Telefonieren bevor es Smartphones gab

  • Wir schreiben das Jahr 2019. Vor rund 10 Jahren kamen die ersten Smartphones auf den Markt und haben in dieser Zeit eigentlich alles verändert. Aber es gab auch eine "Prä Smartphone Ära". Die Zeit als das Smartphone noch nicht erfunden war.


    Wer jetzt denkt, ich wolle Geschichtsunterricht betreiben, irrt sich. Das Telefon selbst wurde zwar schon vor urlanger Zeit erfunden. Wirklich verbreitet hat es sich jedoch erst seit den 1980er Jahren. So lange ist das doch gar nicht her.


    Die 1980er Jahre

    Am Anfang hatten nur Firmen Telefon. In Privathaushalten waren sie noch nicht so besonders weit verbreitet. Es reichte doch, wenn man jemanden kannte, der ein Telefon hatte. Bis auf Notfälle hatte man es ja auch nicht nötig. Für alles andere konnte man ja einen Brief oder eine Karte schreiben. :BoyBrief:


    Die Zeit war, aus heutiger Sicht, insgesamt viel entspannter. Man lebte zwar auch schon nach der Uhr, aber die war damals meistens noch analog. So ganz genau auf die Minute achtete man damals noch nicht.

    Auch das Telefonieren mit den Wählscheiben-Telefonen war nichts für Hektiker. Man steckt einen Finger in die Aussparung der Wählscheibe, dreht die Scheibe von dort aus bis zum Anschlag nach rechts und lässt die Scheibe dann los. Langsam kehrt sie in die Ausgangsstellung zurück und dann kann man die nächste Ziffer anwählen.


    Zitat

    Was meint ihr, weshalb der Polizei-Notruf 110 und der für die Feuerwehr 112 ist ?

    Die 1 liegt direkt vor dem Anschlag einer Wählscheibe, Sie dreht sich auch am schnellsten in die Ausgangsstellung zurück. Danach die 2 und so weiter. In wirklichen Notfällen waren also Wählscheiben-Telefone durchaus ähnlich schnell wie heute ein Telefon mit Tastenfeld.

    Die Null am Ende sorgte dafür, das man noch genügend Zeit hatte, den Wahlvorgang doch noch unterbrechen zu können, so dass man nicht leichtfertig die Polizei rief.


    Weil schon das Wählen so lange dauert, hatte man immer genügend Zeit, sich zu überlegen, ob der Anruf wirklich nötig war. Das war auch gut so, weil das Telefonieren noch extrem teuer war.

    Man zahlte nicht nur nach Zeit, sondern auch nach Entfernung.

    Ein Ortsgespräch war am günstigsten .. falls man dabei auf die Uhr schaute und die volle Zeit ausnutzte. Man zahlte nämlich immer für mehrere Minuten pauschal. Egal ob man direkt nach einem "Hallo" wieder auflegte oder mehrere Minuten sprach. Das ist übrigens auch heute noch so - wenn man einen alten Telefonanschluss hat, merkt man das bei jeder Abrechnung erneut.


    Im ortsnahen Bereich war die Taktung dann schon viel kürzer und die Kosten waren auch höher. So richtig teuer wurde es jedoch bei Ferngesprächen, am besten auch noch ins internationale Ausland. Damals musste man bis zu 9 DM pro Minute bezahlen und schon der Verbindungaufbau wurde mit einer zusätzlichen pauschalen Gebühr berechnet.


    "Fasse dich kurz", der Spruch stammt noch aus dieser alten Zeit.


    Hinweis:

    Der Euro wurde erst 2002 offizielles Zahlungsmittel. Bis dahin zahlte man in Deutschland mit "Deutsche Mark/D-Mark" (DM) und in Österreich mit "Österreichischen Schillingen" (ÖS bzw. ATS)

    Der exakte Umrechnungskurs DM zu Euro beträgt 1,95583 und der Umrechnungskurs von ÖS zum Euro 13,7603.


    Da ich von der Vergangenheit schreibe, benutze ich auch die damals gültige Währung. Eine Tüte Milch kostete damals so viel in DM wie heute in Euro. Ein Liter Benzin kostete auch 1,50 nur eben DM statt EUR. Das Leben war damals also mindestens genauso teuer wie heute. Ihr könnt die Preise also einfach als Euro betrachten. "Passt schon".

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    Irgendwann änderte sich aber einiges. Die "Deutsche Post" übernahm nur noch alles was mit Beförderung zu tun hatte. Telefon und andere Kommunikationsbereiche wurden über die "Deutsche Telekom" betrieben.


    Tastentelefone waren zuvor nicht zulässig gewesen ... auch wenn sie so manch einer aus dem Ausland besorgt und einfach angeschlossen hatte. Endlich waren die Telefone auch nicht mehr fest mit dem Anschluss verbunden, sondern hatten einen Stecker, so dass man jederzeit andere Telefone, oder mehrere, anschließen konnte.


