollplayback ist es einfach, sich nur auf den Gesang zu konzentrieren", dachte ich.


    Es ist nur dumm, wenn das Publikum dir von hinten auf die Finger schauen kann und du deshalb "so tun musst als ob" :joker:
    Wenn ich schon so tun muss als ob, kann ich weiterhin völlig live spielen... war meine Erkenntnis aus den ersten Stunden. Also spielte ich wirklich live weiter anstatt nur vorprogrammierte Songs abzurufen.


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    Bei einem Alleinunterhalter-Duo zu einer Geburtstagsfeier konnte ich die extremen Nachteile eines Nichtkönner-Musikers hautnah miterleben.
    Er hatte ein Gerät, das er nur durch Abruf fertiger Songs benutzte. Er konnte sehr gut singen, aber nicht musizieren. Ich hatte zwar ein ähnlich hochwertiges Instrument, spielte jedoch live.


    Im "normalen Modus" spielten wir nacheinander jeweils ein Stück. Das gab ihm die Gelegenheit, jeweils einen passenden Song vorzubereiten und zu laden.
    In der Phase als es aber darum ging, ganz spontan Musik zu spielen die zur "aktuellen Lage" passt, hatte er keine Chance mehr.


    In einem Geburtstagsständchen wurden Begebnisse aus dem Leben des Geburtstagskindes erzählt. Parallel dazu sollte passende Musik ertönen. Hier konnte man nichts vorbereiten. Die Aktion war nicht vorher angekündigt worden. Jeder Song musste auch so spontan erklingen, dass die Zeit nicht einmal ausgereicht hätte, um auf einer Liste einen passenden Song zu finden.


    "Imrpro" war angesagt und das aus einem Liedgut von über 80 Jahren. Volksmusik, uralte Schlager aus vergangenen Jahrzehnten bis hin zur aktuellen Musik .. alles wurde abverlangt.


    Musikerfahrung, Liedkenntnisse aus allen Genres und Zeitalter, Improvisationstalent und Gedächtnis waren gefragt. Ich fühlte mich in das kleine Dorf versetzt, wo ich all das einmal gelernt hatte.. und es machte sehr viel Spaß einfach auf Vorträge reagieren zu müssen.


    Ich glaube, ich habe es fast zu perfekt gemacht. "Du spielst doch gar nicht live, dein Kollege schon".
    Natürlich konnte ich ihn jetzt nicht blamieren, weil er ja wirklich "aus Konserve lebte" - aber - ich konnte zeigen, das das, was ich machte, wirklich nur live sein konnte.


    Ich kann nur sagen: Die Freude man verspürt (und die Anerkennung die man bekommt) ist sagenhaft, wenn man zeigen kann, dass man "wirklich live" genauso gut ist als wenn etwas einfach als Playback abspielt.



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    Irgendwann gab es erneut einen Branchenwechsel. Musik konnte ich währenddessen nicht mehr machen. "Termine" konnten zu jeder Tageszeit kommen. Eine planbare Freizeit gab es nicht mehr.


    Früher opferte ich meine ganze Freizeit der Musik. Ohne Freizeit geht das natürlich nicht mehr. Parallel dazu stellte sich auch noch eine kleine Gesinnungsänderung ein: "Außer Musik gibt es noch etwas im Leben".


    Meinen Job opferte ich für dieses "Andere im Leben". Es war mir wichtiger geworden. Gleichzeitig zog ich auch in eine Gegend um, in der ein ganz anderes Verständnis für Musik herrscht.


    In dieser Gegend wird "Tanzband" und "Alleinunterhalter" mit "Schunkelmusik" gleichgesetzt.
    Hier wäre ich auf ein einziges Genre festgelegt worden, das nun überhaupt nicht "mein Hauptding" ist. Den ganzen Abend Schunkelmusik mag ich nun wirklich nicht spielen müssen.


    Also wanderte der modernste Teil des Equipments zunächst einmal in den Keller. Dort sollte es nicht lange bleiben, weil bereits ein erneuter Umzug "mit Kind und Kegel" geplant war.
    Tragischerweise gab es einen Einbruch, bei dem gerade die teuersten Teile gestohlen wurden. Ich hätte sie ersetzen können, wollte jedoch bis zur "nächsten aktiven Zeit" warten.


    Klar, dass ich mittlerweile wieder genügend Equipment habe. Ich könnte sofort wieder loslegen.
    Fragt mich aber wer, ob ich bei ihm auftreten würde, zählt nicht mehr der Auftritt an sich oder das Geld dafür. Ich bin bis jetzt schon öfters aufgetreten als mancher berühmte Profi-Musiker. Heute entscheiden nur noch Sympathie und Anlass ob ich mal wieder für andere Musik mache.


    Wie ich stattdessen meine "neue Freizeit" verbringe ?
    Du kannst sehen was ich in meiner Freizeit mache. Ich stehe auf der größten Bühne der Welt, dem Internet, will aber nicht mehr berühmt werden oder sein, sondern nur noch anderen Menschen helfen.
    Diese Internetseite, mit allen ihren kleinen Ablegern, beschäftigt mich nun seit 2009 den größten Teil meiner freien Zeit.


    Egal wie lange es dauert, einen Beitrag zu lesen oder wie lang er ist .. fast jeder Beitrag dauert Stunden, Tage oder Wochen bis er endlich fertig ist.


    Irgendwann kommt für jeden Musiker der Punkt, an dem er eine Entscheidung treffen muss.


    Liebe und Beziehung stehen oft in direkter Konkurrenz mit der Bühnenmusik.
    Beziehungen mit einem Musiker erfordern viel Opferwillen von der Partnerin. Liegt diese nicht vor, geht jede Beziehung in die Brüche.
    Wer das Musizieren in den Lebensmittelpunkt stellt, wird oft einsam bleiben. Dazu ist nicht jeder Musiker bereit. Aus dem Grund enden viele Musikerlaufbahnen auch mit der Gründung einer Familie.


    Beruf und Musik lassen sich nicht immer vereinbaren
    Wenn man die Musik nicht zum Beruf machen kann oder will, muss sie irgendwann vielleicht hinter dem Beruf zurück stehen.


    Steht ein anderes Interesse gleichwertig zur Musik, muss man sich für eins entscheiden
    Man kann sich nicht zerreißen und man kann auch nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Man sollte es nicht erst versuchen wollen, weil das sowieso nicht klappen wird.



    Gesundheit geht vor
    Bühnen-Musiker ist ein harter Job, der körperliche Fitness und Gesundheit erfordert. Stress, Schlafmangel und gesundheitliche Beschwerden führen oft zur mentalen und/oder körperlichen Überlastung. Wer nicht auf die Zeichen und Warnungen seines Körpers reagiert, wird zusammen brechen. Ein Burnout ist dabei sogar noch das kleinste Übel.


    Besser ist, es rechtzeitig "den Hut zu nehmen" als "berühmt" auf der Bühne zusammen zu brechen oder sich der Lächerlichkeit preis zu geben.


    "Wenn es am Schönsten ist, sollte man gehen"
    Das heißt aber nicht, dass man später nicht noch einmal wiederkommen darf. Das nennt sich dann "Revival" und man kann vielleicht noch einmal an die früheren großen Erfolge anknüpfen. :bedanken-ani: