Historie einer Traditionsfirma und einer Branche in einer Stadt

  • Unter Das Ende der Firma hatte ich diverse Punkte beschrieben , auf die man achten sollte, wenn man eine Firma schließen möchte.


    In diesem Zusammenhang ist auch dieses Thema entstanden und zu sehen.
    Es zeigt durchaus auf, was man besser machen kann oder worauf man achten sollte.
    Ich hoffe, ihr könnt , genau wie erkennen, an welchen Punkten Entscheidungen getroffen wurden , die schlussendlich zum Untergang führten.


    Die Geschichte erzählt den Werdegang bzw. Untergang einer Traditionsfirma.
    Sie reicht insgesamt über einen Zeitraum von rund 25 Jahren



    Die Firma existierte über mehrere Generationen. Sie hatte Tradition und Marktstellung. Sie war "der Name" am Ort und hatte mehrere Filialen in der Stadt.
    Ihr Name war sozusagen Synonym für ihre Branche in ihrer Stadt geworden. Dieses Image hatte sie sich im Laufe von rund 80 Jahren aufgebaut. Den einzigen ehemaligen Mitbewerber hatte sie bereits 30 Jahre zuvor zur Aufgabe gewzungen.


    Der schleichende Untergang begann damit, dass man einem neu auftauchendem Mitbewerber nicht die nötige Beachtung schenkte. Man lieferte sich zwar ein paar Geplänkel , versäumte es jedoch , die eigene Marktposition zu eigenen Gunsten auszunutzen.


    ....
    Es mag zwar "brutal" klingen, aber, wer eine Firma führt, muss auch immer darauf bedacht sein, Mitbewerber nicht so groß werden zu lassen, dass sie zu einer Konkurrenz werden können.
    Man muss sie "klein halten" oder " rechtzeitig kaputt machen". Sorry, aber eine Firma zu leiten hat nichts mit "Müttergenesungswerk" zu tun. In der Wirtschaft gibt es keine Gnade oder Mitleid. Beides führt in der Regel sonst in den eigenen Ruin.
    ....


    Die "altehrwürdige Firma" hatte also diesmal die Chance nicht genutzt, sich die Konkurrenz vom Hals zu halten.
    Diese Inhabergeneration hatte nicht so viel Biss wie die vorherige gehabt.


    Das ging auch einige Jahre gut. Als die andere Firma jedoch begann , eine erste eigene Filiale zu gründen, begann der Untergang der "alten Firma". Die Filiale hatte sich auf eine ganz spezielle Sparte konzentriert.


    Diese Spezialisierung war ihr Erfolgsrezept. NOCH hätte man gegensteuern können. Leider betrieb man aber kein Marktbeobachtung , sondern verwies nur auf vergangene Erfolge. Damit hatte der Spezialist "freie Bahn" und konnte sich selbst einen bekannten Namen machen .


    ...


    Die "alte Firma " verlor in der Folgezeit ihre Kunden aus diesem Teilbereich an den Spezialisten. Noch war es insgesamt nicht dramatisch, da sie viel breiter aufgestellt war. Es wirkte sich nur gering auf das Betriebsergebnis aus.


    Nun stellte sich aber auch die andere Firma viel breiter auf.
    Mit dem wirtschaftlichen Erfolg ihrer Filiale bekam sie endlich die Mittel dazu.
    Dadurch verlor die "alte Firma" wieder ein Kundensegment. Das führte jedoch unweigerlich dazu, dass eine der Filialen unrentabel wurde, weil sie speziell auf dieses Segment ausgerichtet war. Sie wurde geschlossen.


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    Ein weiterer Marktteilnehmer kam in die Stadt.
    In diesem Fall war es jedoch nur die Filiale eines größeren Hauses.
    Sie machte vom Marketing her alles gleich richtig:
    Mit ruinösen Dumpingpreisen sorgte sie dafür, dass die beiden bisherigen Firmen genau dieses Kundensegment an den neuen Marktteilnehmer verloren. Die Filiale war jetzt der Spezialist in genau diesem Segment.


    Dass sie später die Dumpingpreise wieder aufgeben musste , war für die anderen Firmen kaum eine Erleichterung. Der Zeitraum hatte genügt, dass für sie dieses Segment sinnlos geworden war. Sie dünnten es auf das Nötigste aus. Die "alte Firma" schloss ihre letzte verbliebene Filiale.


    .....


    Nun gab es in der Stadt 3 Häuser in dieser Branche.
    Aus der "alten Firma" mit zwei Filialen war ein "kleiner Laden" geworden. Die zweite Firma legte die Zentrale mit der besser gehenden Filiale zu einem großen Haus zusammen.
    Der kleine "Markteinbrecher" führte danach nur die Rolle eines Nebendarstellers. Das Ziel seiner Zentrale war nur gewesen, die Marktmacht der anderen Häuser zu brechen. Das hatte sie sich sehr viel Geld kosten lassen und Erfolg damit gehabt.



    In einer anderen Stadt gab es auch eine Firma aus der gleichen Branche.
    Diese Firma war auf Expansion ausgelegt und versuchte , sich in möglichst viele andere Firmen der gleichen Branche einzukaufen.
    Ihre Shoppingversuche begannen bei der "alten Firma" bereits zu einer Zeit als diese noch alle Filialen hatte.
    Damals hatte sie jedoch keinen Erfolg damit. Was dann später geschah, werdet ihr am Ende lesen.


