Reichsbürger und Selbstverwalter

  • Reichsbürger
    Reichsbürger erkennen weder die Bundesrepublik Deutschland, noch ihre Gesetze, Obrigkeiten oder Institutionen an. Für sie ist die Bundesrepublik Deutschland nicht der Rechtsnachfolger des "Deutschen Reichs".


    Mit dem Begriff "Deutsches Reich" tue ich mich selbst auch etwas schwer. Als erstes fällt mir dazu natürlich das "Dritte Reich" ein. Direkt danach besinne ich mich aber darauf, dass es vor der Weimarer Republik die Monarchie "Deutsches Reich" gab.


    Reichsbürger fertigen ihre selbst erstellten Dokumente in Frakturschrift aus. Dies ist die Schrift, wie sie noch im Kaiserreich üblich war. Im sogenannten "Dritten Reich" war sie "unerwünscht" und Antiqua wurde als "Normalschrift" vorgegeben.
    Quelle für die Verwendung von Frakturschrift: Wikipedia   
    Die Schrift als Anhaltspunkt genommen, sind Reichsbürger also nicht als Neonazis anzusehen... und wenn Neonazis etwas mehr über ihr "Vorbild" wüssten, würden sie die Frakturschrift ablehnen, die sie benutzen. :teufel:
    ....


    Wieso könnte ein Reichsbürger zu seiner Einstellung kommen ?
    Ich versuche es jetzt einmal aus der Warte eines Reichsbürgers zu betrachten, möchte jedoch vorweg schicken, dass ich persönlich nicht diese Ansichten teilen kann.


    1) Die Bundesrepublik Deutschland konnte nicht der alleinige Rechtsnachfolger sein
    Als der zweite Weltkrieg endete, wurden zwei deutsche Staaten gegründet. Die Gründung geschah im Bereich der jeweiligen Besatzungszonen West und Ost. Zwei Staaten können nicht gleichzeitig Rechtsnachfolger eines Vorgängerstaates sein.


    2) Es gab zwar ein Ende des Krieges, jedoch nie einen offiziellen Friedensvertrag
    Einerseits haben wir hier wieder das Problem der Rechtsnachfolge. Einen offiziellen Friedensvertrag kann nur ein in einen Krieg verwickeltes Land abschließen. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch die Deutsche Demokratische Republik konnten daher einzeln stellvertretend einen solchen Friedensvertrag unterzeichnen.


    3) Die Bundesrepublik Deutschland hat keine Verfassung
    Eigentlich hat jedes demokratische Land eine Verfassung. Die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch keine, sondern nur das Grundgesetz. Der Begriff "Verfassung" wurde nicht benutzt, da man damals noch davon ausging, dass die beiden deutschen Staaten recht schnell wieder zu einem einzigen werden würde. Danach wollte man eine Verfassung für ganz Deutschland verabschieden.
    Man hatte ja nicht vorhersehen können, dass es viele Jahrzehnte dauern würde an deren Ende kein gemeinsamer neuer Staat gegründet wurde, sondern dass sich der kleinere deutsche Staat dem anderen anschließen würde.


    In den letzten fast 30 Jahren wurde keine Verfassung verabschiedet. Auch wenn das Grundgesetz heute wie eine Verfassung betrachtet wird, ist es trotzdem keine. Ganz kritisch betrachtet würde es damit auch keinen demokratischen Staat Bundesrepublik Deutschland geben.


    Wenn man diesen Argumentationen folgen will, wird man sich denken, dass es keinen rechtsgültigen Nachfolger eines Deutschen Reichs gibt. Weiter in dieser Denkweise verfallend, würden als die alten Gesetzes des Reiches ungültig geworden sein, weil es kein Reich mehr gibt, das sie durchsetzen kann. Gleichzeitig sind aber auch die aktuellen Gesetze ungültig, weil es kein Land gibt, das das Recht dazu hätte.


    In seiner ganz eigenen Denkweise fühlt sich also ein Reichsbürger einem untergegangenem und nicht mehr existenten Reich zugehörig und kann bzw. nicht anerkennen, dass die heutigen Gesetze auch für ihn Gültigkeit haben sollen. Ein Reichsbürger fühlt sich also in einem rechtsfreien Raum, den er, zusammen mit anderen, wieder neu regeln muss.


