E-Auto im Winter: Welche Reichweite wirklich ?

  • Die Reichweite wird nach WLP ( Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) angegeben.  In dem Begriff stecken aber schon die ersten Haken:


    "WLP" - Obwohl es nach einem weltweiten Standard klingt, wird er nur in Europa angewendet

    Die WLP wird für das gleiche Fahrzeug in anderen Regionen also durchaus mit anderen Reichweiten angegeben.


    "Light-Duty" - Leichte Beanspruchung

    Schon ein Leergewicht von 2,3 Tonnen ist kaum mehr als "leichte Beanspruchung" zu bezeichnen.

    Um eine "leichte Beanspruchung" zu simulieren,muss man also mit dem Tempo herunter gehen. 


    Im WLP wird 30 Minuten lang eine Strecke von knapp über 23 Kilometer gefahren. Die Höchstgeschwindigkeit liegt dabei bei 131 km/h. Im Durchschnitt wird aber nur eine Geschwindigkeit von 46,5 km/h erreicht. Der Test erfolgt unter idealen Temperaturbedingungen von + 20 ° C.^


    Seit September 2019 wurde deshalb ein weiteres Messerfahren eingeführt. RDE = Real Driving Emissions

    Hierbei wird der Verbrauch ( und damit die Reichweite) unter realen Bedingungen (z.B. verschiedene Temperaturen) ermittelt,


    Wie weit komme ich aber nun wirklich unter anderen Temperaturbedingungen ?


    Reichweitenrechner sind da durchaus sehr hilfreich. 

    Einen davon findet ihr z.B. unter https://efahrer.chip.de/reichweitenrechner


    Es geht aber auch fast schon im Kopf.

    Pro 10 Grad kälter draußen, setzt man 3 kW zusätzlichen Verbrauch für die Heizung an

    Bei einer Außentemperatur von - 10 ° C haben wir also eine Temperaturdifferenz von 30 Grad (zu + 20 °C ) 

    Da verbraucht das E-Auto auch locker mal 9 kW nur dafür, dass man beim Fahren nicht gleich einfriert.


    In einem ADAC-Verbrauchstest wurde ein Tesla Model 3 Standard Range Plus (Herstellerangabe 14,3 kW/h) mit einem Verbrauch von 19,5 kW/h gemessen. Da man aber i.d.R. nur den WLP als Anhaltspunkt hat, sollte man auch davon ausgehen, um die reale Reichweite im Winter abzuschätzen.

    9 kW zusätzlicher Verbrauch bei einem WLP von 14,5 kW/h entsprechen also einem Mehrverbrauch von rund 62 Prozent 


    - 10 °C ~ 62 % Mehrverbrauch

    0 °C ~ 41% Mehrverbrauch

    + 10 °C ~ 20 % Mehrverbrauch 

    + 20 °C = kein Mehrverbrauch für Heizung


    Faustformel: Pro 10 Grad Außentemperatur unter +20 °C = 20% weniger Reichweite.


    Wenn es draußen sehr warm ist, setzt man rund 1,5 kW zusätzlichen Verbrauch für die Kühlung an.

    + 30 ° C Außentemperatur .. und man will auf + 20 ° C herunter kühlen ... kostet somit nur 1,5 kW.  Für den besagten Tesla würde das also rund 10% des WLP entsprechen.


    Faustformel: Pro 10 Grad Außentemperatur über + 20 °C = 10% weniger Reichweite


    Das war jetzt aber nur die Energie, die zusätzlich zum Heizen oder Kühlen benötigt wird.

    Akkus mögen generell keine höheren oder tieferen Temperatur und verlieren allein dadurch schon an Kapazität. Je nach Akku-Technik gehen durch tiefe Temperaturen allein schon bis zu 50% Kapazität verloren.


    Es ist daher wichtig, dass es das Auto im Winter möglichst "schön warm hat", damit man nicht durch schon allein die tiefen Temperaturen geringere Reichweiten hat.


    Die kältebedingten Kapazitätsverluste kann man natürlich durch langsameres Fahren wieder ausgleichen - aber nur bis zu einem gewissen Tempo.

    Unter 60 km/h steigt der Verbrauch dann wieder an und die Reichweite sinkt wieder auf den Wert, als wenn man mit 110 km/h fahren würde.

    70 km/h = ideale Reichweite ... 50 km/h = Zeitverschwendung, weil man genau so verbraucht wie mit doppelten Tempo.


    Wenn euer Auto eine Wärmepumpe hat, startet ihr bereits mit "Wohlfühltemperatur"

    Die Akkus sind vorgewärmt + der Innenraum hat schon die gewünschte Temperatur. Dadurch wird weniger Energie zum Heizen benötigt. Man spricht von 20-30% weniger Reichweitenverlust


    Übrigens:

    Im Winter dann laden, wenn die Akkus noch oder schon wieder warm sind. Dann können sie auch mehr Energie speichern.

    Das bedeutet, dass man besser ladet, wenn man schon eine gewisse Zeit lang gefahren ist... oder man hat eine Wärmepumpe, die den Akku vorher schon entsprechend aufgewärmt hat.



    Hinweis:

    Die Werte habe ich unter Zuhilfenahme der Fakten des oben verlinkten Reichweitenrechners zusammen gestellt.

    Am Besten ihr ermittelt in der milden Jahreszeit einmal euren realen Verbrauch und Reichweite. Fahrt dann einmal ganz gezielt bei 10 Grad kälter raus. Dann habt ihr euren persönlichen Reichweitenverlust in Prozent.