    In einem Vorort etablierte sich eine 1-Mann-Firma aus der gleichen Branche.
    Diese wuchs relativ schnell und nutzte die sich bietende Gelegenheit, sich in einem sehr großen Haus direkt in der Kernstadt anzusiedeln. Marktteilnehmer Nummer 4 war eingetroffen - wurde jedoch von den anderen nicht beachtet.
    Diese Firma griff das Haus mit dem "Spezialisten" an. Sie hatte die gleiche Zielgruppe , bot jedoch zusätzlich ein paar Extravaganzen , die die anderen Firmen alle nicht hatten.


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    Auf so viel Konkurrenz war die "alte Firma" nie vorbereitet gewesen.
    Ihr waren die wichtigsten und einträglichsten Segmente genommen worden. Trotzdem sie immer noch "gute schwarze Zahlen" schrieb, war der Untergang nicht aufzuhalten.


    Ihr "letztes Argument" waren die Tradition und die Stammkunden, die man sich immer wieder heran gezogen hatte.
    Mit dem Erscheinen der anderen Mitbewerber ging aber auch der Kundennachwuchs verloren. Dieser orientierte sich zu den anderen Firmen. Ihr selbst blieb nur der aussterbende Rest der treuen Altkunden.

    Theoretisch hätte man das "alte Haus" immer noch mit einem sehr positiven Ergebnis schließen können.
    Der Inhaber wollte jedoch die Familientradition nicht beenden. Er klammerte sich bis zum Letzten daran.
    Am Ende dann nahm er endlich das Übernahmeangebot der auswärtigen Firma an, weil es ihm als der letzte Ausweg erschien, nicht nur die Firma, sondern auch sein eigenes Vermögen nicht zu verlieren.


    Das Übernahmeangebot war aber nicht vorteilhaft für ihn.
    Er verkaufte die Firma mit dem Warenbestand für relativ wenig. Der Firmenname blieb erhalten. Er bekam die Position eines Geschäftsführers dieser Filiale
    Dabei behielt er sich in mündlicher Absprache vor, dass er eine bestimmte Warengattung behalten und auf eigene Rechnung dort verkaufen könnte. Von dieser Abmachung wollte die Gegenseite jedoch später nichts mehr wissen. Sie beanspruchte auch diese Waren und die Erlöse für sich.
    Rund ein Jahr später wurde dem ehemaligen Inhaber dann gekündigt. Damit hatte er dann nicht nur die Familien-Firma verloren , sondern trotzdem auch noch all sein Hab und Gut. Die Erlöse aus der Übernahme hatten nicht einmal die Schulden der Firma decken können. Dafür nahm ihm dann die Bank all seinen Besitz.


    Kurz danach schloss die ehemalige 1-Mann-Firma.
    Ihr Besitzer wendete sich einer ganz andere Branche zu zu dessen Betrieb der aktuelle Standort keinen Sinn mehr machte. Ein Mitbewerber verschwand wieder vom Markt. Theoretisch hätte es jetzt für die ehemalige "alte Firma" wieder etwas besser laufen müssen.


    ABER ...
    auch die Übernahmefirma hatte nicht lange Spaß an der neuen Filiale.
    Sie setzte darauf, dass der mit gekaufte Firmenname immer noch genügend Marktwert hätte, um sich selbst auch in dieser Stadt etablieren zu können.
    Das Problem war jedoch: Er kannte die Vorzüge und Vorteile dieses Standortes nicht. Gleichzeitig vernachlässigte er die Filiale auch in den Punkten Warenbestückung und Werbung.


    Der Inhaber hatte das ehemalige Personal des "alten Hauses" natürlich über die Jahr hinweg kennen gelernt. Er war schließlich oft genug für Übernahmeangebote und als Geschäftspartner dort gewesen.
    Irgendwann nutzte er die Chance, einen der ehemaligen Mitarbeiter für sich anzuwerben.


    Es ist anzunehmen, dass er geahnt hat, dass dieser Mitarbeiter nicht nur die Filiale in ihrer Blütezeit als Zentrale kennen gelernt hatte, sondern auch die diversen Tricks kannte, die speziell an diesen Standort zum Erfolg führen würden.
    Eigentlich hatte er auch den richtigen Riecher gehabt . Der neue "Filialleiter" wusste, wie er die Filiale wieder hoch bringen musste und konnte. Er benutzte dazu alle Kniffe und der Erfolg gab ihm Recht. Die Filiale wachte endlich wieder aus ihrem Dornröschenschlaf auf.
    Der Mitarbeiter kündigte irgendwann.
    Die Filiale sankt erneut in ihren Dornröschenschlaf und konnte leider keinen Nachfolger finden , der sie wieder daraus erweckte.
    Heute gibt es den Namen des ehemaligen Haupthauses nicht mehr. Es gibt diese Filiale auch nicht mehr.


    .....


    Heute teilt sich der Markt in dieser Branche auf das große Haupthaus der anderen Firma und die auswärtige Filiale auf, die auch nur noch das Dasein eines Nebendarstellers spielt.
    Eine traditionsreiche und ehemals große Firma ist verschwunden. Ein Newcommer hat die Branche gewechselt und eine Expansionsfirma hat sich wieder zurückgezogen.




    Ich habe alle Inhaber persönlich kennengelernt , was wirklich ein glücklicher Zufall ist.
    Dabei lernte ich sogar mehrere Inhabergenerationen des Traditionshauses kennen.
    Durch sie alle konnte ich sozusagen die Geschichte des Haus auch in den Teilen nacherzählen , in denen sie nicht öffentlich geworden ist. Über mache Interna breite ich jedoch den Mantel des Schweigens und Vergessens. Man muss eben nicht alles veröffentlichen, was zum Unglück eines Anderen geführt hat und auch nicht jeden einzelnen Fehler aufzeigen.