Spanien: Die Lebensart erschwert Corona-Gegenmaßnahmen

  • Damit man schneller verstehen kann, weshalb die Art zu Leben, sich auch auf die Anwendung von Gegenmaßnahmen auswirkt, beschreibe ich einmal ganz allgemein die Art zu leben in Deutschland und Spanien.


    Familiengröße

    In Deutschland und in Spanien haben Eltern ähnlich viele Kinder. Trotzdem ist die "Familie" in Spanien viel größer. Während man in Deutschland bei einer "Familienfeier" vielleicht von 20 nahen Angehörigen ausgeht, zählen 100 Familienmitglieder in Spanien schon als "kleine Feier". Bei einer Hochzeit können durchaus auch einmal 400 Familienmitglieder zusammen feiern.


    Dem Spanier ist allgemein die Familie heilig. Die Kinder haben dabei auch alle Freiheiten und werden zu allen Familientreffen mitgebracht.


    Wohnen und Leben

    Wohnungen in Deutschland haben für alle in der Familie einen Schlafraum und dazu noch ein gemeinsames Wohnzimmer. Man geht zwar auch hinaus, aber das Familienleben findet in der Wohnung statt.


    In Spanien sind die Wohnungen relativ klein. Das eigentliche Leben findet drau0en statt. Abends sitzt man nicht in der Wohnung, sondern draußen mit anderen zusammen.


    Arbeit und Grundversorgung

    In Deutschland gibt es eine Krankenversicherung und auch einen Sozialstaat. Wenn man krank oder in Quarantäne ist, muss man nicht fürchten, verhungern zu müssen. Das Lebensnotwendige an Geld kommt auch herein, wenn man keinen Arbeitsplatz hat.


    In Spanien ist die Versorgung nicht so gut. Aus diesem Grund gehen viele aus Armenvierteln auch illegal arbeiten und man geht auch eher arbeiten als krank zu Hause zu bleiben.

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    Wenn man diese paar Fakten im Vergleich mit Deutschland betrachtet, beginnt man zu verstehen, weshalb es in Spanien viel schwerer ist, die Epidemie zu verlangsamen oder einzudämmen.


    Die Kinder werden ziemlich frei erzogen und sind daher nicht daran gewöhnt, gehorchen zu müssen. Man trifft sich immer wieder mit sehr vielen Familienmitgliedern außerhalb, weil die eigenen Wohnungen viel zu klein sind, um dort wirklich leben zu können.


    Unzählige Menschen haben immer wieder sehr engen Kontakt zueinander, weil es einfach zu ihrer Lebensart gehört. Dazu muss man selbst dann noch zur Arbeit gehen, wenn man eigentlich zu Hause bleiben sollte.

    "Stay at Home" muss unter diesen Umständen eine Qual sein, die man auch nicht lange durchhalten kann - selbst wenn man es ernsthaft wollte.


    In Spanien konnte die Epidemie daher nie so gut eingedämmt werden wie in Deutschland. Während wir in Deutschland aktuell gerade über Maskenpflicht auf Feiern und in Lokalen diskutieren, werden in Spanien gerade wieder ganze Stadtteile komplett abgeriegelt. Man darf die Wohnung nur noch verlassen, wenn man zur Arbeit, Schule oder zum Arzt muss.


    PS:

    Über die Lebensgewohnheiten musste ich mir vieles erst einmal anlesen. Ich habe jedoch auch Kontakt zu Spaniern, die das alles gerade durchmachen müssen.

    In Spanien stehen die Gesundheitssysteme kurz vor dem Zusammenbruch. In Madrider Krankenhäusern sind die Intensivstationen mit Hunderten schwerer Fälle mehr als überfüllt. 


    In der gesamten Bevölkerung herrscht Hilflosigkeit und Angst vor COVID-19

    Es gab dort bisher rund 31.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Corona. Aktuell sind 1/2 Millionen Menschen akut mit Corona infiziert. Die Infektionswege lassen sich nicht mehr nachvollziehen.


    Man hatte allgemein damit gerechnet, dass sich die Situation erst wieder ab Herbst verschärft, jedoch nicht schon im August.