Warum die Wehrpflicht nicht so schnell zurück kommen kann

  • Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt. Als die politische Lage sehr entspannt war, und es keine fiktiven Gegner mehr gab, war es ökonomisch unsinnig geworden, jedes Jahr Tausende junge Männer für einen eventuellen Verteidigungsfall auszubilden.
    Gleichzeitig ist auch die Mannschaftsstärke um rund 4/5 gesenkt worden.


    Die politische Lage hat sich wieder grundlegend geändert. Es gibt wieder eine Bedrohungslage wie damals im "Kalten Krieg". Parallel dazu ist die Bündnislage mit den USA auch "ungeklärt". Es ist kein Verlass mehr darauf, dass im Krisenfall von dort Hilfe zu erwarten ist. Aus einem sicheren Bündnispartner ist ein Wackelkandidat geworden.

    Mit dem aktuellen Freiwilligen-Heer von 100.000 Mann ist die Bundeswehr schon länger an ihre Grenzen angekommen. Überall auf der Welt sind Truppen im Einsatz. Zu Zeiten des "Kalten Krieges" waren die 500.000 Mann ausschließlich für die Landesverteidigung da.


    Das zu den Fakten. Die Truppenstärke kurz vor der Aussetzung der Wehrpflicht ist mir nicht mehr bekannt. Jedoch noch die, wie sie in einer ähnlichen Lage damals war. Das war deshalb auch der Bezugspunkt und darauf beziehen sich nun auch diverse Politiker.


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    Diverse Politiker sind nun dafür, die Wehrpflicht wieder aufzunehmen. Hierzu ist in manchen Medien von 700.000 Mann die Rede.


    Es wird davon ausgegangen, dass die erneute Wehrpflicht (erneut) 12 Monate dauern soll.


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    Für den Verteidigungsfall sind genügend Waffen und Material eingelagert, um jederzeit unzählige Hunderttausend Soldaten auszurüsten.
    Die Waffen sind nicht die modernsten, jedoch haben die Handfeuerwaffen eine höhere Wirkung als moderne Waffen. Die technische Ausrüstung ist auch nicht besonders aktuell, jedoch auf Ausfallsicherheit und Redundanz ausgelegt.


    Die "alten Wehrpflichtigen" wurden auf dieses Material trainiert und haben damit umzugehen gelernt. Ein altes G3 ist in der Hand eines daran trainierten Soldaten eine gefährlichere Waffe als die neuen Sturmgewehre, die vorrangig auf hohe Mobilität ausgelegt sind.
    Höhere Reichweite, höhere Durchschlagkraft, höhere Treffsicherheit, höhere Ausfallsicherheit, höhere Robustheit. Alles Sachen, in bei denen es bei den modernen Nachfolgern zu Skandalen gekommen ist.
    Die höhere Effizienz und Zuverlässigkeit wird durch ein extrem höheres Gewicht von Waffe und Munition erkauft.


    Es gibt nicht genügend moderne Waffen, um damit alle neuen Wehrpflichtigen auszurüsten zu können.


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    Überall in Deutschland wurden Kasernen aufgelöst und Truppenübungsplätze wurden in Naturschutzgebiete umgewandelt.


    Es gibt weder genügend Unterbringungsmöglichkeiten, noch stehen Areale zur Verfügung, in denen die Truppen unter realen Bedingungen trainieren könnten.
    Eine eingemottete Kaserne wieder in einen Dauerbetrieb zu versetzen, geht nicht so schnell. Je nach Einheit muss sie erneut wieder mit modernem Material ausgerüstet werden und auch die normale Versorgung muss wieder hergestellt werden.


    Es gibt das dazunötige Material jedoch teilweise nicht mehr und/oder es ist nicht einsatzfähig.
    Allein die Wiederinbetriebnahme der Gebäudekomplexe dauert Wochen bis Monate. Unter früheren Bedingungen wäre es kein Problem gewesen.
    1/2 Million Soldaten und zusätzlich noch ziviles Personal standen zur Verfügung und gleichzeitig lief die Ausrüstungsindustrie auch noch im normalen Auslastungsmodus.


