Was ist Zeitarbeit / Personalleasing ?

  • Eben musste ich in einem Artikel von Die WELT folgenden Satz lesen


    Zitat

    Für Januar zeigt der IW-Index sogar einen sprunghaften Anstieg auf 710 000 Zeitarbeiter an, im Februar dürften es sogar zwischen 730 000 und 750 000 Menschen gewesen sein, die in Deutschland temporär beschäftigt waren.


    "Temporär beschäftigt" bedeutet "zeitweise beschäftigt".
    Das hat nichts mit Zeitarbeit zu tun.Wer so etwas schreibt, hat leider keine Ahnung was Zeitarbeit ist.


    Damit wenigstens die Leser des Ratgeber-Forums Bescheid wissen, möchte ich es mal erklären, was ein Zeitarbeiter ist und wie er angestellt ist.


    Ein Zeitarbeiter ist zunächst kein "klein Doofie".
    Er hat in der Regel einen ordentlichen Beruf gelernt und besitzt auch die nötigen "Briefe" und Beruferfahrung.


    Eine Zeitarbeitsfirma / Personalleasingfirma stellt ihn entsprechend seiner Berufserfahrung ganz normal ein.
    Der Arbeitsvertrag kann auf eine bestimmte Zeit befristet sein oder einfach unbefristet. Es ist also ein Vertrag wie er in jeder anderen Firma abgeschlossen wird.
    Man hat seine Wochenarbeitszeit, seinen Urlaub, seinen Lohn.


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    Nun erst kommt der eigentliche Unterschied zu einer "normalen Firma":
    Die Zeitabeitsfirma hat garkeine Arbeit für den Arbeitnehmer.
    Sie bietet die Arbeitskraft des Arbeitnehmers einem anderen Unternehmen an, das gerade zeitweise Leute braucht.
    Der "Zeitarbeiter" arbeitet in dieser Firma so lange wie seine Arbeitskraft benötigt wird.
    Danach wird er in der Regel zu einem anderen Unternehmen geschickt, um dort seine Arbeit zu verrichten.


    "Zeitarbeiter" wird er genannt, weil er in einem Unternehmen nur relativ kurze Zeit mitarbeitet und dann zur nächsten Arbeitsstelle wechselt. Er arbeitet also nicht temporär (zeitweise), sondern ganz normal durchgehend wie andere Arbeitnehmer auch - nur wechseln seine Arbeitsorte und Firmen, in denen er arbeitet, relativ häufig.


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    Eine Zeitarbeitsfirma "verkauft" die Arbeitskraft des Arbeitnehmers für Tage, Wochen oder Monate weiter.
    Der Arbeitnehmer hat zwar immer andere Vorgesetzte in den Firmen, aber trotzdem nur einen Chef und Arbeitgeber dessen Anweisungen Vorrang vor allen anderen haben.


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    Zeitarbeiter sollten eigentlich anfangs nur entstehende Personallücken füllen.
    Unerwartet hohe Produktionsmengen, dringende Termine, Urlaubs- und Krankheitsvertreteung .. DAS war der eigentliche Einsatz eines Zeitarbeiters.
    Als es begann, bestand auch immer eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Zeitarbeiter zum festen Mitarbeiter des Entleihbetriebes wurde.


    Die Zeiten haben sich jedoch grundsätzlich geändert.


    Viele Firmen entlassen ihre Belegschaft bis auf einen kleinen Kern an Stammbesetzung, die die Arbeitsabläufe organisiert und kontrolliert. Die eigentliche Produktion wird dann nur noch durch Zeitarbeiter aufrechterhalten.
    Zeitarbeiter sind für den Entleihbetrieb nicht billiger als ein festangestellter Mitarbeiter.


    Der große Vorteil liegt darin, dass man von einen auf den nächsten Tag notfalls Hunderte qualifizierte und erfahrene Arbeitnehmer bekommen kann und sie dann auch von einen auf den nächsten Tag wieder "los ist" wenn sie nicht mehr benötigt werden.
    Keine Kündigungsfristen, kein Urlaubsausfall, kein Krankheitsausfall.
    Man bekommt immer genau die Menge an Arbeitskräften, die man braucht.


    Für die Betriebe ist das ein so großer Vorteil, dass sie natürlich die Zeitarbeit "hochloben".
    Sie müssen sich keine Sorgen um Qualifikation machen oder darum wie man sie beschäftigt und bezahlt, wenn die Arbeiter nicht mehr benötigt werden.


