ÖPNV - Stärken, Schwächen, Fehleinschätzungen

  • ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr)

    Alle öffentlichen Verkehrsverbindungen bis 50 Km, die von Personen genutzt werden können.

    Ist die Entfernung größer als 50 Km oder beträgt die Reisezeit länger als 1 Stunde, spricht man von "Fernverkehr".


    Wer aktuell in diversen Ballungsräumen lebt, wird feststellen, dass seine Bus-, Straßenbahn- U-Bahn- oder Bahnlinie eigentlich kein ÖPNV, sondern Fernverkehr ist, weil man damit für 50 Km mehr als 1 Stunde bis zum Ziel braucht. (Bus/Bahn für 50 Km über 1 Stunde. Flugzeug Köln-München rund 1 Stunde ~ beides ÖPNV bzw. Fernverkehr.)


    Stärken des ÖPNV

    - viele Personen gleichzeitig transportieren

    - weniger Verkehrsraum benötigt

    - weniger Fahrzeuge unterwegs

    - bessere Umweltbilanz (aber nur unter gewissen Bedingungen)


    Die Stärken des ÖPNV können vorrangig in Ballungszentren ausgespielt werden, wo möglichst viele Menschen gleichzeitig das gleiche Ziel erreichen möchten.


    Japan ist das ideale Vorbild: 

    In Tokio laufen die Züge pünktlich auf die Minute und in ganz kurzen Abständen voneinander ein. Ist ein Zug voll, steht nach 10 Minuten schon wieder der nächste in der gleichen Richtung parat.

    Für die Verbindung zwischen Tokio und Oska steht der Hochgeschwindigkeitszug " Shinkansen" bereit. Als Modell "Hayabusa" erreicht er jetzt sogar schon 320 km/h.


    Mit 9,7 Mio EW hat Tokio jedoch rund 3x so viel Einwohner wie die größte Stadt in Deutschland (Berlin)

    Das Ruhrgebiet hat als Ballungsraum 5,1 Mio EW und die Städte bezeichnen sich zusammen auch gerne als "Metropole Ruhrgebiet"

    Mit 4.439 km² ist sie jedoch mehr als doppelt so groß wie Tokio (2.194 km²)


    Tokio stellt den Idealzustand eines funktionierenden ÖPNV dar.

    Der ist aber nur erreichbar, wenn extrem viele Menschen auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche zusammenleben.

    Dieser Idealzustand kann in Deutschland jedoch nicht erreicht werden.

    Dazu müssen erheblich mehr Menschen auf noch kleinerer Fläche leben.


    Japan besteht aus mehreren Inseln. Da musste man in den großen Städten zwangsweise schon immer sehr zusammenrücken. Dieses "ganz nahe Beieinander" gehört daher auch zur Kultur. Auf gleicher Fläche wie Deutschlan leben in Japan 50% mehr Menschen als in Deutschland, die sich zudem auch noch in den Küstenregionen konzentrieren.


    Das ist der Hauptgrund, weshalb der ÖPNV in Deutschland gar nicht seine Stärken ausspielen kann.

    Er kann also nie so optimal alle Stärken ausspielen.

  • Schwächen des ÖPNV

    - er braucht unbedingt sehr viele Fahrgäste

    - er braucht absolute Pünktlichkeit und auch Zuverlässigkeit

    - er braucht kurze Fahrtzeiten

    - er muss kostengünstiger als Individualverkehr sein

    - er muss in jeder Region vorhanden und gleichermaßen nutzbar sein.


    In Deutschland gab es früher das Staatsunternehmen "Deutsche Bahn".

    - in jeder Stadt gab es einen Bahnhof

    - zusätzlich dienten auch "Bahnbusse" und "Postbusse" als Zubringerfahrzeuge zu den Bahnhöfen.

    - die Bahn unterhielt eigene Instandhaltungswerke an diversen Knotenpunkten und auch die Schienentrassen wurden von der Bahn verlegt.

    - sehr viele dort Arbeitende hatten einen Beamtenstatus, der ihnen sowohl den Arbeitsplatz als auch ein gutes Auskommen sicherte.


    So etwas verursacht natürlich extrem hohe Kosten. Die "Deutsche Bahn" war deshalb finanziell "ein Loch ohne Boden". Um alles immer am Laufenden zu halten, mussten immer Abermilliarden investiert werden.


    Der "Beamtenstatus" schien dabei einer der höchsten Kostenverursacher zu sein. Gleichzeitig könnte man die gleichen Aufgaben durchaus auch von der Privatwirtschaft günstiger bekommen, als wenn man alles selbst machen würde.


    Diese Überlegungen führten dazu, dass

    - die "Deutsche Bahn" (teil)privatisiert wurde.

    - der Bahnbetrieb in "Schiene" und "Verkehr" unterteilt wurde

    - der Busverkehr komplett privatisiert wurde (heute fahren die Busse nur noch "im Auftrag der DB"

    - viele Strecken stillgelegt wurden, weil sie unrentabel waren

    - es nur noch in großen Städten Bahnhöfe gibt, an denen mehr als ein Fahrkartenschalter am Gleis vorhanden ist.

    - in die Erhaltung der verbleibenden Strecken nichts mehr investiert wurde


    Heute ist die "Deutsche Bahn" eine Unternehmensgruppe, die faktisch kaputtgespart wurde.