    Das ureigene Ziel eines Reichsbürgers ist, wieder ein "Deutsches Reich" herzustellen.


    Selbstverwalter müssen nicht unbedingt auch Reichsbürger sein
    Selbstverwalter haben zwar durchaus eine ähnliche Denkweise wie Reichsbürger. Sie unterscheiden sich jedoch von ihnen indem sie kein "altes Reich" wieder herstellen wollen, sondern nach eigenen Kräften und auf eigenem Grund und Boden einen neuen Kleinstaat etablieren wollen.
    Dieses Fleckchen Erde möchten sie gerne wie ein eigenes Land gestalten und organisieren.


    Es gibt Selbstverwalter, die daraus einfach eine kleine Geschäftsidee gemacht haben.
    Sie haben sich ein großes Areal gekauft und richten dort alle möglichen Behören ein. Natürlich haben sie auch eigene Gesetze (die eigentlich die gleichen wie drumherum sind) eigenes Geld, Steuern, Polizei, Gericht, Krankenhaus usw und sogar eigene Armee und Grenzbeamte.


    Man kann solche kleinen "Länder" gegen Eintritt betreten und besichtigen. Für die Selbstverwalter ist das eigene Land einfach nur ein kleiner Spleen, der ihnen den Lebensunterhalt zu bestreiten hilft.


    ............


    Gegen den kleinen Spleen oder Hobby, ein "eigenes Land haben zu wollen", hätte eigentlich keiner etwas. Es macht das Leben bunter und interessanter.
    Das Ansinnen eines extremen Reichsbürgers ist es jedoch, die Ordnung, wie wir sie kennen, abzuschaffen. Sie erkennen nicht an, dass auch sie sich an die Gesetze halten sollen.


    Aber ....
    Ganz so einfach kommen sie damit auch nicht durch. Reichsbürger, die Waffen besitzen wollen (zum Beispiel zur Jagd oder zur Ausübung sonstiger Berufe, bei denen man eine braucht) müssen sich nach den Gesetzen richten, die sie eigentlich gar nicht anerkennen.


    Es ist ganz klar, dass ein Reichsbürger nicht bei einer kommunalen Einrichtung oder Behörde arbeiten darf. Wie soll er Recht durchsetzen, dessen Rechtmäßigkeit er anzuerkennen ablehnt ? Schon aus der Sicht eines "ordentlichen Reichsbürgers" müsste er sofort seinen Beruf aufgeben, sobald er sich als Reichsbürger zu fühlen beginnt. Wer das jedoch trotzdem nicht macht, ist eigentlich ein "Verräter an der Sache der Reichsbürger"


    Wenn man es ganz genau nimmt, darf sich ein Reichsbürger nicht als Deutscher bezeichnen, hat keinen Anspruch auf Rente oder Sozialleistungen und muss zuerst einmal einen "Friedensvertrag" mit den nächsten Nachbarländern abschließen, bevor er aus dem "Ausland" Wasser, Strom oder anderes beziehen kann. Ohne Friedensvertrag kann das "andere Land" die Versorgung jederzeit einstellen.


    Das verstößt gegen geltendes Recht ? Aber auf keinen Fall. Dein Recht hat nur bei dir Bestand und anderes Recht willst du ja nicht akzeptieren .. ergo kannst du dich auch nicht darauf berufen :auslach2:


    xxxxxx


    Die "Reichsbürger-Bewegung" gibt es schon länger. Man ließ sie jedoch unbeachtet, da es sich anfangs nur um ein paar Außenseiter und Egozentriker handelte. Erst mit wachsendem Unmut über Regierungsentscheidungen bekam sie Zulauf und wurde allgemein bekannt.


    Aktuell wird die Zahl mit rund 19.000 beziffert, von denen rund 940 Personen rechtsgültig eine Waffe besitzen.
    Von der Gesamtzahl her handelt es sich um eine zu vernachlässigende Anzahl, von denen jedoch rund 5% im Waffenbesitz sind und durchaus auch extreme Ansichten vertreten könnten.