Telematik-Tarif Vorteile und Nachteile

  • Viele Versicherungen bieten einen Telematik-Tarif an. Damit soll man bis zu mehreren Hundert Euro im Jahr sparen können.


    Das Prinzip ist:

    Wer besonders vorsichtig und umsichtig fährt, wird seltener in Unfälle verwickelt. Dadurch sinkt das Risiko, dass die Versicherung einen Schaden begleichen muss. Die umsichtige und gute Fahrweise soll registriert, erkannt und honoriert werden. Die Belohnung ist dann ein Rabatt auf den üblichen Tarif. So weit, so gut.


    Wie kann die Versicherung nun feststellen, wie gut man fährt ?

    Man bekommt ein kleines Gerät, das immer darauf achtet, was man macht. Es misst die Beschleunigung, wie stark man bremst. wie schnell man fährt und wann man eventuell schneller als erlaubt fährt.


    Damit das Gerät aber erkennt, wann man wo zu schnell, muss es auch wissen wo man fährt. Die Standort-Daten werden also durchgehend aufgezeichnet und verglichen - ähnlich als wenn man ein Navigationsgerät benutzen würde.


    Am Ende des Tages erfährt man, wie gut man gefahren ist

    Man bekommt angezeigt, wie gut man in jeder Disziplin war. 100% sind optimal und wer 0% hat - sollte mal überlegen, ob er überhaupt einen Führerschein hat :lach:

    Aus diesen Werten wird dann ein Tages Score errechnet, der an die Versicherung gesendet wird.


    Die Tageswerte werden zu einem Wochenwert. Die Wochenwerte wieder zu einem Monatswert und die Monatswerte werden wieder zu einem Jahreswert. Man hat also immer die Chance, sein Fahrverhalten zu verbessern, um am Ende dann einen guten Jahreswert (Score) zu erreichen.

    Spätestens am Ende des Jahres weiß die Versicherung, ein wie guter Autofahrer du bist.


    Aber, es gibt auch einige Haken


    Starkes Beschleunigen wird automatisch negativ bewertet

    Das Gerät stellt starke Beschleunigungen fest und bewertet sie negativ. "Wer zu stark und schnell beschleunigt, ist ein höheres Risiko"

    Das Gerät weiß aber zum Beispiel nicht, dass du gerade auf einer Autobahnauffahrt bist. Da MUSST du stark und schnell beschleunigen. Das steht faktisch schon in der StVO. Am Ende der Beschleunigungsspur muss man "Autobahntempo" haben.


    Wer auf dem Beschleunigungsstreifen zu langsam beschleunigt, erreicht nicht einmal die 80 km/h, mit der die LKW auf der Autobahn fahren. Du wirst zur Gefahr für alle auf dieser Schnellstraße und gefährdest nicht nur sie, sondern auch dich selbst

    In diesem Fall wirst du also "durch das Gerät" dafür bestraft, dass du vorschriftsmäßig - und ohne eine Gefahr darzustellen - auf die Autobahn aufgefahren bist.


    Eine andere Gelegenheit, bei der man automatisch stärker beschleunigt, ist zum Beispiel dann, wenn man als Linksabbieger durch den fließenden Geradeausverkehr muss, Hier kann man nur "gemütlich beschleunigen" wenn der Geradeausverkehr komplett still steht. Dann blockierst du aber wieder die Querverkehr und die Gefahr steigt, dass du in einen Unfall verwickelt wirst.

    Das "zügige Überqueren" einer Kreuzung wird also auch negativ bewertet.


    Starkes Bremsen wird auch negativ bewertet

    Schau noch einmal oben auf das Beispiel mit der Autobahn und stell dir vor, du würdest gerade an einer Auffahrt vorbei kommen, an der ein Telematik-Fahrer ganz gemächlich und langsam auf die Autobahn fährt.

    Du musst stark bremsen, um einen Unfall zu vermeiden. Starkes Bremsen wird aber als "Fahrfehler" registriert. Auch jede andere Notbremsung, um einen Unfall zu vermeiden, wird dir als "Fehler" ausgelegt.


    Eine höhere Geschwindigkeit ist immer auch ein höheres Risiko

    Laut Telematik ist es also sicherer, wenn du langsamer fährst. Eine Verkehrsbehinderung wegen zu langsamer Fahrweise stellt jedoch eine vermeidbare Gefahr dar - und kann deshalb auch mit einem Knöllchen von der Polizei "belohnt" werden.


    Zu schnelles Fahren wird auch negativ bewertet

    Das Gerät zeichnet meter- und sekundengenau auf, wie lange man zu schnell gefahren ist. Hier kann man dann nur hoffen, dass die GPS-Peilung auf den Meter genau ist.