    Das "Loch ohne Boden" ist nicht nur geblieben, sondern sogar noch tiefer geworden.

    Außerhalb von Ballungsräumen ist sie nicht mehr präsent und von einem ÖPNV ist faktisch keine Rede mehr.

  • Fehleinschätzungen


    Wenn mehr Menschen ÖPNV nutzen, ist das besser für die Umwelt als der Individualverkehr

    Das ist soweit korrekt, jedoch sorgen die zuvor genannten Schwächen dafür, dass das gar nicht passieren kann. Wo es keinen funktionierenden ÖPNV gibt, kann er auch nicht genutzt werden.


    ÖPNV muss erschwinglich werden, damit mehr darauf umsteigen

    Während viele Kosten sich im Laufe des Jahres immer wieder ändern, steht jedoch ganz eindeutig fest:

    Für den ÖPNV wird jedes Jahr ab Dezember mehr verlangt.


    ÖPNV ist generell besser für die Umwelt

    Nein, nicht generell!


    1 Diesellok verbraucht pro 100 Kilometer 300-400 Liter Diesel

    1 moderner Diesel-PKW verbraucht pro 100 Kilometer rund 4 Liter Diesel

    Nur um den Gleichstand mit PKW zu erreichen, müssen mit der Diesellok also so viele Fahrgäste wie mit 100 PKW befördert werden. Für den Gleichstand werden also 400-500 Fahrgäste benötigt.


    Eine Diesellok wiegt 120 Tonnen.

    Pro Waggon werden 100 Personen befördert. Jeder Wagon wiegt rund 41 Tonnen.

    Wenn der Zug nicht voll besetzt ist, fahren da 280 Tonnen Stahl kaum genutzt durch die Gegend.. und verursachen zusätzlich ein Vielfaches an Umweltschäden.


    Viele Strecken werden auch in Zukunft weiterhin mit Dieselloks befahren

    Vor einigen Jahren haben wir einmal über den ersten Wasserstoffzug berichtet, in dem man mitfahren konnte.

    Diese Strecke wurde danach nicht weiter mit dem modernen Zug befahren. Sie wurde zwar an den Haltestellen modernisiert ... und man kann jetzt auch an zusätzlichen Haltepunkten zusteigen.

    Selbst die Elektrifizierung wurde aber komplett "auf Eis gelegt". Es lohnt sich nicht, darin zu investieren.


    Bis zum "Sankt Nimmerleinstag" werden also hier auch weiterhin Dieselloks ihre Arbeit verrichten und die Umwelt mehr verschmutzen als es eigentlich nötig wäre.


    Wenn es günstiger wird, steigen mehr auf ÖPNV um

    Das "Deutschland-Ticket" konnte nur von einer geringen Zahl der Bahnreisenden genutzt werden. Der Rest musste es zwangsweise mitfinanzieren.


    Es wird auch nicht günstiger, wenn man dafür andere Verkehrsmittel teurer macht.

    Schon seit Jahrzehnten werden die Kosten für den ÖPNV über den Kraftstoffpreis von den Autofahrenden mitgetragen, die ihn überhaupt nicht nutzen.


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    Wenn man wirklich mehr Personen und Fracht auf die Schiene bekommen will


    1) Sofort damit beginnen, stillgelegte Strecken zu reaktivieren

    Die Schienen liegen nicht mehr, die Strecken sind der Natur überlassen worden. Man kann sie nicht reaktivieren, sondern muss komplett neu investieren.


    2) Das gesamte Liniennetz ausbauen

    Es ist nur "Dummlaberei" wenn man sagt "wir könnten doch einen Großteil des Güterverkehrs auf die Schiene verlagern". Können wir nämlich nicht!


    Es gibt nur wenige große Bahnhöfe, die für den Güterverkehr ausgelegt sind. Zwischen ihnen gibt es auch keine dementsprechenden Verbindungen sodass man notfalls alles noch einmal per LKW zum nächstem bringen muss.


    Güterverkehr und Personenverkehr nutzen die gleichen Gleise. Das reicht heute nicht mehr aus, um wenigstens alles gleichzeitig auf den Weg bringen zu können. Trotz bester Taktung, müssen auch heute noch Güterzüge darauf warten, bis Personenzüge endlich von der Strecke runter sind (und umgekehrt)


    3) Pünktlichkeit verbessern

    Wenn selbst ICE nur noch zu 80% pünktlich sind .. und die halten nicht an jeder Milchkanne an .. und sogar bis zu 2 Stunden Verspätung haben können, kann man sich vorstellen, dass Bahnfahren absolut nichts mit der "schönen heilen Welt" in der Werbung zu tun hat.


    4) Warten bequemer machen

    Wenn es schon Verspätungen gibt, möchte man nicht auch noch zusätzlich auch noch im eisigen Wind und Regen ungeschützt an einer Bahnsteigkante auf den Zug warten.

    Ein Dach über dem Kopf in 12 Metern Höhe, sieht gut aus, bietet aber keinerlei Schutz, wenn es keine Wände gibt.


    5) Bahnfahren wieder zu einem Reiseerlebnis machen

    Bahnhöfe, in denen man sich auch mal aufhalten oder Reisebedarf bekommen kann, gehören längst zu den Raritäten.