Wie es mit den Handys begann

  • Im Folgenden berichte ich aus eigener Erfahrung, wie es damals war, als die Handys aufkamen.


    Wir schreiben das Jahr 1994
    In Firmen hat das Telefax mittlerweile die Postkarte abgelöst. BTX hat sich nicht flächendeckend durchgesetzt und das Internet ist noch nicht bekannt.
    Computer werden nur zum Arbeiten oder zum Spielen benutzt. Computer, die eine Soundcard haben, werden vom Finanzamt nicht als Arbeitsmittel anerkannt.


    Mobiltelefone für Festnetztelefone gibt es noch nicht.Funkfrequenzen waren nur ganz bestimmten anderen Geräten vorbehalten.
    Das höchste der Gefühle sind kleine Handapparate, die eine Tastatur direkt im Hörer eingebaut haben. Endlich muss man nicht mehr warten, bis die Wählscheibe sich zurück gedreht hat bevor man die nächste Nummer eindrehen kann.


    "Richtige Mobiltelefone" gab es nur als Einbau im Auto (Autotelefon) oder als Koffergeräte, die so groß und schwer wie eine Autobatterie waren, auf die man ein Telefon montiert.


    Mobiltelefonieren war sowohl extrem teuer als auch umständlich. So ein "Koffergerät" lief damals noch im analogen C-Netz und hielt, trotz seiner Größe, auch keinen Tag durch.


    Aber es gab auch schon "richtige Handys"
    Sie waren aber extrem teuer, weil sie nicht subventioniert wurden. Zudem lag die Grundgebühr anfangs bei rund 100 Euro im Monat und die Telefonminute konnte auch zwischen 0,50 und 2 Euro kosten.


    Es ist klar, dass ein Handy damals eher ein Statussymbol war, das sich nicht jeder leisten konnte, wollte und musste.


    Kennt noch jemand die Firma "Ericsson"?
    Die hat damals begehrte Business-Handy der Oberklasse hergestellt. Die Antenne war breit und flach und außen angebracht und musste nur rauf oder runter geklappt werden.


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    Wir schreiben das Jahr 1995.


    In diesem Jahr begann meine persönliche Erfahrung mit Handys.


    Größe und Gewicht
    Nimm dir mal ein einfaches Handy. Wie viel wiegt das und wie viel wiegt dein Smartphone ?
    Und nun nimm dein DECT-Telefon von zu Hause und schau dir mal an wie riesig das ist.


    350-550g schwer und so groß wie ein DECT-Telefon, das nannte man damals "Handy".
    So ein großes 1/2 Kilo Handy trägt man nicht in der Hosentasche spazieren. Man braucht extra Holster oder Gürteltaschen.


    Handy-Besitzer erkannte man also gleich an der ausgebeulten Anzugjacke oder am Gürtelholster.


    Standby-Zeiten
    Wenn man es sparsam benutzte, kam man mit einem Nokia 2110i (das war damals am meisten verbreitet) ca. 6 Stunden aus. Nach 3-4 Stunden aufladen war es dann wieder betriebsbereit.
    Wer mehr Nutzungszeit brauchte, musste sich einen extra großen Akku kaufen. Der Akku war noch einmal so dick wie das Handy selbst und damit schaffte man dann auch schon 10-12 Stunden. Dafür wog das ganze Konstrukt auch schon fast 1 Kg und passte in keine Handytasche mehr.


    Wer im Auto unterwegs war, hatte immer eine Ladestation dabei, damit er das Gerät unterwegs nachladen konnte.



    Zubehör


    Ladegerät
    Für jedes Handy brauchte man ein eigenes Ladegerät für dieses Modell. Im Ladegerät war auch die Lade-Überwachung untergebracht. Selbst die Ladegeräte waren deshalb sehr groß und schwer.


    Auto-Ladegerät
    Die einfachen Geräte waren nicht viel mehr als ein Handyhalter mit Stromanschluss.
    Auto-Ladestation mit Antennenanschluss und Lade-Überwachung.


    Antennen
    Damals gab es noch Außenantennen für Handys. Die waren auch sehr sinnvoll, wenn man zum Beispiel im Auto oder im Haus erreichbar sein und telefonieren wollte.


    Handy-Taschen
    Handy-Taschen waren ein Muss. Die Geräte waren so schwer, dass sie nur selten mehr als einen Sturz überstehen konnten.


    Große Zusatz-Akkus
    Wenn das Handy länger als 4 Stunden halten sollte, brauchte man besonders große Akkus.


    Technik-Zusatz-Infos
    Damals gab es überwiegend Nickel-Cadmium Akkus.
    Sie haben einen sehr großen Memory-Effekt und halten auch nicht sehr lange.