    Gab es damals auch schon mobile Telefone ?

    Ja, in Polizeiwagen war neben dem Funkgerät manchmal auch schon ein Autotelefon verbaut. In Privatwagen waren sie kaum zu finden, weil es einfach viel zu teuer war. Für ein Autotelefon legte man fast so viel hin, wie ein ganzes Auto kostete.


    Die 1990er Jahre

    In diesem Jahrzehnt war ein Telefon schon nichts mehr Besonderes. Es war in jedem Haushalt zu finden.

    Kurz zuvor hatte es die sogenannte "Wiedervereinigung" gegeben. 1989 wurde aus der "BRD" und der "DDR" die heutige "Bundesrepublik Deutschland".


    Glasfasernetze waren gerade der neueste Schrei. Da man die "neu hinzu gekommenen" Bundesländer technisch aufrüsten und modernisieren musste, wurden dort zuerst Glasfasern für Telefon und Kabel-TV verlegt. Das war auch gut so, weil man auch ca. zu dieser Zeit die Telefonnetze zu digitalisieren begann.

    Eigentlich war damals PCM-Technologie längst schon ein alter Hut, aber im zivilen Bereich eben eine Neuheit. Jetzt war die Bahn frei für ISDN und andere Neuheiten.


    Mobile Telefone waren mittlerweile wirklich tragbar geworden

    Wer jedoch an ein Mobiltelefon wie heute denkt, ist schief gewickelt. "Tragbar" heißt nur, dass man kein Auto mehr für den Transport benötigt.

    Größe und Gewicht entsprachen eher dem einer großen Autobatterie. Innen befand sich ein schwerer Blei-Akku und die Sende- und Empfangseinheit. Außen der Hörer mit Tastenfeld und Gabel (auf die man ihn immer noch auflegen musste) und die Antenne, die man erst heraus ziehen oder aufrichten musste.


    Mit bis zu 15 Kilogramm Gewicht war das wirklich kein Gerät, das man überhall herum trägt. Der Akku reichte vielleicht für einen Tag Standby. Jede Minute Telefonieren sorgte dafür, dass er noch schneller leer wurde.

    Die Telefon-Koffer stellten ihre Verbindung noch über das analoge Funknetz her. Man konnte sich verstehen, aber von einer heutigen Telefonqualität war man noch weit entfernt.

    Der Vorteil war aber, dass man nicht "plötzlich kein Netz mehr hat". Es ging darum, einfach nur irgendwie telefonieren zu können. Da spielte Rauschen keine große Rolle. Kam man aus dem Empfangsbereich heraus, brach das Gespräch nicht einfach ab, sondern wurde einfach immer mehr durch ein Rauschen überlagert.


    Das C-Netz gibt es nicht mehr. Wer das damalige mobile Telefonieren nachempfinden will, kann es mit einem CB-Funkgerät vergleichen.

    CB-Funker waren übrigens damals überall zu finden. CB-Funkgeräte waren das "mobile Telefon des kleinen Mannes".

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    Digitales Mobiltelefonieren wird erfunden

    Zuerst war da natürlich die "Deutsche Telekom" am Werk. War ja auch klar. Schließlich hatte sie alle nötigen Ressourcen für den Ausbau der neuen Funk-Netze. Als erstes Digital-Netz trug ihr Netz die Bezeichnung "D1"


    Die Firma Mannesmann Mobilfunk hatte auch genügend Ressourcen, um ein eigenes digitales Netz aufzubauen. Als Nummer 2 bekam das Netz die Bezeichnung "D2".


    Nun konnte es lustig losgehen, mit dem Erkunden, wo man mit welchem Netz überhaupt Empfang hat. Eins war dabei jedoch immer sicher: Es gibt mehr weiße Flecken auf der Karte als Gebiete, in denen man mit beiden Netzen gleich gut erreichbar war.


    Mobiles Telefonieren war am Anfang noch nichts für den "Normalverbraucher". Zuerst setzten sich die Mobiltelefone in der Geschäftswelt bei jenen durch, die oft unterwegs waren und erreichbar sein mussten.

    Damals waren Handys noch Statussymbole. Die Geräte waren so teuer, dass man sie sich nur leistete, wenn man wirklich das dazu nötige Geld "locker sitzen hatte".


    Handy-Telefonieren wird massentauglich

    Mitte der 1990er Jahre gab es die ersten subventionierten Handys. Damals war das Geschäft mit Mobilfunkverträgen noch voll in der Hand der beiden Netzbetreiber.


    Reseller wie heute gab es eigentlich nicht. Man konnte zwar woanders einen Vertrag abschließen, der jedoch nur im Auftrag des Netzbetreibers abgeschlossen wurde.

