Kleider machen Leute - Verhalten, Anreden

  • In der Geschichte "Des Schneiders neue Kleider" wird schön geschildert, wie sehr sich die Kleidung auf die Umgebung auswirken kann.


    Obwohl sich die Zeiten seit damals geändert haben, die Menschen haben immer noch die gleichen Vorurteile/Ansichten


    Bei einem Vorstellungsgespräch zieht man sich gepflegt und branchenbezogen an.
    Sobald man aber Kontakt mit den neuen Arbeitskollegen hat, entscheidet der erste Eindruck über späteres Verhalten/Respekt.


    Büro
    Im Office-Bereich ist legere Kleidung ein Zeichen dafür, dass man keine höhere Position einnimmt als die Kollegen und bereit ist, sich der aktuellen Hackordnung unterzuordnen.
    Hat man eine leitende Stellung, empfiehlt sich deshalb für den ersten Tag das "typische Erscheinungsbild" von Vorgesetzten .. was in der Regel mit Anzug/Krawatte und Rasur einhergeht.


    Ein 3-Tage-Bart ist zwar modisch vielleicht gerade "besser", erweckt aber eher den Eindruck, dass man es mit einem Menschen zu tun hat, der "karrieresüchtig" ist.


    Das erste Kennenlernen entscheidet also auch sehr stark darüber, wie man eingeschätzt und in der ersten Zeit bzw. Zukunft behandelt wird


    Die fachlichen Qualitäten werden dann später den ersten Eindruck korrigieren .. mal zum Positiven und mal auch zum Negativen.
    Mit etwas Pech, hat sich der erste Eindruck aber bei Kollegen/Mitarbeitern/Vorgesetzten so gefestigt, dass er dauerhaft ist.
    Sich im Nachhinein noch Respekt zu verschaffen ist dann eine Langzeitaufgabe... unter der sehr oft die eigentliche Arbeit leidet.



    Gewerbe
    Im handwerklichen Bereich spielt nicht nur die Kleidung eine Rolle, sondern auch der Zustand.
    Neue Arbeitshose/Jacke, Sicherheitsschuhe sind auf den ersten Blick ein Indiz dafür, dass man es mit einem noch nicht so erfahrenen Kollegen zu tun hat.
    Bei nicht fest definierten Augabenbereichen hat man damit fast schon die Garantie, dass man immer "die erste Wahl" für die unbeliebtesten Arbeiten ist.


    Eine perfekte Rasur ist zwar bei Vorgesetzten gerne gesehen, bei Kollegen erweckt es aber (wieder) den Eindruck, es mit einem Anfänger zu tun zu haben.


    HAT man aber erst einmal eine negative Einschätzung erhalten, wird es schwerer als im Office-Bereich, sich den "gebührenden Respekt" dzurch Arbeitsleistung zu erringen.
    Denn:
    Im Handwerk wird man dann oft nur mit "minderen Tätigkeiten" beschäftigt und bekommt erst viel später die Gelegenheit, seine eigentliche Kenntnisse zu beweisen.


    Auch das Verhalten entscheidet sehr über die Einschätzung Anderer:
    Lautstark und polternd.. das ist ein "No-Go" im Officebereich.. im gewerblichen Bereich sorgt es aber dafür, dass man gleich zu Anfang "vorsichtiger" behandelt wird.


    Auch wenn es durch Firmen und Vorgesetzte fast immer abgestritten wird:
    Im Gewerbe herrscht immer noch vorrangig "das Recht des Stärkeren". Diese "Fähigkeit" sorgt dann auch sehr oft dafür, dass nicht die Besten oder Klügsten kleinere Führungsporitionen (Vorarbeiter/Gruppenleiter usw.) innehaben, sondern die, die sich durch Auftreten und Drohen den besseren Respekt verschaffen können.


    Zu wirklichen Handgreiflichkeiten kommt es heutzutage immer seltener - die Drohungen schweben jedoch immer im Raum... und man weiß nie im Voraus, ob der Gegenüber sie eventuell auch in die Tat umsetzen wird.



    In der heutigen Arbeitswelt gibt es also eigentlich zwei Ebenen:

    Die intellektuelle Leistungsebene - Hier kann man sich gleich zu Anfang oder später durch Arbeitsleistung Respekt, Ansehen und Position erarbeiten
    Die körperliche Leistungsebene - Der erste Eindruck entscheidet sehr langfristig über die späteren beruflichen Möglichkeiten. Typisch "animalisches Verhalten" ist für ein Fortkommen oft förderlicher als Nachgeben und Freundlichkeit.