    Zitat

    Lüerßen sieht das nicht negativ."Dadurch werden mehr Produktionsstandorte und Arbeitsplätze in Deutschland erhalten", sagt er. Und Arbeitsmarktforscher Florian Lehmer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) betont die Chance, die Zeitarbeit ehemals Arbeitslosen als Einstieg in einen festen Job bieten kann: "Die Zeitarbeit hat ihre Berechtigung."


    Da fragt man sich doch wirklich, ob diese beiden Herren überhaupt verstehen, was der andere sagt ?
    Wenn die Firmen immer mehr auf Zeitarbeit setzen, dann werden sie keine weiteren Mitarbeiter mehr einstellen.
    Die Jobchance war einmal.. damals als alles begann.


    Was zumindestens der Arbeitsmarktforscher wohl nicht weiß, ist, wie Verträge zwischen Zeitarbeitsfirma und Entleihfirma aussehen.
    In jedem Vertrag befindet sich eine ähnlich klingende Klausel:

    Bei Übernahme des Arbeitnehmers ist das Entleihunternehmen verpflichtet, eine Provision an die Zeitarbeitfirma zu zahlen. Diese richtet sich nach der Entleihzeit und dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Jahres-Bruttoarbeitsentgelt. Im Höchstfall kann diese 20% des Jahresbruttoentgeltes + USt. betragen.
    Diese Verpflichtung gilt bis zu einem Jahr nachdem der Arbeitnehmer im Entleihbetrieb eingesetzt war und ist unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Einstellung noch für die Zeitarbeitsfirma tätig ist.


    Klartext:
    Ein Entleihbetrieb muss dafür bezahlen, dass er einen Arbeitnehmer von einer Zeitarbeitsfirma übernimmt.
    Nimmt man einen Stundenlohn von 15 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche an, so beträgt das Bruttojahresentgelt (15x40x52) 31.200 Euro.
    20% davon wären dann 6.240 Euro als "Übernahmesumme" + 19% USt. = 7.425,60 Euro.


    Ich glaube, es ist jetzt verständlich, weshalb Zeitarbeiter nur relativ selten einen Arbeitsvertrag in einem Entleihbetrieb bekommen ?
    Fast 7.500 Euro Kosten, damit man einen bestimmten Arbeitnehmer bekommt.
    Wieso soll man das Geld denn rauswerfen ? Man kann ihn doch einfach weiterhin "mieten".
    Der gleiche Arbeitnehmer, der gleiche Einsatz... nur ohne "Kaufgebühren an die Zeitarbeitsfirma"


    ... und notfalls gibts es ja noch die Millionen an Arbeitslosen, die auch kin Geld fürs Einstellen kosten...



    Nun werden sich natürlich einige Zeitarbeiter wundern, wie ich zu solchen Fakten komme.

    Sie haben noch nie etwas davon gehört und die Zeitarbeitsfirmen werden sich hüten, zu sagen, dass der Arbeitnehmer sogar dann noch "gutes Geld" bringt, wenn er die Zeitarbeitsfirma verlässt.


    Tja. Dazu muss man einfach mal die Verträge zwischen den Zeitarbeitsfirmen und den Entleihfirmen in die Hände bekommen und lesen.
    Ich hatte die Gelegenheit dazu und habe bei anderen Zeitarbeitsfirmen auch direkt gefragt, we hoch die Übernahmegebühren für einen Zeitarbeiter sind. Einigermaßen verdutzt, dass ich die Verträge kenne, wurde mir immer wieder das Vorhandensein solcher Klauseln bestätigt.
    Je schneller sich eine Entleihfirma dazu entschließt, einen Zeitarbeiter einzustellen, desto mehr muss sie bezahlen.
    Je säter sie sich entschließt, desto billiger wird es für sie.


    Wenn jetzt ein Zeitarbeiter diese Zeilen liest, WEISS er endlich, weshalb aus den zugesagten "die Firma übernimmt gute Leute nach 2 Monaten" plötzlich viele weitere Monate vergehen, bis überhaupt ein Vertragsangebot kommt:
    Zu schnell übernommen ist der Zeitarbeioter einfach zu teuer... viele Moante später kann man es sich dann schon eher leisten, ihn einzustellen.