    Die "paar Leute", die heute noch bei der Bundeswehr sind, können das nicht alleine schaffen. Schon die Beschaffungslogistik wäre heillos überfordert. Bis die Ausrüstungsindustrie wieder auf vollen Touren läuft, werden auch viele Monate vergehen.


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    Die Politiker, die jetzt die Wiedereinführung der Wehrpflicht fordern, sollten erst einmal ihre Hausaufgaben machen:
    Bevor man neue Wehrpflichtige einberuft, muss man erst einmal dafür sorgen, dass genügend moderne Ausrüstung für sie bereit steht. Wenn dann endlich alles wieder verfügbar ist, werden die aktuellen Politiker in der Überzahl schon längst nichts mehr mit Politik zu tun haben.


    Unzählige Milliarden - ein Vielfaches mehr als im aktuellen und zukünftigen Wehretat vorgesehen ist - müssen erst einmal wieder investiert werden. Erst danach kann man die Wehrpflicht wieder neu einführen.


    Wer heute also für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist, sollte sich damit abfinden, dass es viele Jahre dauern wird, bis das endlich verwirklicht werden kann.
    Das Aussetzen dauerte nicht lange und brauchte keine Vorbereitung. Eine Wiedereinführung braucht jedoch lange Zeit und Vorbereitung.


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    Ich persönlich betrachte alles möglichst langfristig ...
    Die Bundeswehr hat bei den großen Flutkatastrophen gezeigt, dass sie auch in der Lage ist, bei Naturkatastrophen wirkungsvolle Hilfe zu leisten. Ohne ihren Einsatz wären die zivilen Einrichtungen damit völlig überfordert gewesen.



    Beim Schneechaos in den 1980ern rückten Bundeswehr-Panzereinheiten aus, um wenigstens die wichtigsten Autobahnen noch befahrbar zu halten, weil zivile Räumfahrzeuge nicht mehr durchkamen.


    Die Bundeswehr wieder aufzurüsten ist also auch eine Investition in die Katastrophenhilfe. In Zeiten des Klimawandels muss man mit allem Möglichen rechnen und entsprechende Einsatzreserven schaffen.


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    Natürlich ergibt sich aus einer größeren Verteidigungsarmee auch ein anderer Eindruck nach außen.
    Ohne Länder und Namen zu nennen , wird sich jeder überlegen, ob er (wie in jüngster Vergangenheit noch geschehen) weiterhin Drohungen ausspricht.
    Eine halbe Million Soldaten sind, rein von der Zahl her, zwar kein großer Kampf-Faktor. Entsprechend ausgerüstet sind sie jedoch ein "Argument", das in diversen Plänen und Aussagen doch eine "hohe Relevanz" bekommen wird.


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    Mit der aktuellen Zahl ist kein Staat zu machen. Die Ausrüstung der Truppe ist auch nicht so, dass man damit "argumentieren" könnte.


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    Was ist mit dem verpflichteten Dienstjahr für alle ?


    Es widerspricht dem Grundgesetz. Das Grundgesetz hat vorgesehen, dass es nie wieder einen Arbeitsdienst wie zu Zeiten der Nationalsozialisten geben soll. Damals mussten nämlich junge Frauen und Männer zwangsweise ein Arbeitsjahr ableisten.


    Wer das zwangsweise Dienstjahr für alle fordert, fordert also faktisch, eine Nazi-Regel wieder einzuführen.


    Die Wehrpflicht ist zwar auch eine Pflicht, jedoch kann man sie auch stattdessen in sozialen Einrichtungen ableisten. Frauen unterliegen nicht der Wehrpflicht. Auch das ist so im Grundgesetz verankert.