Wie viel schneller man fahren darf, ohne dafür bezahlen zu müssen

  • Diese Frage trat in einem Telefonat mit unserem User Batschi auf. Vorweg ein paar Punkte, die man wissen sollte:


    - Tachos dürfen nie ein geringeres Tempo anzeigen, als man gerade fährt

    Nach oben sind jedoch Abweichungen zulässig, die sich je nach dem Herstellerland richten. Für deutsche Fahrzeuge gilt "7% vom Tacho-Endwert". Zeigt der Tacho also einen Endwert von 200 km/h, darf der Tacho um 14 km/h zu viel anzeigen. Fahrzeuge aus anderen Herstellerländern dürfen bis zu 15 km/h zu viel anzeigen. Rechnet man es mal so durch, sind allgemein rund 15 km/h als "zu viel" insgesamt zulässig.


    - Bei Radarmessungen werden pauschal 3 km/h von der Messung abgezogen

    Das dient dem Ausgleich von Messungenauigkeiten. Einerseits, damit eventuelle Umwelteinflüsse auf die Messstelle und andererseits und ganz normale Tempoabweichungen auszugleichen.

    Selbst wenn man ein Gaspedal "festnagelt" variiert das Tempo schon um wenige Km/h je nach Straßenzustand und Umweltbedingungen immer leicht.


    - Der Reifenumfang ändert sich immer wieder

    Um das Tempo zu ermitteln, wird einfach gemessen, wie viele Umdrehungen das Rad macht. Bei einem größeren Reifenumfang macht das Rad weniger Umdrehungen und bei einem kleineren Umfang mehr. Mehr Luft aufpumpen als sonst = größerer Umfang. Weniger Profil = geringerer Reifenumfang.

    Wenn ein Tacho wirklich ganz genau gehen soll, müsste also auch der Reifenumfang mit einbezogen werden ... was selbst bei geeichten Tachometern nicht möglich ist.


    - Radargeräte lösen nicht schon direkt ab 1 km/h zu viel aus

    Einerseits muss es sich um eine relevante Abweichung handeln. Andererseits muss der "Erfolg" auch mit dem Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis stehen.

    Vor Beginn der Messungen kann ein fester Auslösewert eingestellt werden.


    5 km/h zu viel sind bei einer Tempo-30-Zone sehr viel. Das sind fast 20% zu schnell

    Auf einer Landstraße mit zulässigen 100 km/h. ist es jedoch verhältnismäßig wenig. Das sind gerade einmal 5%.


    Andererseits muss sich der Aufwand und "Erfolg"auch lohnen. Wenn man nur 5 Euro als Strafe bezahlen müsste, wäre der "Erziehungseffekt" sehr gering. Dafür extra den ganzen Vorgang auszulösen, wäre viel zu viel Aufwand.


    Bisher lohnte es sich also kaum, außerhalb von Tempo-30-Zonen, die Geräte so scharf einzustellen, dass sie bereits ab 11 km/h zu viel auslösen. Mit dem neuen Bußgeldkatalog ändert sich das aber.


    Nimmt man jetzt mal alle diese Fakten - und geht davon aus, dass der eigene Tacho 15 km/h zu viel anzeigt - ergibt sich folgende Rechenformel:

    Angezeigtes Tempo - 15 km/h

    Kulanzabzug - 3 km/h

    Auslösepunkt bei 11 km/h - 11 km/h

    ------------------------------------------------------

    15+3+11 = 29 km/h .. bis 28 km/h zu schnell würde man also ohne Folgen davon kommen.


    Diese Rechnung hat aber viele Fehler !

    Zeigt der Tacho denn wirklich 15 km/h zu viel an ? Meiner schafft nur eine Abweichung von 4 km/h. Vielleicht deiner ja auch ? Dann müssten wir 11 km/h wieder abziehen = 18 km/h "Rest"

    Bist du dir sicher, dass die Anlage erst ab 11 km/h zu viel auslöst ? Vielleicht ist sie ja auf 5 km/h eingestellt. Also ziehen wir besser mal 6 km/h wieder ab = 12 km/h Rest

    Die 3 km/h "Kulanzabzug" sind üblich aber keine Pflicht. Weg damit = 9 km/ Rest

    Im besten Fall würdest du also straflos davon kommen, wenn dein Tacho nur 8 km/h mehr anzeigt als die aktuell zulässige Höchstgeschwindigkeit.


    Wer einen ganz normalen "runden Tacho" hat, wird merken, dass man während der Fahrt 8 km/h dort kaum "anpeilen" oder sehen kann. Gerade im niedrigen Tempobereich, wo es auf jedes Km/h ankommt, ist die Einteilung viel zu grob um so etwas erkennen zu können.


    Wer mit einem Digital-Tacho unterwegs ist - der wirklich exakt zu jeder Sekunde das gerade aktuelle Tempo anzeigt - wird feststellen, dass es kaum möglich ist, das Tempo so genau zu halten. Jede kleine Bodenwelle führt zu einer Geschwindigkeitsänderung (leichte Steigung, erhöhter Widerstand usw.)

    Auto-Tachos zeigen zudem auch nicht jede Sekunde das gefahrene Tempo an, sondern eher einen Mittelwert von einigen Messzuständen.


    Deshalb sollte und kann man nie genau eine Geschwindigkeit fahren, die nur ganz knapp unter dem Tempo liegt, ab dem man eine Strafe zu erwarten hätte.


    Es gibt garantiert viele Tausend Fahrer*Innen, die es schon versucht haben. Schließlich müssen die Fahrgastzuwächse bei den ÖPNV ja irgendwoher kommen. :P:lach:;)