    Übrigens:
    Die Vertreter von Zeitarbeitsfirmen sind nicht dumm. Sie besuchen die Entleihbetriebe immer wieder und nehmen an Führungen teil.
    Ihr Hauptinteresse ist natürlich, dass sie ihre freien Arbeitskräfte "unterbringen" - gleichzeitig halten sie aber auch nach Gesichtern ehemaliger Zeitarbeiter Ausschau.
    Findet man einen, winkt eine schöne "Kopfprämie" ... weil dann der Entleihbetrieb im Nachhinein seine Vertragspflichten erfüllen und die Übernahmesumme bezahlen muss.


    Zeitarbeitsfirmen sind eine Chance weitere Berufserfahrung zu sammeln .. oder oft sogar nur, um Hartz-IV zu entkommen (wobei DAS nicht einmal sicher ist, wenn man manche Tarifverträge betrachtet).
    Zeitarbeit ist jedoch keine große Chance in einem Entleihbetrieb eine feste Anstellung zu finden.


    Die Firmen scheuen die Kosten von festen Mitarbeitern. Sie wollen flexibel bleiben.
    Der "Jobmotor Zeitarbeit" ist kein "Motor" sondern eine "Bremse".
    Jeder Zeitarbeitsplatz in einer Firma ist ein verlorener fester Arbeitsplatz.


    Der sprunghafte Anstieg von Zeitarbeitsstellen ist nur das Zeichen dafür, dass auf feste Belegschaften verzichtet wird.


    Bevor ich es vergesse:
    Anlass zu diesem Thema war der Artikel "Die Zeitarbeit ist wieder da" aus der auch die beiden Zitate stammen.

  • Da ich auch ehmaliger Zeitarbeitsnehmer war, kann ich einiges von deinem Artikel bestätigen.
    Ein Großauftragsgeber meiner ehmaligen Zeitarbeitsfirma wo ich angestellt war, ist die Küche im Krankenhaus Berlin-Spandau gewesen.
    Diese Küche wurde leider am 18.01.2010 geschlossen und ist umgezogen.
    Für mich war es der bisher beste Arbeitsplatz weil die Kollegen von der Küche doch sehr Nett waren und ich mich mit allen gut Verstand.
    Besonders gut mit der Chefin was zu meinem Vorteil war da Sie mich oft "gebucht" hat mit anderen Arbeitskollegen.
    Da diese Küche ja leider geschlossen wurde und dieses Krankenhaus Berlin-Spandau nun eiskalt beliefert wird finde ich ehrlich gesagt sehr Schade.
    Zumal die Qualität für mich eigentlich ganz gut war was das Essen betraf.
    Dieses Essen wird nun kalt von Berlin-Reinickendorf nach Berlin-Spandau geliefert und im Essenswagen kalt im Keller angeschlossen und nur erwärmt.
    Daran kann man sehen wie die Qualität des Essen bei den kranken zu leiden hat.


    Edit:
    Namen entfernt by Ratgeber

  • Diese "persönlichen Buchungen" sind der größte Vorteil für Zeitarbeitnehmer.
    Man erkennt, dass der Entleiher zufrieden mit der Arbeitsleistung ist. Gleichzeitig ist es immer noch Gang und Gäbe, das Zeitarbeiter auch von Zeitarbeitsfirmen entlassen werden oder in den Zwangsurlaub geschickt werden, wenn sich kein Entleihbetrieb findet.


    Hierzu ist zu erwähnen:
    Genau wie in mittlerweile vielen "normalen Firmen" wird auch hier mit Arbeitszeitkonten gearbeitet.
    Ein solches Zeitkonto soll als Puffer dienen.
    In Zeiten, in denen viel Arbeit anfällt, wird ein Teil der Arbeitsstunden nicht ausgezahlt, sondern wird auf diesem Zeitkonto gutgeschrieben. Wenn dann Zeiten kommen, in denen weniger Arbeit anfällt, kann man einige Tage lang zuhause bleiben und das Zeitkonto "abfeiern".


    Was normalerweise dazu dient, ein paar Urlaubstage zusätzlich durch Überstunden herauszuarbeiten, wird bei Zeitarbeitsunternehmen anders genutzt:
    In schlechten Zeiten (ohne Arbeitseinsatz) lebt der Zeitarbeitnehmer faktisch von seinern vorher geleisteten Überstunden.
    Sobald das Zeitkonto leer ist, droht eigentlich schon bald die Kündigung.


    Für einen Zeitarbeiter ist es deshalb immer nur vom Vorteil, wenn er dauernd persönlich angefordert wird. Das sichert ihm seinen Arbeitsplatz und sein Einkommen.


    Zudem, was ich persönlich erlebt habe, schreibe ich einen eigenen Thread.