Fahren eines Karnevalswagens / Umzugswagens

  • Was ist beim Fahren eines Karneval-Wagen zu beachten ?
    So ein Karnevalswagen besteht in der Regel aus einem Zugfahrzeug mit Anhänger oder einem LKW mit Ladefläche.
    Natürlich benötigt man für das Führen dieser Fahrzeuge auch eine entsprechende Fahrerlaubnis.


    Die Fahrzeugauswahl und -Vorbereitung
    Das Fahrzeug sollte so ausgewählt werden, dass es genügend Zugkraft aufbringt, um den Anhänger ziehen zu können. Gleichzeitig sollte eine Fahrzeuggattung ausgewählt werden, die das "typische Umzugstempo" von 2-3 km/h über viele Stunden problemlos "wegstecken" kann.
    In der Regel sind deshalb Traktoren im Einsatz, aber auch normale PKW oder LKW nehmen teil.
    Bei allen Fahrzeugen sollte darauf geachtet werden, dass sie technisch einwandfrei sind. Hauptaugenmerk bei PKW/LKW ist auf die Motorkühlung und die Kupplung zu legen. Sie werden während des Umzugs massiv belastet.
    Nicht selten bleiben Fahrzeuge währenddessen mit überhitztem Motor oder "verbrannter Kupplung" liegen und werden ein Fall für die Werkstatt.


    Die nächste Vorbereitung ist, dass alle Aufbauten notfalls abklappbar sein müssen.
    Nichts ist hinderlicher, als wenn man nicht daran gedacht hat, dass man auf der Anfahrt unter einer Brücke hindurch muss ... unter der man mit seinem 4 Meter Aufbau aber nicht durchkommen wird.


    Die richtige An- und Abfahrtstrecke muss ausgesucht werden.
    Da so ein Gespann weder besonders agil ist, noch auf normale Geschwindigkeit ausgelegt ist, sollte man Strecken wählen, die möglichst selten über Kreuzungen ohne Ampel führen.
    Vielbefahrene Straßen sind genauso zu meiden wie auch massive Steigungen oder Gefälle.


    Vor der Abfahrt müssen alle losen Teile gesichert werden.
    Herausragende Teile müssen angeklappt oder demontiert werden.
    Ein "Karnevals-Gespann" hat keine Ausnahmegenehmigung für die Fahrt zum Umzug. Es unterliegt allen üblichen Anforderungen an am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrzeugen


    Die Reisedauer muss, mit Sicherheitsreserve, geplant werden.
    Mit einem Traktor schafft man maximal 25 km die Stunde. Man sollte aber besser (je nach Strecke) mit einer Reisegeschwindigkeit von 15-20 km rechnen. Bei PKW und LKW sollte man mit maximal 50 Kilometern die Stunde rechnen.


    Nicht vergessen, dass das Gespann zu einer bestimmten Zeit vor Umzugsbeginn ankommen muss und dass es am Ziel auch noch "karnevalsgerecht" wieder umgebaut werden muss.


    Kraftstoff für Stromversorger muss geladen werden
    Kanister für Stromaggregate gehören nicht auf die Ladefläche oder den Anhänger. Sie müssen ordnungsgemäß untergebracht und gesichert werden. Im Falle eines Unfalls dürfen sie nicht zur Gefahrenquelle werden.




    Die Anfahrt zum Karnevalsumzug


    Mitfahrer
    Mitreisende dürfen nur auf den "Originalplätzen" im Zugfahrzeug mitfahren. Auf der Ladefläche oder dem Anhänger dürfen KEINE Personen mitfahren.
    Während der, teilweise stundenlangen, Fahrt sollten die zusätzlichen Aufbauten und der Anhänger immer im Auge gehalten werden.
    Herabfallende Teile sollten sofort von der Straße entfernt werden.