    Und es gibt auch noch die "Zwischenwelten"
    Das sind oft die Knotenpunkte zwischen Gewerbe und Büro.
    Wer an so einer Stelle eingesetzt ist, muss theorethisch beide Ebenen "beherrschen"
    Im intellektuellen Bereich kann er durch Arbeitsleistzung überzeugen und muss sich gleichzeitig durch entsprechendes Auftreten Respekt im gewerblichen Bereich verschaffen.

    Auch mit "Du" und "Sie" gibt es Unterschiede

    Ich musste erleben, dass das "Du" im Office-Bereich sehr schnell dazu führt, dass versucht wird unter dem "Deckmantel der Freundschaft" Vorteile zu "erbetteln".. im gwerblichenm Bereich dagegen ist das "Du" der normale Umgangston.
    Hier ist das "Sie" dann ein Zeichen für übertriebenen Respekt gegenüber dem Gesprächspartner.
    Nur Vorgesetzte bekommen in beiden Bereichen kein "Du" angeboten.


    Lustig ist die Anrede manchmal im Handel:
    Gerufen wird mit "Frau/Herr X Können Sie bitten mal ... ?" Und wenn der Kollege dann da ist wird das Gespräch im "Du" fortgesdetzt, während der Kunde dann gleichzeitig auf den Nachnamen des Kollegen verwiesen wird.
    "Sie hören ja, dass Frau/Herr x...."


    Eine "Prolo-Version" ist aber diese Anrede:
    "Frau/Herr x. Hast du mal ... "
    Sie stammt aus einer Amerikanisierung, wobei dann aber vergessen wird, dass es dort eigentlich keinen Unterschied zwischen "Du" und "Sie" gibt. (You = Du + Sie.. um einen ähnlichen Effekt wie mit dem deutschen "Sie" zu erreichen, stellt man ein "Sir/Madam" voran)

    Im Gewerbe gibt es auch eine ähnliche Vermischung der Anrede.

    So wird zwar mit dem Nachnamen gerufen, das eigentliche Gespräc wird aber mit der nicht eindeutigen Formulierung "kannste, haste,
    mach mal" usw. geführt.
    Das geschieht sehr oft, wenn sich eine kollegiale Zuasammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen entwickelt hat. Die "Sie-Form" wird dabei nur benutzt um den "Vorschriften Genüge zu tun", dass sich beide Parteien eben eigentlich "Siezen" sollen.
    Im Laufe der Zeit verschwindet das "Sie" dann aber sowieso fast immer.
    Man arbeitet zusammen an den gleichen Projekten und außer der Stellung gibt es keinen Unterschied mehr. Das drückt sich dann auch in der Sprache aus.


    ABER
    egal ob man sich durchsetzen will doer einfach nur "mitschwimmen" will.
    Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit sind immer sehr gerne gesehen und man erwirbt sich auch damit den nötigen Respekt.


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    Bevor ich dieses Thema geschrieben habe, habe ich mich jetzt jahrelang in allen Ebenen der Arbeitswelt bewegt.
    Ich habe mich sowohl hochgearbeitet, als auch dass ich einfach als Vorgesetzter "vor die Nase gesetzt" wurde.
    Mal habe ich eine Europazentrale geleitet und mal einfach als Zeitarbeiter mein Geld verdient.


    Sehr "lustig" war es immer, wenn man intern "eine kleine Leuchte" ist, aber nach Extern weisungsbefugt ist.
    Gerade im Logistikbereich sollte man dann wissen, dass man sich nicht nur durchsetzen sollte, sondern auch durchsetzen können MUSS. Hier hilft dann Freundlichkeit nicht weiter, wenn der Externe nicht darauf eingehen will.
    Ist eine Handgreiflichkeit unausweichlich, muss man auch darauf vorbereitet sein und bereit sein "entsprechende Ma0nahmen" zu ergreifen.
    Enweder ermacht ganz genau DAS was du sagst.. oder du bist deinen eigenen Job los.


    Die "typischen Verhaltensmuster" der Bereiche fand ich sowohl in kleinen als auch in größeren Betrieben.
    Trotz heutigen Wissens und Bildung hat sich in der Gesellschaft untereinander nicht viel geändert.
    Genau wie vor einigen Jahrhunderten, bestimmen Kleidung, Auftreten, Verhalten immer noch, wie Andere über einen denken und wie sie ihm gegenüber auftreten.


    Und leider auch noch sehr oft darüber, welche Chancen man im Beruf bekommt.



    PS:
    Aktuell bewege ich mich persönlich gleichzeitig/parallel auf beiden Ebenen. Zwei völlig gegensätzliche Aufgaben und Postionen.
    Wollte ich mich an meine bisherigen Erkenntnisse halten, hätte ich in keinem Bereich eine Chance.
    Es war einfach nur dadurch möglich. dass ich mir den nötigen Respekt in dem einen Bereich schon verschafft hatte.