Gebrauchtwagen ist seltsam günstig. Aufpassen und sich informieren

  • Ein guter Freund fragte heute um Rat zu einem Gebrauchtwagen.


    Der Wagen stand bei einem "Fähnchenhändler". Der Mittelklassewagen sollte gerade einmal 800 Euro kosten.

    Alter und angebliche Fahrleistung passten schon einmal nicht zusammen. Dazu wird so ein Wagen in der Regel für mindestens den dreifachen Preis gehandelt - mit doppelter Laufleistung.


    - Fahrzeugalter ca. 20 Jahre

    - Kilometerstand 105.000

    - Letzter Ölwechsel 08/14 bei Kilometerstand 102.000

    - Starten konnte der Wagen nur mit einer zusätzlichen Hilfsbatterie

    - seltsam surrendes Geräusch bei laufendem Motor

    - oben, bei der Halterung der Kofferraumhaube, befanden sich zwei kleine Wespennester

    - der Wagen hatte an vielen Stellen schon Moos angesetzt

    - die Dichtung der Frontscheibe hing an einer Seite schon lose heraus und in anderen Bereichen waren schon sehr große Lücken.

    - laut Händler war die Batterie leer, weil der Wagen schon 2-3 Jahre nur gestanden hatte.


    Fahrleistung durchschnittlich nur 5,250 Kilometer im Jahr ? Sehr verdächtig.

    Letzter Ölwechsel 7,5 Jahre zuvor und in der Zeit gerade einmal 3.000 Km gefahren ? Da muss etwas nicht stimmen.


    Das "Surren" das ich hörte, wies auf ziemlich beanspruchte Umlenkrollen des Zahnriemens hin. Normalerweise machen die kein Geräusch.

    Für diesen Wagen wurde ein Zahnriemenwechsel alle 120.000 Km oder spätestens nach 10 Jahren empfohlen.

    Der Zahnreimen war also schon lange fällig gewesen. Wenn nicht nach dem Kilometerstand, dann allein schon wegen des Alters.


    Der Wechsel des Zahnriemens kostet bei diesem Wagen schon 750 Euro. Wasserpumpe im Teilehandel um die 80 Euro.

    Nur diese Reparatur würde also schon mehr als der ganze Wagen kosten. :thumpd:


    Dazu kommt natürlich auch ein Ölwechsel.

    Wieder um die 80-100 Euro an Kosten :thumpd:


    Dass die Dichtung der Frontscheibe im Wind flatterte, war auch kein gutes Zeichen.

    Die Frontscheibe ist heutzutage in tragendes Teil. Da musste also auch schon irgendwas passiert sein. Neue Frontscheibe kostet "nur ein paar Hundert Euro" - aber die Arbeitskosten, Dichtungen usw. kosten durchaus noch viel mehr. Wieder mal 300-400 Euro an Kosten, die aber nicht die Versicherung trägt, weil die Scheibe selbst ja unbeschädigt war :thumpd:


    Eine neue Batterie. 80-120 Euro für diese Fahrzeugklasse :thumpd:


    Ganz grob über den Daumen geschätzt, warteten rund 1.200 Euro an Reparaturkosten auf den Käufer. 

    Das wird auch der Grund gewesen sein, dass der Wagen kaum gefahren wurde und Jahrelang nicht verkauft werden konnte.


    Die kleinen Wespennester und das viele Moos, zusammen mit ziemlich verrosteten Bremsscheiben bestätigten die Aussagen des Händlers von einer jahrelangen Standzeit. Die vorderen Scheiben waren auch schon so runter, dass sie getauscht werden müssten und die Bremsbeleg hatten eher die Konsistenz von Moosgummi. Die waren also auch fällig.

    Wieder ein paar Hundert Euro fällig. :thumpd:


    Billige Autos bei "Fähnchenhändlern" haben in der Regel keine HU.

    Das mit der Frontscheibe würde bei der Hauptuntersuchung genauso wie die maroden Bremsen sofort auffallen. Dazu kommen noch die Sachen, die der Prüfer feststellen wird, ich aber nicht auf Anhieb sehen konnte.


    Bevor ich es ganz vergesse: Die große Heckablage fehlte auch.

    Die kann man sich nicht auf dem Schrottplatz holen, weil dieses Fahrzeug nicht sehr verbreitet ist. Wenn man nicht mit einem "offenen Loch" fahren will, legt man da auch noch einmal um die 300-500 Euro auf den Tisch.


    Wenn dieser Wagen endlich komplett "durch-repariert" ist, wird er am Ende dann vielleicht rund 3.000 Euro gekostet haben.

    Der Wagen hat vor 20 Jahren gerade einmal rund 23.000 Euro neu gekostet.


    Das alles soll euch nur zeigen, dass ein "Schnäppchen" auch der totale Reinfall sein kann, wenn man Alter, Laufleistung und typische Wartungskosten nicht kennt oder beachtet.