    Man sollte keine Kinder mitnehmen.
    Für sie ist die stundenlange "Zockelei" oft schon nach kurzer Zeit uninteressant... das "typische Nörgeln" beginnt. Gleichzeitig können Kinder ihre Verdauung oft noch nicht so gut kontrollieren, so dass immer mal wieder ein "Toiletten-Halt" eingelegt werden müsste.
    Die Nichtmitnahme von Kindern spart Nerven .. die der Fahrer später noch dringend brauchen wird


    Unwetter
    Wenn am Reisetag Sturm angesagt ist, sollte man sich Punkte in Erinnerung rufen, an denen man das Gespann anhalten kann, um das Abflauen des Sturms abwarten zu können.
    Du fährst ein Gespann, dass bisher nie unter solchen Bedingungen erprobt wurde. Es gibt keinen Erfahrungswert dafür und nach deiner Reise wird es das gleiche Gespann in der gleichen Art auch nie wieder geben. Du fährst also einen Prototyp, der nach dem Einsatz wieder abgebaut wird.


    Die Ankunft am Ziel


    Für die Beteiligten beginnt jetzt oft erst die eigentliche Arbeit.
    1) Einige Mitfahrer sollten sofort losziehen, um die Zugwagen-Nummer zu holen und zu sehen, wo sich das Gespann platzieren soll. (wenn das alles noch nicht im Vorfeld festgelegt wurde)


    2) Andere Mitreisende sorgen dafür, dass die vorher gesicherten Aufbauten entsprechend der Vorplanung aufgebaut werden. Alle Fahrt-Sicherungsmaßnahmen werden demontiert.


    3) Die "Einsatzfähigkeit" wird hergestellt und kurz erprobt.
    - Stromaggregate werden mit Treibstoff befüllt und einmal kurz gestartet um die Stromversorgung zu überprüfen.
    - Aufgangstreppen werden zum Betreten herabgeklappt
    - Schränke werden entriegelt
    - Bänke abgeklappt
    - Süßigkeiten-Vorräte und andere "Wurfsachen" werden wurf- und griffbereit zum Nachfüllen bereitgestellt
    - Getränke werden bereitgestellt
    - Alle Arrettierungen für bewegliche Elemente werden entfernt
    - Es wird eine Sprechverbindung vom Anhänger zum Fahrer hergestellt - Diese wird während des Zuges sehr wichtig werden !


    4) Verhaltensregeln werden noch einmal abgesprochen und "eingehämmert"
    - Nie nach Vorne vor das Fahrzeug werfen
    - Nie in der Nähe von Treppen oder Ausgängen stehen, bei der Absturzgefahr besteht
    - Nie ungesichert an hohen Punkten des Aufbaus stehen
    - Alkohol nur mäßig genießen
    - Nie ins Zugfahrzeug springen


    Das waren nur einige Punkte, die der Sicherheit während der stundenlangen Fahrt dienen sollen.


    Der Fahrer des Karneval-Gespanns vor der Aktion


    Zunächst einmal sollte er alkoholfreie kalte und heiße Getränke dabei haben.
    Innerhalb der nächsten Stunden ist höchste Konzentration gefordert. Weder Hunger noch Durst dürfen ablenken können.


    Der Fahrer sollte gesund, fit und ausgeschlafen sein
    OK. Nach der stundenlangen Anfahrt vielleicht etwas viel verlangt .. aber trotzdem sollte man sich darum bemühen.


    Für Notfälle sollte ein zweiter Fahrer bereitstehen
    Notfälle könnten sein:
    - nicht mehr aufschiebbarer Toilettengang
    - gesundheitliche Probleme


    Vor Beginn der Fahrt, sollte der Fahrer auf jeden Fall noch einmal eine Toilette aufsuchen
    Es ist später nicht mehr möglich, seiner Notdurft nachgehen zu können. "Die Karawane zieht weiter" = der Zug muss ohne Zusatzstopp laufen.. egal was los ist.


    Vor Beginn werden alle Türen von innen verschlossen
    Es muss verhindert werden, dass "unzulässige Personen" ins Fahrerhaus kommen können.


    Fenster auf der Fahrerseite öffnen und durch ein Netz sichern
    Das Fenster muss offen sein, damit Ordner oder Polizei Anweisungen geben können. Das Netz dient dem eigenen Schutz gegen Wurfgeschosse aus dem Publikum.