    Die Firma bekam ihre Provision und man hatte eine Vertrag mit dem Netzbetreiber.


    Da ein Handy immer noch so teuer war, dass man es sich nie kaufen würde, verschenkte man die Geräte fast, wenn man einen Mobilfunkvertrag abschloss.


    Zitat

    Vertragslaufzeit 1 Jahr. 1 Handy = 1 DM,


    Für 49,90 DM pro Monat erwarb man sich das "Anrecht dazu", auch mobil telefonieren zu dürfen. Die erste angefangene Minute kostete 1,99 DM. Eine SMS kostete 0,20 DM.


    Wer eine kürzere Taktung wollte, zahlte eine entsprechend höhere Monatsgebühr.

    Wir haben hier einen Kostenfaktor, der dafür sorgt, dass man immer joch sehr sparsam mit dem Handy umgeht. Das war nicht im Sinn der Netzbetreiber.


    Schon kurz danach sanken die Gebühren und die Mindestverstragslaufzeit wurde auf 2 Jahre angehoben.

    Nur noch 29,90 DM pro Monat und die Minute nur noch 1 DM.

    Schon lohnte es, sich auch privat ein Handy zu holen.


    Das hieß natürlich nicht, dass mobiles Telefonieren auch nur ansatzweise günstig zu nennen gewesen wäre. 3stellige Rechnungsbeträge waren durchaus noch normal.


    Die SMS boomt

    Weil die SMS damals aber erheblich billiger als das Telefonieren war, setzte sie sich zuerst im Privatbereich durch. Anstatt dass man auf eine MJailbox sprach, schrieb man gleich was los war.


    Zitat

    Das Abhören der Mailbox war damals übrigens kostenpflichtig.

    Wenn jemand nicht erreichbar war, wurde oft nur ein "ruf mich zurück" aufgesprochen.

    Feine Sache, wenn man die Mailbox abhören muss und dann noch einmal Geld für den zweiten Anruf ausgeben darf ... um dann zu hören "ach danke. Hat sich schon erledigt".

    Zweimal Geld rausgeworfen für Nichts :wut:

    Das Problem war damit also auch gelöst. SMS zu schreiben ging schneller als heute eine WA zu tippen.


    Es war eigentlich auch sicherer als zu telefonieren oder als heute eine WA zu schreiben. Man musste nicht auf das kleine Display schauen, sondern sich nur die (überall gleiche) Tastenbelegung zu merken.


    Schau auf ein normales DECT-Telefon. Da siehst du noch, wie damals die Handytasten belegt waren und genauso bediente man sie auch.

    Erst nachdem es T9 gab, musste man auf das Display schauen und das SMS-Schreiben wurde gefährlicher.


    Weil man ja nur ein paar Zeichen zur Verfügung hatte, erfand man die "SMS-Abkürzungen", die wir auch heute noch überall benutzen.


    Die SMS-Abkürzungen wurden später auch die Grundlage für die ersten Smilies - denn per SMS gab es sie schon lange vor dem Internet. :P;)


    Zitat

    "Errungenschaften" der 1990er Jahre, die auch heute noch aktuell sind:

    • monatliche Grundgebühr für die Erlaubnis mobil zu kommunizieren
    • Vertragslaufzeiten von 2 Jahren
    • Subventionierung von Mobile Devices
    • SMS-Abkürzungen
    • Smilies 


    Irgendwann, viel später, tauchten auch noch zwei andere Netzbetreiber auf: E-Plus und E2.

    Das machte es nicht unbedingt einfacher, weil ihre Netze auf anderen Frequenzbändern liefen. Um die nutzen zu können, brauchte man andere Handys. Es gab nämlich damals entweder D-Netz oder E-Netz-Geräte.


    Auch im Ausland funktionierten nicht alle Handys gleichermaßen. Erst als die Quadband-Handys auf den Markt kamen, konnte man jedes Handy in jedem Netz benutzen.


    Wann gab es eigentlich Prepaid ?

    Das ist erst im nächsten Jahrzehnt/Jahrhundert eingeführt worden.

    ......

    Ich könnte jetzt natürlich noch bis zur Erfindung des Smartphones weiter machen. Bis dahin veränderte aber sich nicht so besonders viel.

    - Die Display waren sowieso schon weg vom Monochrom farbig geworden.

    - Einige Handys konnte man schon wie einen rudimentären Computer benutzen.

    - Für Handys wurde ein "eigenes Handy-Internet" erfunden (WAP) das sich aber nie durchsetzte.


    Alles in allem waren das aber eben keine großen Veränderungen. Ein Handy war nur ein mobiles Telefon und das war sein Hauptzweck. Weil es so wenig konnte, brauchte es aber nur wenig Strom und Akku-Laufzeiten von 1 Woche bis zu 1 Monate waren ganz normal.