    Die meisten Ladegeräte waren ganz einfach gestrickt.
    Sie prüften nicht die Akku-Kapazität, sondern hatten nur einen Timer eingebaut. Man konnte deshalb einen Akku damals mühelos überladen indem, man sie einfach (nachdem man etwas Strom verbraucht hatte) wieder an das Ladegerät hängte.
    Wurde der Akku dann heiß, wusste man, dass er wieder komplett voll war.


    Weil die Akkus auch voll nicht lange hielten, lud man sie auch bei geringsten Verlusten wieder nach. Dass dadurch die Akkus geschädigt wurden, nahm man als "akzeptabel" hin. Mindestens ein neuer Akku pro Jahr war durchaus üblich. Der alte müde Akku wurde dann als Notfall-Reserve genutzt.


    Damalige Handy hatten einen enormen Stromverbrauch.
    Einerseits war die Elektronik noch nicht so weit und andererseits waren auch die SIM-Karten noch auf 6V-Basis. Die 3V-Karten wurden erst in den 2000er Jahren eingeführt.
    Als die Displays dann irgendwann farbig wurden, fraßen sie das, was man durch bessere Technik eingespart hatte, wieder auf.


    Was konnte man damals mit dem Handy ?
    Telefonieren, Telefonnummern und Termine speichern.
    Später konnten die Handys sogar SMS empfangen .. und je nach Modell sogar selber senden.



    Netz-Verbreitung und Qualität in den 1990er Jahren
    Zuerst gab es das D1-Netz der "Deutsche Telekom". Danach kam das D2-Netz von "Mannesmann"


    Der Netzausbau fand damals irgendwie nach dem Zufallsprinzip statt.
    Während sich das D1-Netz erst einmal auf die große Städte konzentrierte, war man mit D2 entlang der Hauptautobnahnen erreichbar.


    Mein Kollege und ich waren damals von Berufs wegen oft in Deutschland unterwegs. Gleiches Handymodell, Außenantennen auf dem Dach fuhren wir teilweise gleichzeitig eine Zeit die gleiche Strecke mit Transportern hintereinander und nebeneinander her. Einer hatte D1 und der Andere D2 im Einsatz.


    In einem Fall wollten wir uns gegenseitig anrufen. Keine Verbindung obwohl wir nur 2 Meter voneinander entfernt nebeneinander fuhren. Zum Glück konnten wir uns ja noch per Zeichensprache verständigen.


    .....


    Im Westen von Deutschland waren die Netze einigermaßen gleich weit ausgebaut. Ein Flickenteppich, bei dem man eigentlich beide Netze brauchte, wenn man durchgehend erreichbar sein wollte. Selbst in Großstädten gab es weiße Gebiete in dem das eine oder das andere Netz nicht funktionierte.
    Während das D1-Netz (gefühlsmäßig) jedoch nur langsam voran kam, verbreitete sich D2 relativ schnell und weit.


    Kam man jedoch in den Norden oder Osten, war D1 dominant vertreten. Als die sogenannte Wende/Wiedervereinigung kam, musste die Telekom alle neu hinzu gekommenen Bundesländer mit Telefon versorgen. Die Teklekom war damals noch staatlich (meine ich jetzt) und musste einen Versorgungsauftrrag erfüllen.


    Da man nicht so schnell Leitungen legen kann, wie man Funkmasten aufbauen kann, wurden die "neuen Bundesländer" zuerst mit Mobilfunk versorgt. Nebenbei wurden dort dann auch überall Glasfaserkabel verlegt. Das Modernste, was damals am Markt war.


    Mannesmann dagegen orientierte sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und baute daher nicht so schnell aus.
    Wer "im Osten" unterwegs war, war also besser mit D1 bedient.


    .....


    Die Verbindungsqualität der D-Netze war damals bedeutend besser als mit dem C-Netz.
    Zum Vergleich:
    C-Netz war in etwa so als wenn man manuell einen Radiosender sucht. Immer wieder Rauschen und andere Nebengeräusche und die Lautstärke konnte auch schon einmal drastisch variieren.


    Die damaligen D-Netze waren da schon besser.
    Klare Übertragung in gleichbleibender Lautstärke. Wenn die Verbindung schlecht wurde, merkte man es, weil der Gesprächspartner plötzlich nicht mehr komplett zu hören war.
    Im Gegensatz zu heute brach dann das Gespräch nicht komplett ab, aber es wurde schwerer sich zu verständigen. Wenn plötzlich Störgeräusche auftauchten wusste man, dass des Gespräch gleich weg sein würde.