    Rundumsicht herstellen
    Möglichst viele Spiegel "freiräumen". Falls machbar, sollte man Zusatzspiegel oder Kameras anbringen, die die Situation direkt vor dem Fahrzeug anzeigen können. Bei einem Traktor herrscht dort nämlich ein so großer "toter Winkel", dass sich dort Personen aufhalten können, die man ansonsten "einfach überfahrt" wenn man sie nicht sieht


    Der Fahrer des Karneval-Gespanns während der Aktion


    Das Hauptproblem besteht darin, dass man unter Fußgängertempo fährt.
    Man muss zwar versuchen, stetig das gleiche Tempo zu halten, trotzdem aber immer wieder bremsen und beschleunigen.
    Beide Vorgänge müssen so sanft erfolgen, dass die hinten Stehenden nicht gefährdet werden.
    Der Fahrer trägt die volle Verantwortung für alles, was hinten auf dem Fahrzeug/Anhänger oder um sein Fahrzeug herum passiert.


    Das sanfte Bremsen und Beschleunigen ist der Punkt, weshalb viele PKW/Transporter-Zugfahrzeuge nach dem Umzug in die Werkstatt müssen.
    Viele Fahrer lassen die Kupplung "schleifen" .. bis sie dann irgendwann stinkt und qualmt. Auch der 1. Gang ist nicht langsam genug für "diese Art von Fahren".
    Bewährt hat sich, wenn man langsam beschleunigt und danach sofort wieder auskuppelt. Der Wagen rollt also einige Meter "einfach so". Mit wohldurchdachten "Gasschüben" hält man ihn dann auf der aktuell möglichen Geschwindigkeit.
    Das dauernde Auskuppeln sorgt zwar auch für mehr Verschleiß, aber nicht so extrem wie bei schleifender Kupplung.


    Wie anfangs erwähnt, hätte man dieses Problem vielleicht durch einen Traktor oder LKW/Geländewagen vermeiden können. Diese Fahrzeuge haben extrem untersetzte Getriebe, damit man extrem langsam fahren kann. Hat man aber nicht diese Wahl gehabt, muss man trotzdem wissen, wie man möglichst "verlustfrei" fahren kann.


    Die geringe Geschwindigkeit sorgt für Überhitzung des Motors.
    Du fährst faktisch stundenlang in einem Dauerstau. "Stop and Go" über viele Stunden lang, ohne dass Fahrtwind den Motor kühlen könnte. Man sollte sich deshalb bereits vorher so anziehen (z.B nur T-Shirt) , das man notfalls auch "tropische Temperaturen" übersteht.
    Die einzige Möglichkeit, eine Überhitzung des Motors zu vermeiden, besteht nämlich darin, ihm die "Hitze zu klauen" = Heizung an, die ganze Zeit. Du "schmorst in deinem eigenen Saft " .. und gleichzeitig zieht es von der linken Seite, weil du von dort die Außentemperatur mitbekommst. Deshalb sollte der Fahrer fit und gesund sein.


    Umsichtig fahren
    Rund um das Fahrzeug bewegen sich Menschen aller Altersklassen in jedem "geistigen Zustand".
    Du musst jederzeit damit rechnen, dass dir Kinder oder Erwachsene vor das Fahrzeug springen. Ob du eigene Ordner dabei hast oder nicht.. es kann trotzdem immer noch passieren.


    Vorausschauend fahren
    Wenn du auf eine Menschengruppe zufährst, rechne nicht damit, dass sie weggehen, wenn du kommst. Höchste Konzentration und Bremsbereitschaft.
    Wenn die Lücke zum vorausfahrenden Gespann größer wird, erhöhe nicht das massiv Tempo. Innerhalb der Strecke können wieder plötzlich Fußgänger auftauchen.


    Allgemein kann man sagen, dass das Fahren eines Karneval-Gespanns "fahren ohne Verkehrsregeln" ist.
    Keiner hält sich an irgendetwas ... und du hast immer die "rote Karte" wenn etwas passiert.