    Wird das Fahrzeug angeblich hinter einer Tempobegrenzung geortet - obwohl das Schild eigentlich noch weit entfernt ist - stellt das Gerät eine Geschwindigkeitsüberschreitung fest, die es gar nicht gegeben hat.


    Zu dem Thema gab es heute Morgen eine kurze Reportage bei SAT1, bei dem ein Telematik-Tarif getestet wurde. 

    Eine Mitarbeiterin der Versicherung meinte auf die Frage, ob es überhaupt möglich ist, in der Realität in allen Disziplinen 100% zu erreichen ob und ob sie selbst das schafft: "Theoretisch ja. Ich selbst habe es aber noch nicht geschafft."


    Telematik-Tarife werden auf jeden Fall Führerschein-Neulingen empfohlen

    Sie können damit ihr Fahrweise stetig verbessern und gleichzeitig auch die oft horrenden Versicherungsprämien drücken.



    Persönlich

    Ich habe mich gewundert, dass der Tester meinte, es wäre für ihn völlig ungewohnt, in einer Baustelle nur 60 km/h zu fahren. "Als wenn man schleichen würde".

    Für mich ist es ganz normal geworden, mich strikt an Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Ich benutze oft genug während der Fahrt zusätzlich noch einen GPS-Tacho. So habe ich mich mit der Zeit daran gewöhnt, nie zu schnell zu fahren.

    Der Sinn ist aber nur, dass ich keine Lust habe, immer durch "blitzende Radarfallen" zu fahren, von denen es einfach viel zu viele gibt.

    Mit dem Score für Geschwindigkeitsüberschreitungen hätte ich also keine Probleme. 99% müssten da durchaus drin sein.


    Bei den Beschleunig werten würde ich aber wohl ein Problem bekommen.

    Ich fahre regelmäßig auf Autobahnen auf und beschleunige dazu natürlich "Telematik-strafbar" schnell. Auf einer einzigen Langstrecke würde ich (nur durch Autobahnwechsel und -Auffahrten) hin und zurück mindestens 6 "Vergehen" sammeln.

    Da ich mehrmals täglich als Linksabbieger durch den Querverkehr muss, würde ich da auch täglich Minuswerte sammeln.

    Den Rest der Zeit könnte ich im Schneckentempo beschleunigen. Am Ende würde das aber die Beschleunigungsphasen nicht ausgleichen können.


    Auch zu starkes Bremsen kommt zwangsweise öfters vor.

    Auch wenn man umsichtig und vorausschauend, kommt man nicht umhin, immer mal wieder stärker bremsen zu müssen, als man eigentlich geplant hatte. Das passiert sowohl im Stadtverkehr als auch auf Überlandfahrten. Schließlich möchte man sein Fahrzeug nicht mit unachtsamen Fußgängern und anderen Fahrzeugen verzieren.


    Hohe Geschwindigkeiten würden mir auch angekreidet werden

    Ich habe es nie bestritten, dass ich gerne auch einmal schnell fahre, wenn es die Regeln und der Verkehr zulassen. Auch wenn es objektiv ohne Gefahrenmomente stattfinden würde, würde es zu einem negativen Score führen.


    Boah Mann. Was bin ich für ein mieser Autofahrer. 

    Ich halte mich strikt an die Verkehrsregeln und bremse lieber bei Gefahren als in einen Unfall verwickelt zu werden. Im Gegenzug behindere ich keine anderen Verkehrsteilnehmer durch zu langsames Fahren und Beschleunigen.


    Was würde es mir denn wohl bringen, wenn ich fast alles ändern würde ?

    Ich bin schon lange auf der untersten Stufe der Versicherungsprämien angekommen. Punkte in Flensburg kenne ich nur noch vom Hörensagen. Viel Luft nach unten gibt es also eigentlich nicht.

    Ich sehe für mich daher keinen Grund, mich von einer (noch) unzuverlässigen Technik kontrollieren zu lassen.


    Wer aber noch "in höheren Gefilden fährt", für den könnte es sich durchaus noch bezahlt machen.

    So kann man wenigstens so lange Geld sparen, bis man genügend unfallfreie Jahre zusammen hat :thumpu:


    Ich sehe da aber trotzdem noch ein Problem:

    Man wird sich schnell daran gewöhnen, dass man "extra Rabatte" bekommt. Wenn man die Versicherung wechseln will, muss man noch mehr darauf achten, was wirklich unter dem Strich heraus kommt.

    Die schönsten Rabatte nutzen nichts, wenn die Prämien vorher schon höher sind.


    Wir haben hier auch "Berufs-Vielfahrer" unter uns. Mich interessiert natürlich brennend, wie sie die Sache betrachten. :farmer