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    Handy-Kosten


    Subventionierung
    Subventionierte Handys gab es erst später. Als es dann begann, musste man trotzdem noch einige Hunderter (DM) bezahlen. Die 1-DM-Handys kamen erst viel später.
    Ohne Subventionierung hätten sich Handys nie so verbreitet. Einen "schlappen Tausender" musste man damals ohne Subventionierung schon auf den Tisch legen.


    Grundgebühren
    Prepaid gab es noch nicht. Anfangs gab es 1-Jahres-Verträge, danach wurden aber die 24-Monats-Verträge üblich. Nur die konnte man sich als Privatmensch leisten.
    Ohne Langzeitvertrag konnten sich faktisch nur Firmen Handys leisten. Dafür bekamen sie dann aber, je nach Anzahl der Handys gestaffelte, niedrigere Grundgebühren.


    Für meinen ersten Handyvertrag zahlte ich damals 49,90 DM (ca. 25 €) im Monat .. nur damit ich eine aktive Handynummer und Karte hatte.


    Telefonkosten
    Je nach Grundgebühr hatte man eine andere Taktung. Sekunden genaue Abrechnung = hohe Grundgebühren.
    Mein erster Vertrag rechnete "minutengenau" ab. Für die erste Minute zahlte ich immer voll - egal wie lange das Gespräch dauerte. Erst danach wurde im 15 Sekunden-Takt abgerechnet.
    Die Minute kostete mich damals 1,99 DM ( ca. 1 Euro)


    Weil die Telefonkosten so hoch waren, fasste man sich immer kurz. Man telefonierte im Telegramm-Still: Kurz und knapp und nur das was wirklich wichtig oder dringend ist.


    SMS-Gebühren
    SMS waren optimal, wenn der Andere gerade kein Netz hat. Kommt er wieder in eine versorgte Zone, bekommt er die Nachricht.
    Anfangs sprach man mir immer auf die Mailbox. Weil Telefonieren teuer war, gab es oft nur ein "ruf zurück" zu hören. Dafür musste ich dann 1,99 zahlen, in der Firma anrufen .. um dann zu hören "hat sich erledigt".
    3,98 DM (2 Euro) weg für nichts.


    Mich kostete die SMS damals jedoch nur 0,20 DM (0,10€) also nur 10% von einer Telefonminute. Eingehende SMS sagen mehr aus und man kann auf die gleiche Art antworten. Also erzog ich alle in der Firma dazu, in Zukunft SMS zu senden.


    Bei D2 gab es damals eine Staffel:
    Bis 100 SMS zahlte ich die regulären 0,20 DM. Ab der hundertsten wurden jedoch nur 0,002 DM ( 1 Cent) berechnet. Es ist ganz klar, dass SMS zu schreiben "extrem viel billiger" war als zu telefonieren.
    Ab dann wurde ich zum SMS-Vielschreiber und konnte jeden Monat 4stellige SMS-Werte auf der Abrechnung sehen. Trotzdem hatte ich immer 3stellige Handy-Rechnungen (obwohl die SMS ja nur 1 Cent kostete)


    Handy im Ausland
    Damals war es besser, wenn man das Handy im Ausland komplett abschaltete. Man zahlte Auslandsaufschläge auf jeden Anruf - auch auf eingehende Telefonate. Selbst der Empfang von SMS kostete Geld.


    Als ich mehrere Wochen in Luxemburg arbeitete, habe ich mir dort eine Karte geholt. Dort gab es schon Prepaid, aber die Karten waren teuer.
    Wer mich anrufen wollte, musste dann eben ins Ausland anrufen und die entsprechenden Gebühren selber zahlen.


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    Reseller


    Märkte und Discounter
    Sie boten subventionierte Handys mit Vertrag an. Oft hatten sie nur ein Abkommen mit einem Netzbetreiber, so dass man keine Wahl hatte, welches Netz man nehmen sollte. Es gab ja bei ihm nur das eine.


    Mobilcom
    Hier bin ich jetzt nicht sicher, ob es wirklich diese Firma war. Die Daten bei Wikipedia stimmen jedoch mit meinen Erinnerungen großteils überein.
    Unabhängig davon gab es anfangs nur eine Firma, bei der man gleichzeitig Verträge alle Netze bekommen konnte. In Zeiten in denen das Internet noch eher chaotisch war und man nichts gezielt finden konnte, konnte man nicht einfach eine Karte aufrufen um zu sehen, ob in der eigenen Region das angebotene Netz überhaupt Verbindung hat.
    Man musste also alles selbst probieren und ging dann das Risiko ein, dass man mit dem ausgewählten Netz überhaupt keine Verbindung bekommt.


    Diese erste Firma bot jedoch einen Wechsel des Netzes an. Das kostete zwar auch extra Geld und auch die anderen Gebühren waren nicht günstig, aber besser als wenn man jeden Monat für einen Vertrag zahlen soll, mit dem man nichts machen kann.
    Reseller waren damals teurer, weil sie anfangs noch keine besonders guten Konditionen bekamen. Es war eben eine neue Idee, bei der sie auch etwas verdienen wollten.