    Die Sprechverbindung nach hinten ist unbedingt nötig , wenn ...
    - Ordner oder Polizei dich dazu auffordern, etwas abzustellen, was hinter dir passiert
    Du bist nämlich auch dafür verantwortlich, wenn die Personen auf die Anweisungen der Polizei nicht reagieren
    - Hinten etwas passiert, das dich zum Ändern der Fahrweise oder zum Anhalten zwingt.
    Unfall auf dem Gespann oder Vermeidung von Gefahren.. alles kann möglich sein und sollte dir möglichst schnell zugetragen werden.


    Übrigens... alles was während der Fahrt ablenken könnte, sollte unterbleiben
    Telefonieren mit dem Handy .. wird vielleicht nicht sofort bestraft werden .. kann aber trotzdem.
    Irgendwas rumprogrammieren (Navi, Radio, mp3-Player usw) lenkt ab


    Nach der Aktion
    Oft passiert es, dass plötzlich alle Helfer weg sind [Blockierte Grafik: https://wbb3.ratgeber---forum.…ges/smilies/thumbdown.png
    Die Verbliebenen müssen nun das Gespann in "ordnungsgemäßen Verkehrszustand" zurück versetzen.
    Zum Glück ist das aber nicht so zeitaufwendig, wie bei der Ankunft.


    Fast alles kann (ohne Sorge um Beschädigung) im Fahrzeug verstaut und gesichert werden. Es muss nicht gut aussehen oder "heile bleiben". Nur sicher verstaut... und zwar diesmal so sicher, dass das Gespann auch mit "normalen Tempo" wieder nach hause fahren kann.


    Der Karnevalsumzug ist vorbei. Der gleiche Aufbau wird nie wieder so benutzt werden. Er war ein Prototyp, der sich bewährt hat und jetzt vernichtet werden kann.


    Wenn ein und der gleiche Fahrer von Anfahrt bis Rückfahrt die ganze Zeit gefahren ist, so hat er sich jetzt "einen Tag Urlaub verdient".
    Als Fahrer sollte man deshalb wirklich auch den Folgetag frei genommen haben.


    Ideal ist es natürlich, wenn sich mehrere Fahrer die Aufgabe teilen:
    Fahrer 1 sorgt für die Sicherung und die Anfahrt
    Fahrer 2 fährt das Gespann während des Umzuges
    Fahrer 3 sichert das Fahrzeug für die Rückfahrt und fährt es dann auch.


    ------------------------


    Das Thema entstand aus eigenen Erfahrungen:
    - Auf der Hinfahrt stellte es sich heraus, dass der "Routenplaner" (Mensch) eine 4-Meter-Brücke "übersehen" hatte. Mitten auf der Strecke musste also der 4-Meter-Aufbau demontiert werden, um unter der Brücke hindurch zu kommen.
    - Die "hintere Besatzung" warf Süßigkeiten nach vorne vor das Fahrzeug. Von der Polizei kam eine entsprechende "Abmahnung". Ohne Sprechfunk nach hinten waren die Anweisungen aber schlecht weiter zu geben, da der Umgebungslärm relativ hoch war.
    - Trotz "Polizei-Geleit" sprangen immer wieder Kinder vor den Wagen. Notbremsungen waren immer wieder nötig.
    - Beifahrertür brachte mir "Besuch ein".. bis ich sie verriegelte.
    - Die reine "Umzugsfahrt" dauerte über 3,5 Stunden unterhalb Schritttempo .. und das Ende war nicht abzusehen, weil die Organisatoren immer noch eine weitere "Ehrenrunde" fahren ließen.
    - Insgesamt hat die "Fahrt" von 8 Uhr morgens bis um 21 Uhr abends gedauert. Und dabei war das Gespann sogar noch in "relativer Nähe" zum Veranstaltungsort.


    Würde ich es wieder machen ?
    Mit dem heutigen Wissen ja... aber nur wenn ich mir das Zugfahrzeug aussuchen und alles Notwendige selbst vorbereiten könnte.
    Einfach ein "hier hast du, fahr los" würde ich nicht akzeptieren


    Original von "Ratgeber" Sonntag, 10. Februar 2013, 08:25 Was ist beim Fahren eines Karneval-Wagen zu beachten ? - Die "5. Jahreszeit" - Ratgeber---Forum.de