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    Besondere Handys damals ?


    Handy mit normalen Batterien
    Die schwachen Akkus waren damals das Hauptproblem. Das war damals genauso schlimm, wie heute mit den modernen Smartphones.
    Neben Zusatzakkus gab es auch Handys, die gar keinen Akku hatten. Sie wurden mit ganz normalen Batterien betrieben.
    Damals gab es keine Akkus in Batterieform. Die damaligen Akkus waren nur für die Nutzung in Handys konzipiert und deshalb immer eckig .. obwohl sich im Innern auch normale runde Zellen befanden, die jedoch nicht genormt waren.

    Man musste also wirklich immer Batterien kaufen.
    Obwohl solche "riesigen Handys" auch heute noch eine Lösung wären, haben sie sich nicht durchgesetzt. Die Stromkosten waren einfach exorbitant groß
      
    C-Netz-Handys
    Obwohl das Ende vom C-Netz schon feststand, wurden doch noch Handys mit C-Netz entwickelt und auf den Markt gebracht. In Regionen, die kaum mit D-Netz versorgt waren, war das oft die einzige Möglichkeit mobil telefonieren zu können. Lieber schlechte Qualität als gar keine.
    C-Netz-Handys haben sich kaum verbreitet oder durchgesetzt. Sie kamen einfach zu spät.




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    Wie war/ist das eigentlich, wenn man unterwegs nicht erreichbar ist ?
    Heute kann man sich fast nicht mehr vorstellen und erlebt es nur, wenn der eigene Akku leer ist. Im Notfall kann man dann aber fast jeden Anderen fragen. Handys haben selbst kleine Kinder schon.


    Wollte man damals von von unterwegs telefonieren, musste man eine Telefonzelle suchen. Dafür brauchte man Kleingeld oder eine Telefonkarte. Besser man hatte beides dabei, weil die Telekom mal dieses und mal jenes System aufstellte.
    Telefonkarten waren Prepaid. War nicht genug drauf, musste man den Anruf unterbrechen und ein Münztelefon suchen.


    Weil man ja nicht selbst erreichbar war, konnte man auch nicht angerufen werden. Wer Kontakt zur Firma halten wollte, musste also immer wieder anrufen, ob es etwas Neues gegeben hat.


    Das Leben war einerseits entspannter, weil man ja nicht immer wieder angerufen werden konnte.
    Hatte man keine Lust auf den Chef, brauchte man sich ja nur nicht in der Firma zu melden.
    Gerade Außendienstler und Berufskraftfahrer hatten dadurch einen ruhigeren Arbeitsalltag. Sie hatten keinen Chef im Nacken, der immer wieder fragte, wo man sich gerade befindet.


    Beiden Berufsgruppen konnte es aber immer wieder passieren, dass am Ziel bereits eine Nachricht für sie wartete. Chefs waren damals auch nicht auf den Kopf gefallen. Man muss ja nur ein Fax an den Kunden senden, der es dann weiter gibt wenn der Fahrer angekommen ist.


    Andererseits blieb man auch länger in Ungewissheit, wenn man auf eine wichtige Info wartete.
    Rief man von unterwegs nicht selbst an, bekam man ja keine Info.


    Die ständige Erreichbarkeit hat heutzutage fast überhand genommen.
    Es gibt überall Netz und man ist per Telefon, Messenger und Mail immer erreichbar.
    Wenn der Chef wissen will, wo du gerade bist.. dafür gibt es GPS und Apps. Firmenhandys sind deshalb oft derart gebranded, dass man diese Funktionen nicht deaktivieren kann.. oder es ist untersagt.


    Die Firma ist der Eigentümer des Handys, informiert den Nutzer dann über das was aktiviert ist und damit ist der Rechtspflicht Genüge getan. Oft findet so etwas im Arbeitsvertrag selbst wieder.
    Die Firma forscht in dem Fall nicht nach, wo der Mitarbeiter ist, sondern nur wo sich das Handy. So etwas wird als "Diebstahlsicherung " deklariert, kann aber jederzeit anderweitig genutzt werden.


    Um solchen Sachen zu entgehen gibt es nur eine Lösung:
    Firmen-Handy rigoros ablehnen oder zwischendurch komplett abschalten. Wenn dann gefragt wird, war eben der Akku leer. Das darf natürlich nicht zu oft passieren und wird in einigen Jahren auch nicht mehr funktionieren... wenn moderne Smartphones endlich auch eine Standby-Zeit von 1 Monat haben wie die modernsten Handys vor der Smartphone-Ära.